Von: apa
Das Europäische Parlament hat am Donnerstag im sogenannten Eilverfahren für eine Absenkung des Schutzstatus des Wolfes von “streng geschützt” auf “geschützt” gestimmt. Mit der Zustimmung kann die Änderung laut Parlament rasch in Kraft treten. Ein herabgesenkter Status soll den Staaten laut EU-Kommission mehr Flexibilität geben, die Jagd auf Wölfe zuzulassen, ohne den Schutz ganz aufzuheben. Aus der Landwirtschaft kam viel Zustimmung, Tierschützer kritisierten den Plan.
Die Kommission hatte im Dezember 2023 vorgeschlagen, den Schutzstatus des Wolfes abzusenken. Die Rückkehr des Raubtiers in EU-Regionen, in denen es seit langem nicht mehr anzutreffen war, habe ebenso wie die Zunahme seiner Populationen in neuen Gebieten zu Schwierigkeiten und Konflikten geführt, begründete die Kommission ihre Entscheidung. Nach der Zustimmung der EU-Staaten im September 2024 brachte die EU einen Abänderungsantrag für die Berner Konvention ein, der im Dezember angenommen wurde.
Über 20.000 Wölfe in Europa
Die Mitgliedstaaten müssten weiterhin den günstigen Erhaltungszustand des Wolfes sicherstellen und dürften den Wolf in ihrer nationalen Gesetzgebung als streng geschützte Art einstufen und strengere Maßnahmen zu seinem Schutz ergreifen, reagiert das EU-Parlament auf kritische Stimmen. Ein geringerer Schutz des Wolfes in Europa war in den letzten Jahren heiß diskutiert worden. Nach Angaben der Kommission gibt es in Europa über 20.000 Wölfe, deren Populationen und Verbreitungsgebiete wachsen. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) hatte sich für die Absenkung eingesetzt.
Mit der heutigen Zustimmung des EU-Parlaments mit 371 Ja-Stimmen, 162 Nein-Stimmen und 37 Enthaltungen darf die EU-Kommission nun den Wolfsschutz in der sogenannten Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) senken, um ihn der Berner Konvention anzugleichen. Die EU-Mitgliedstaaten müssen die Entscheidung des Parlaments noch final formell absegnen, was aber nach ihrer bereits erteilten Zustimmung zum selben Text im April reine Formsache ist. Dann kann dieser im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden und in Kraft treten. Die Mitgliedstaaten haben anschließend 18 Monate Zeit, um das Gesetz umzusetzen.
ÖVP für Absenkung, Grüne dagegen
“Wir haben uns jahrelang dafür eingesetzt, jetzt ist es endlich gelungen. Der alte Schutzstatus aus dem vorigen Jahrhundert war einfach nicht mehr zeitgemäß. Jetzt haben wir mehr Rechtssicherheit für den Umgang mit Wölfen und die Entnahme von Problemtieren. Denn der Wolf ist nicht mehr gefährdet, aber er ist eine ernste Gefahr für unsere traditionelle Almwirtschaft und andere Kulturlandschaften”, begrüßten die ÖVP-EU-Abgeordneten Alexander Bernhuber und Sophia Kircher die Entscheidung in einer Mitteilung.
Die grüne Europaabgeordnete Lena Schilling warnt hingegen: “Heute ist es der Wolf – morgen der Otter, übermorgen der Luchs. Mit diesen Entscheidungen im Eilverfahren öffnen wir eine Büchse der Pandora. Diese Herabstufung ist ein Frontalangriff auf 30 Jahre europäischen Schutz von Tier und Pflanzen.” Selten sei eine Debatte in Brüssel mit so vielen Schauergeschichten ausgeschmückt worden, so Schilling laut Aussendung: “Es widerspricht faktenbasierter Politik, den Schutzstatus des Wolfs ohne ausreichende wissenschaftliche Grundlage herabzusetzen.”
