Molekülstruktur 13.000 Mal schneller entschlüsselt

Google macht bei Quantencomputer historischen Sprung in die Praxis

Donnerstag, 23. Oktober 2025 | 11:01 Uhr

Von: mk

Mountain View – Der Suchmaschinenkonzern Google hat nach eigenen Angaben einen Durchbruch in der Quantencomputer-Forschung erzielt. Mit dem Quantenchip „Willow“ gelang es Forschern des US-Unternehmens, die Struktur einer Molekülverbindung mit beispielloser Präzision zu analysieren – und das 13.000-mal schneller als die leistungsfähigsten Supercomputer der Welt.

Das Ergebnis verdankt der Konzern Wissenschaftlern von Google Quantum AI unter der Leitung von Vadim Smelyanskiy und Hartmut Neven und wurde in zwei Fachartikeln in der renommierten Zeitschrift Nature sowie auf der Pre-Print-Plattform ArXiv veröffentlicht.

Verlgeich mit den Gebrüdern Wright

Der aktuelle Erfolg wurde nur wenige Tage nach der Vergabe des Physik-Nobelpreises an John Clarke, Michel Devoret und John Martinis bekannt, die maßgeblich an der Entwicklung der aktuellen supraleitenden Quantencomputer von Google beteiligt waren.

Bereits im Jahr 2019 hatte Googles „Sycamore“-Chip die sogenannte „Quantenüberlegenheit“ demonstriert: die Fähigkeit eines Quantencomputers, komplexe Berechnungen wesentlich schneller durchzuführen als der damals beste Supercomputer. Dieser Erfolg war als reiner Demonstrationsbeweis ohne unmittelbare praktische Anwendung gewertet worden, wurde von vielen jedoch mit dem historischen Erstflug der Gebrüder Wright verglichen.

Seitdem hat Google wichtige Fortschritte erzielt. Der 2024 vorgestellte „Willow“-Chip war ein entscheidender Schritt, da er ein zentrales Problem signifikant reduzierte: die Fehleranfälligkeit der Qubits (der Quantenversion der traditionellen Bits) gegenüber äußeren Störungen.

Eben dieser Chip hat nun den Weg für die aktuelle Anwendung geebnet: den Beweis, dass Quantencomputer konkrete Anwendungen finden und neue Türen zu wissenschaftlichem Wissen aufstoßen können.

Konkret wandten Forscher, darunter die italienische Wissenschaftlerin Alice Pagano von der Universität Padua, die Quantenberechnung auf die Analyse von Molekülen wie Toluol und Dimethylbiphenyl an. Dies ermöglichte eine Detailgenauigkeit, die bisher unerreichbar war, schreibt die Nachrichtenagentur Ansa.

Mithilfe eines neuen Algorithmus namens Otom, den die Forscher poetisch in „Quantum Echoes“ umbenannten, kombinierten sie Beobachtungen aus der herkömmlichen Kernspinresonanz (NMR) mit der Quantenberechnung. Dieser qualitative Sprung wird von den Wissenschaftlern verglichen mit dem Unterschied, „ein versunkenes Wrack nur per Sonar zu orten oder es direkt mit einem Taucherteam inklusive Videokameras zu begutachten.“

Der Erfolg eröffnet neue Möglichkeiten, die intimsten Details der Atome in einer Molekülstruktur zu erforschen und gilt als gewaltiger Fortschritt für konkrete Anwendungen in Bereichen wie Medizin und Materialforschung.

Experten warnen vor übertriebenem Hype

Trotz der beeindruckenden Ergebnisse mahnt Quantenexperte Simone Montangero, Direktor des Zentrums für Quantenberechnung und -simulation an der Universität Padua, laut Ansa zur Vorsicht: „Dies ist eine sehr interessante Arbeit, aber man muss betonen, dass die Bedeutung des Quantenchips selbst tatsächlich sehr marginal war. Leider kann die Erzeugung eines übermäßigen Hypes kontraproduktiv sein. Es ist daher wichtig, die Fortschritte hervorzuheben, aber ohne die tatsächlichen Fähigkeiten zu übertreiben.“

Wie die Online-Ausgabe vom Stern berichtet, betonen die Forscher, dass “Quantum Echoes” nicht nur auf dem “Willow”-Chip von Google funktioniere, sondern der Algorithmus könne auch auf anderen Quantencomputern zum Laufen gebracht werden, um das Ergebnis zu überprüfen.

Quantum Computing werde außerdem die Anwendung Künstlicher Intelligenz vorantreiben, sagt der deutsche Informatiker Hartmut Neven, Gründer und Leiter des Quantum Artificial Intelligence Laboratory von Google. „Heute nutzen wir bereits KI, um das Design zu beschleunigen und die Software zu verbessern, die wir für unsere Quantencomputer verwenden.” Man müsse aber auch sehen, dass KI große Datenmengen zum Trainieren benötige. “Die Welt um uns herum ist von Natur aus quantenbasiert, sodass Quantum Computing in der Lage sein wird, einzigartige und wertvolle Daten für das Training von KI zu erzeugen.“

Kommentare

Aktuell sind 0 Kommentare vorhanden

Kommentare anzeigen