Nicht mehr „dazuzugehören“ eigentliche Strafe – ein Kommentar

Impfpflicht: Symbolik wichtiger als 100 Euro

Donnerstag, 13. Januar 2022 | 06:23 Uhr

Bozen – Die Nachricht, dass die zukünftige Strafe für über-50-jährige Ungeimpfte nur aus einem einmaligen Bußgeld von 100 Euro bestehen soll, sorgt in ganz Italien für Ungläubigkeit und Entsetzen. „Wenn man denjenigen, die sich der Impfpflicht entziehen, ein einmaliges Bußgeld von 100 Euro auferlegt, das in etwa zwei Parksünden – zweimal 41 Euro – entspricht, ist die Impfpflicht selbst ein grotesker Witz“, ärgert sich gleich wie viele seiner Kollegen der bekannte Virologe und Immunologe Roberto Burioni.

Er und seine Ärztekollegen begehen aber den Fehler, ihren Blick nur auf die Geldstrafe zu richten, und verkennen dabei, welch tiefe Symbolik sich hinter der Impfpflicht verbirgt. Zusammen mit Österreich, das aller Voraussicht nach im Februar ebenfalls die Pflichtimpfung einführen wird, ist Italien das erste europäische Land, das sich zu dieser drastischen Maßnahme entschließt. Damit zeigt der Staat, dass er die Freiwilligkeit aufgibt und alle Bürger in die Pflicht nimmt, gemeinsam gegen die Pandemie zu Felde zu ziehen. In diesem Sinne ähnelt die Pflichtimpfung einer Einberufung aller Wehrfähigen – eine Mobilisierung aller Kräfte – wie sie nur im Falle höchster Gefahr angewendet wird.

Sabes

Natürlich ist eine Verpflichtung immer eine Niederlage. Wie viel besser wäre es, immer auf die Kraft der Überzeugung setzen zu können. Im Lichte der schieren Zahlen und der abgewendeten Gefahren spricht objektiv gesehen nichts gegen die Impfung. In einer Welt voller Fake News und übler Gestalten, die zum eigenen Vorteil ihr Süppchen gerne auf dem Rücken der Allgemeinheit kochen, ist der Glaube, allein durch die Macht des Wortes und mit Verweis auf Erfolge alle überzeugen zu können, eine Illusion.

Nein, die Strafe besteht nicht aus dem 100-Euro-Bußgeld, nicht aus der Vielzahl von Einschränkungen, die Impfgegner über sich ergehen lassen müssen und auch nicht aus der Suspendierung, die die arbeitenden Über-50-Jährigen trifft. Die eigentliche Strafe besteht darin, nicht mehr „dazuzugehören“ und nicht mehr Teil einer Wertegemeinschaft zu sein, die es sich zur Aufgabe gemacht, den Kampf gegen die Pandemie bis zur Rückkehr der Normalität durchzustehen. Der nagende Gedanke, beim „wir“ nicht mehr dabei zu sein, das ist die wahre Strafe.

Von: ka

Bezirk: Bozen