Attraktiver Arbeitsplatz geht anders – ein Kommentar

Keine Lust auf den Öffentlichen Dienst

Donnerstag, 17. November 2022 | 03:07 Uhr

Bozen – Noch vor wenigen Jahren standen die Gemeinde oder das Land als Arbeitgeber bei den Arbeitssuchenden hoch im Kurs. Neben absoluter Arbeitsplatzsicherheit lockten ein dank Zweisprachigkeitszulage gutes Gehalt und aus Sicht der Frauen attraktive Mutterschaftsregelungen die Bewerber in Scharen an.

Von dem ist heutzutage kaum mehr etwas zu spüren. Jahrelange Lohnnullrunden sorgten dafür, dass zwischen den von öffentlichen und privaten Arbeitgebern gezahlten Gehältern kaum mehr ein Unterschied besteht. Es sind insbesondere die geringen Einstiegsgehälter und die schmalen Gehaltsvorrückungen, die bei den öffentlichen Angestellten für Unmut sorgen. Die gebotenen Summen sind in keiner Weise dazu geeignet, junge Berufsschul- und Universitätsabsolventen für einen Job in der öffentlichen Verwaltung zu begeistern.

APA/APA/dpa (Themenbild)/Annette Riedl

Aufgrund des massiven Fachkräftemangels sind private Arbeitgeber hingegen immer öfter gewillt, für tüchtige Mitarbeiter tiefer in die Tasche zu greifen. Private Arbeitgeber verstehen es oftmals besser als ihre öffentlichen Kollegen, mit der Aussicht auf Zulagen und Erfolgsprämien oder mit „Benefits“ wie Firmenautos, freie Benützung von Fitness- und Wellnessanlagen sowie Gutscheinen aller Art attraktive Arbeitsplätze zu schaffen.

Vergessen wird bei allen Argumenten aber oft, dass tüchtige Leute in der Privatwirtschaft eher vorankommen und von ihren Vorgesetzten und Chefs auch mehr Wertschätzung erfahren als beim Land oder der Gemeinde. Private Arbeitgeber haben im Sinne des Betriebs alles Interesse, Leistungsbereitschaft, Kreativität und Eigeninitiative ihrer Mitarbeiter zu fördern.

APA/APA/EXPA/JOHANN GRODER/EXPA/JOHANN GRODER

Öffentliche Arbeitgeber hingegen unterstreichen oft, dass öffentliche Betriebe auch eine „soziale Aufgabe“ haben. Das ist zwar gut und recht, aber in der Praxis bedeutet das oft, dass einige Tüchtige allein dafür Sorge tragen müssen, den ganzen Laden zusammenzuhalten, wobei sie aber zugleich den ganzen Rest irgendwie „mitschleifen“ müssen. Es liegt auf der Hand, dass einige von ihnen nach der Erkenntnis, dass Leistung nicht belohnt wird und Eigeninitiative kaum erwünscht ist, in die Privatwirtschaft abwandern werden. Andere hingegen werden um solche Arbeitsplätze einen weiten Bogen machen.

Nicht nur gut ausgebildete junge Leute, sondern alle, die motiviert sind, dazuzulernen und Leistungsbereitschaft zu zeigen, haben heute die Qual der Wahl. Wer beruflich aus seinem Leben etwas machen möchte, entscheidet sich meist für einen privaten Arbeitgeber.

APA/Gergely Máté Oláh

Um auf dem Arbeitsmarkt nicht ins Hintertreffen zu geraten, müssen das Land und die Gemeinden dringend nachziehen. Dazu ist es notwendig, nicht nur die Gehälter nach oben anzupassen und Leistungsprämien für tüchtige Mitarbeiter zu schaffen, sondern auch über attraktive Arbeitsformen und Arbeitszeitmodelle – etwa Home Office, Smart Working und Gleitzeit – nachzudenken.

Angesichts der geburtenschwachen Jahrgänge und der immer härteren Konkurrenz um die jungen Absolventen der Berufs- und Hochschulen wäre es vermessen zu glauben, dass alle Probleme allein durch das Drehen an ein paar Stellschrauben zu lösen seien. Südtirols öffentliche Verwaltung braucht genauso wie das Gesundheitswesen, das noch stärker unter dem Mangel an Fachkräften leidet, einschneidende Reformen. Ansonsten kommt es zur famosen „Abstimmung mit den Füßen“.

Von: ka

Bezirk: Bozen