Von: mk
Bozen – Laura Perselli und Peter Neumair sind am 4. Jänner 2021 in ihrer Wohnung vom eigenen Sohn erdrosselt worden. Das ermordete Bozner Ehepaar und die monatelange Suche nach deren Leichen haben das Interesse nationaler und internationaler Medien hervorgerufen. Am gestrigen Freitag ist die Verhandlung gegen Benno Neumair vor dem Bozner Schwurgericht fortgesetzt worden. Im Fall einer Verurteilung droht ihm eine lebenslange Haftstrafe.
Den psychiatrischen Experten zufolge leidet Benno Neumair unter einer schweren narzisstischen Persönlichkeitsstörung mit aggressiven Zügen sowie unter einer histrionischen Störung mit einem starken Hang zu emotionaler Theatralik und auf ständiger Suche nach Aufmerksamkeit. Auf gut Deutsch heißt das: Der Mathematiklehrer hat seit jeher sein eigenes Ich in den Mittelpunkt gestellt und ist davon ausgegangen, alles aus dem Weg räumen zu müssen, was sich seinem aufgebauschten Ego in den Weg stellt.
Niederlagen riefen eine tiefe Frustration in ihm hervor – vor allem angesichts der Erfolge im beruflichen und im persönlichen Leben seiner Schwester Madè.
Wie sich bei dem gestrigen Verhandlungstag herausstellte, wird es für die Verteidigung von Benno Neumair nicht einfach sein, zu beweisen, dass es sich bei dem Mord an Peter Neumair und Laura Perselli um eine unbesonnene Reaktion ihres Sohnes nach einem erneuten Streit gehandelt hat. Dies berichtet die italienische Tageszeitung Alto Adige. So hatte es der Angeklagte im Rahmen seines Geständnisses nach der Tat dargestellt.
Bei der gestrigen Verhandlung sind keinerlei Elemente aufgetaucht, die dies untermauern. Im Gegenteil: Benno Neumair war von einigen Gutachtern im Vorfeld als manipulativ und als gewohnheitsmäßiger Lügner bezeichnet worden.
Drei Frauen, die mit Benno Neumair über die Dating-App Tinder Kontakt geknüpft haben, haben allerdings bestätigt, dass das Verhältnis zu seiner Familie ein schlechtes war. Bei mehreren Gelegenheiten habe der Angeklagte in Tränen von seiner Überzeugung erzählt, dass seine Eltern ihn für einen Versager halten würden.
Trotz allem haben die gestrigen Zeugenaussagen eher den Eindruck bekräftigt, dass es sich bei dem Doppelmord um eine geplante Tat gehandelt haben könnte. Sowohl nach als auch vor der Tat habe Benno Neumair mit extremer Klarheit gehandelt, indem er zunächst eine Situation arrangiert hat, die ihm ein glaubhaftes Alibi liefert und indem er anschließend versucht, die Ermittler auf falsche Fährten zu locken.
Zu den Frauen, die gestern ausgesagt haben, gehört auch Martina A., die in einem Bekleidungsgeschäft in Bozen arbeitet. Sie war in der Vergangenheit selbst kurzfristig ins Visier der Behörden geraten. Anschließung waren die Ermittlungen wegen mutmaßlicher Begünstigung allerdings archiviert worden.
Vor Gericht räumte sie gestern ein, dass sie durchaus von Benno Neumair fasziniert gewesen sei. Sie habe sich dazu entschlossen, dem Bozner zur Seite zu stehen, der offenbar eine Krise durchlebt habe. Mehrmals habe Benno Neumair am Telefon geweint und seine Eltern beschuldigt, es auf ihn abgesehen zu haben.
Am Morgen des 4. Jänners könnte sich Benno Neumair einfach deshalb entschlossen haben, Martin A. zu treffen, weil eine weitere Freundin – Jasmin C. aus St. Ulrich – an diesem Abend keine Zeit hatte. Martina A. hat den Angeklagten darauf in ihre Wohnung nach Auer eingeladen und den ganzen Abend für ihn reserviert.
