Nachbarn machen es Sozialgenossenschaft schwer

Geht es um Lärmbelästigung oder Alltagsrassismus?

Freitag, 16. Juni 2017 | 16:04 Uhr

Bozen – Mit den jüngsten Flüchtlingsströmen nach Europa ist längst auch der Alltagsrassismus in Südtirol angekommen. Dass vor allem Migranten und Asylwerber, die gegen das Gesetz verstoßen für Schlagzeilen sorgen, verschlimmert die Situation nur noch. Von den Unzähligen, die sich bei uns integriert haben und sich an die Regeln halten, hört man wenig. Auch bei einem Beispiel in Bozen stellt sich die Frage, ob es wirklich nur um Lärmbelästigung geht.

Bei der Sozialgenossenschaft Akrat Recycling auf dem Matteottiplatz in Bozen findet ein Testverfahren für Flüchtlinge statt. Es handelt sich dabei um hamet 2, ein Pilotprojekt im Auftrag des Amtes für Senioren und Sozialsprengel der Autonomen Provinz Bozen. In diesem Verfahren geht es darum, Kompetenzen von Flüchtlingen zu testen, die für eine Integration in den Arbeitsmarkt relevant sind. Diesmal treten zwölf Personen an, die aus Pakistan und Afghanistan stammen. Sie werden von vier Testern betreut.

Nun kam es zu folgender Situation: Um 8.00 Uhr tauchte ein Stadtteilpolizist vor dem Eingang der Sozialgenossenschaft auf und schaute sich um. Eine Stunde später, um 9.00 Uhr, stehen zwei Stadtpolizisten vor der Eingangstür und schreiben ein Protokoll und gehen. Um 10.00 Uhr tauchten zwei andere Stadtpolizisten auf und erkundigten sich bei Mitarbeitern des Projekts, was diese Ansammlung von Migranten soll.

Der Grund für diese beachtliche Polizeipräsenz waren Anrufe aus der Nachbarschaft – und die Polizei erscheint bei jedem Anruf, in diesem Jahr schon etliche Male. Es seien immer die gleichen Nachbarn und wenn angerufen werde, müssten sie kommen, lautete die Auskunft der Polizisten.

Zwei bis drei Nachbarn haben offensichtlich die Sozialgenossenschaft Akrat im Visier und die Stadtpolizei ist bei jedem neuen Anruf prompt zur Stelle. „In den letzten vier Jahren, so lange gibt es Akrat als Sozialgenossenschaft, haben wir zahlreichen Stadtpolizisten in Uniform oder Zivil erklärt, was wir tun. Als Sozialgenossenschaft des Typ B haben wir das Ziel, Arbeitsplätze für Menschen zu schaffen, die sich auf dem Arbeitsmarkt schwertun. Wir produzieren Möbel und Textilien aus Recyclingmaterial und leben vom Verkauf dieser Produkte“, erklären die Vertreter der Genossenschaft.

Mittlerweile sind zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, in Teil- und Vollzeitstellen. Dazu kommen Praktikanten und Freiwillige. Dabei handelt es sich Menschen aus acht verschiedenen Nationen, die an diesem Ort arbeiten, sich für etwas einsetzen und sich wohlfühlen. Es ist ein guter Platz um Vorurteile abzubauen und Kontakte zu knüpfen.

„Diese Nachbarn kümmern sich äußerst ‚gewissenhaft‘ um unsere Lizenzen, und ob insgesamt alles in Ordnung ist. Es wurde auch schon vermutet, dass wir als Schlafsaal für Flüchtlinge funktionieren, auch das wurde von der Stadtpolizei kontrolliert. Auch eine Anfrage der Süd-Tiroler Freiheit im Landtag wurde von diesen besorgten Nachbarn initiiert. Sven Knoll und Co setzen sich also nicht nur für die Belange der deutschsprachigen Bevölkerung ein, denn die Wohnbevölkerung um den Matteottiplatz spricht mehrheitlich italienisch. Aber das nur nebenbei“, erklären die Vertreter der Sozialgenossenschaft.

Durch diese Anfrage aufgeschreckt, habe das Amt für Luft und Lärm im Februar dieses Jahres für zwei Monate die Maschinen der Sozialgenossenschaft gestoppt. Wochen nachher seien die Lärmbelästigung gemessen und die Grenzwerte auf dem Balkon einer Nachbarin als zu hoch eingestuft worden. „Bis wir die Akustikmaßnahmen gebaut haben, können wir nur vier Stunden am Tag die Maschinen in der Tischlerei benutzen, was unsere Produktionskapazität natürlich stark einschränkt. Dazu kommen 1.000 Euro Strafe, da die Maschinen nicht rechtmäßig gemeldet waren“, erklären die Vertreter der Sozialgenossenschaft.

Die Nachbarn würden nicht mit den Vertretern der Sozialgenossenschaft sprechen, sondern sich sofort an die Stadtpolizei wenden – und in größter Not offensichtlich auch an die Süd-Tiroler Freiheit. „Es sind immer die gleichen Personen, und es geht immer um Ruhestörung. Wir werden genauestens beobachtet und kontrolliert. Es gibt aber nicht nur diese Nachbarn. Wir genießen auch viel Sympathie und Anerkennung. Diese ist für uns wichtig, gibt uns Auftrieb und um diese werden wir uns auch weiterhin bemühen“, erklären die Vertreter der Sozialgenossenschaft Akrat.

Von: mk

Bezirk: Bozen