Von: luk
Bozen – Obdachlose gehören zum Stadtbild vieler europäischer Städte – still, oft unsichtbar und doch präsent. Doch was passiert, wenn Armut und Not nicht mehr in das Bild einer „schicken“ und für Besucher attraktiven Stadt passen? Im Fall von Carlo, einem Obdachlosen, der seit vielen Jahren friedlich und unaufdringlich seinen Platz beim Stadthotel in Bozen hatte, ist genau diese Frage neu entfacht worden. Er musste nun gehen.
Carlo war seit Jahren eine fixer Bestandteil in der kleinen Gasse zwischen Silbergasse/Kornplatz und Waltherplatz im Bereich vor dem Eingang des Stadthotels. Nun musste er das Areal verlassen. Die Entscheidung folgte zahlreichen Beschwerden von Anwohnern und Geschäftsleuten, die von unhaltbaren hygienischen Zuständen und zunehmendem Verfall berichteten.
Am Freitag veranlasste die Stadtpolizei ein 48-stündiges Aufenthaltsverbot, berichtet die Zeitung Alto Adige. Zudem wurden Fahrradständer im Durchgang aufgestellt, um ein erneutes Lagern zu verhindern. Bürgermeister Claudio Corrarati betonte, dass kein offizielles städtisches Aufenthaltsverbot ausgesprochen wurde: „Leider stellte das Lager aus hygienischer Sicht ein ernstes Problem dar. Die Situation war schwierig und musste geregelt werden, nachdem zahlreiche Proteste eingegangen waren.“
Carlo hatte den Durchgang in den vergangenen Monaten zunehmend zu seinem Lebensmittelpunkt ausgebaut: Mit Matratzen, provisorischen Überdachungen aus Regenschirmen, verschiedenen Gegenständen und sogar einer kleinen Bananenpflanze richtete er sich dort regelrecht häuslich ein. Seit Freitag ist das Areal komplett geräumt und gereinigt.
Die Entscheidung löste auch Kritik aus. Grünen-Stadträtin Chiara Rabini schrieb auf Facebook: „Selbst seine Stühle, auf denen er lebte, nachdem man ihm die Bank genommen hatte, sind verschwunden. Seine kleine ‚Wohnung‘ wurde zerstört, und er steht nun ohne Alternative auf der Straße. Jetzt ist die Gasse sauberer – zur Freude mancher Touristen -, aber eine Person ist einsamer geworden und es ist weniger Menschlichkeit geblieben.“
Der Fall hat erneut eine Debatte entfacht, wie Bozen künftig mit ähnlichen Situationen umgehen will – zwischen dem Bedürfnis nach Ordnung und Sauberkeit im Stadtzentrum und der Verantwortung gegenüber Menschen ohne Obdach.
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