Ihr soll Benno Neumair vorher erklärt haben, dass er seine Eltern gefragt habe, ob er deren Auto benutzen dürfe, obwohl sie ihm dies wegen eines Unfalls vorher verboten hatten. Martina A. verriet dann auch vor Gericht, dass sie von Benno Neumair dazu gedrängt worden sei, nach der Durchsuchung in ihrer Wohnung den Ermittlern gegenüber zu erklären, sie habe gemeinsam mit ihm Marihuana geraucht.
Dies hätte vermutlich die Version von Benno Neumair bestätigen sollen, der erklärt hatte, mit dem Fahrrad zur Rom-Brücke gefahren zu sein, nicht um das Handy seiner getöteten Mutter los zu werden, sondern um einen Dealer zu treffen.
Am Abend des Mordes kam Benno Neumair erst gegen 22.15 Uhr und damit mit erheblicher Verspätung bei seiner Freundin in Auer an. Sie hat allerdings nicht allzu viele Frage gestellt – auch nicht, als er sie darum bat, Kleidung für ihn zu waschen.
So erging es auch der Grödnerin Jasmine C., die für eine paar Tage in die Wohnung von Benno Neumairs Eltern und damit an den Tatort gezogen ist. Sie hat dem Angeklagten geholfen, den Boden mit Wasserstoffperoxid zu reinigen. Damit wollte Benno Neumair Spuren verwischen. Dabei habe er behauptete, der Hund habe sich übergeben. Auch als die Carabinieri das Auto der Eltern beschlagnahmten, mit dem Benno Neumair die Leichen seiner Eltern entfernt hat, fühlte sie sich noch nicht beunruhigt.
Benno Neumair wollte kein eigenes Appartement
Daniela A. hat Benno Neumair ebenfalls online kennengelernt. Zwei Tage, nachdem er seine Eltern getötet hatte, hat er sich bei ihr wieder gemeldet.
Sie willigte ein, ihn bei sich in ihrem Appartement in Bozen mehrere Tage lang wohnen zu lassen, nachdem die Wohnung der Eltern beschlagnahmt worden war – bis dann am 28. Jänner die Verhaftung erfolgte.
Gestern hat die Frau vor Gericht bestätigt, dass sich der Angeklagte über die Beziehung zu seinen Eltern und zu seiner Schwester beschwert habe. Daniela A, habe Benno Neumair helfen wollen und ihm die Schlüssel ihrer Wohnung zur Verfügung gestellt.
Gegenüber Daniela soll Benno Neumair allerdings nie den Wunsch geäußert haben, nach Indien auszuwandern und seine Familie hinter sich zu lassen, wie er dies gegenüber Jasmine geäußert haben soll.
Benno Neumair, der vermutlich geahnt hat, kurz vor einer Anklage zu stehen, soll ihr gegenüber erklärt haben, dass er nicht vorhabe, 20 Jahre hinter Gitter zu verbringen. Der Angeklagte soll sich als Opfer seiner Familie gefühlt haben, allerdings sei er es gewesen, der auf eine eigene Wohnung gegen eine monatliche Miete von 600 Euro verzichtet hat, die sich im selben Haus wie die Wohnung seiner Eltern befand. Dies hatte der Verwalter der Immobilie vor Gericht erklärt.
Offiziell erfolgte die Ablehnung am 1. Jänner 2021 – vier Tage vor dem Mord an seinen Eltern. Die Mutter habe den Verwalter mitgeteilt, dass sich ihr Sohn bei ihnen beschützter fühle und im Jänner eine Therapie anfange.
Ein weiteres Detail: Die Nachbarin, die in der Wohnung neben der des getöteten Ehepaares lebt, erklärte vor Gericht, sie sei am 4. Jänner um 17.20 Uhr nach Hause gekommen. Als Laura Perselli erwürgt wurde, war sie demnach zu Hause. Gehört habe sie allerdings nicht. Möglicherweise hatte Laura Perselli keine Chance, sich zu wehren.