Für die Landwirte, die von Wolfsrissen betroffen sind, bessere sich mit dieser Entscheidung gar nichts, sagte ihr Delegationskollege Thomas Waitz. “Die Bauern werden weiterhin alleine gelassen. Es braucht nach wie vor stärkere Unterstützung für Behirtung und andere Schutzmaßnahmen. Der Wolf dient der EVP als Sündenbock und soll von ihrem Versagen im ländlichen Raum in ganz Europa ablenken.”
Pernkopf sieht “gute Nachricht für die Sicherheit”
Dass der Wolf zum Schutz von Mensch und Nutztier zukünftig besser reguliert werden kann, sei “eine gute Nachricht für die Sicherheit in Österreich”, reagierte Niederösterreichs Landeshauptmannstellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP). Er erinnerte, dass der Wolf “längst nicht mehr vom Aussterben bedroht” sei. Gleichzeitig bedrohe er jedoch das Sicherheitsgefühl vieler Menschen und stelle eine Gefahr für Nutz- und Haustiere dar. Pernkopf zeigte sich auch erfreut über das eindeutige Votum.
Die “wegweisende Abstimmung” im Europäischen Parlament sei auf Initiative des NÖ Bauernbundes erfolgt, hatte die Interessenvertretung bereits im Vorfeld mitgeteilt. Pernkopf ist auch NÖ Bauernbundobmann. In Niederösterreich hat es einer Aussendung zufolge Wolfssichtungen zuletzt in Hochwolkersdorf (Bezirk Wiener Neustadt) und Ybbs (Bezirk Melk) gegeben. In Kaltenleutgeben (Bezirk Mödling) seien Risse von Nutztieren erfolgt.
Auch aus Tirol kamen positive Reaktionen. Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) bezeichnete die Senkung des Schutzstatus als “ersten logischen Schritt”, dem nun weitere folgen müssten. Es dürfte nicht Brüssel darüber entscheiden, ob es in Österreich genügend Wolfsrudel gebe. Der Erhaltungszustand sei im Alpenraum “gut, sodass wir Schad- und Problemtiere auch guten Gewissens entnehmen können.” Dem pflichtete auch sein Stellvertreter und Parteikollege Josef Geisler bei. Die “rasche und unbürokratische Entnahme von Problemwölfen” sei weiter zentral. Dafür brauche es nun “klare Definitionen”, insbesondere beim Begriff des “günstigen Erhaltungszustands”.
Kritik von WWF, Lob von der LKÖ
“Das ist der völlig falsche Weg und könnte letztlich zu einer Aushöhlung des Naturschutzes in der EU führen – mit dramatischen Folgen für gefährdete Arten und Lebensräume”, sagte WWF-Experte Christian Pichler zur heutigen Abstimmung. “Der Wolf wurde vom EU-Parlament heute geopfert – obwohl die Bevölkerung das mehrheitlich nicht will, wie sich in der von der EU Kommission selber initiierten Umfrage Ende 2023 herausstellte”, lautete die Kritik von Michaela Lehner, Leiterin der Stabstelle Recht von Tierschutz Austria.
Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger sah in der heutigen Entscheidung einen wichtigen Schritt “im Sinne unserer Alm- und Weidewirtschaft, die deutlich stärker gefährdet ist als der zu Zigtausenden in Europa umherstreifende Wolf.” Der Verband “Jagd Österreich” verwies in einer Aussendung indes darauf, dass Wölfe kaum natürliche Feinde in den Kulturlandschaften Europas kennen und die Population daher stark angestiegen sei. Dieser Fakt sei auch von der internationalen Naturschutzorganisation IUCN bestätigt worden, die den Wolf von der Liste der gefährdeten Arten in Europa gestrichen habe. “Gesetze aller Art sollten Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen folgen. Wir sind erleichtert, dass es auch das Europäische Parlament so sieht. Nun ist der Weg frei für ein – wissenschaftlich unterstütztes – Management des Wolfes”, wurde Franz Mayr Melnhof-Saurau, Präsident von “Jagd Österreich”, zitiert.
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