Von: luk
Innsbruck – Messungen der Universität Innsbruck zeigen, dass durch die Verkehrseinschränkungen während des ersten Lockdowns die Schadstoffemissionen stark zurückgegangen sind, deutlich stärker als die Kohlendioxidemissionen. Die Studie bestätigt die Vermutung, dass Verkehr als Quelle der Stickoxidbelastung in Städten deutlich unterschätzt wird und für über 90 Prozent dieser Schadstoffe verantwortlich ist.
Die weitreichenden Mobilitätsbeschränkungen zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 schufen für die Wissenschaft eine einmalige Situation: „Wir konnten damals die tatsächlichen Auswirkungen von Verkehrsbeschränkungen auf die Verteilung von Luftschadstoffen und auf die Emission von Klimagasen direkt untersuchen“, sagt der Innsbrucker Atmosphärenforscher Thomas Karl. Mit seinem Team hat er nun eine detaillierte Analyse der Luftqualität während des ersten Lockdowns in Innsbruck in der Fachzeitschrift Atmospheric Chemistry and Physics veröffentlicht. „Wir sehen in unseren Daten deutlich stärkere Rückgänge bei Luftschadstoffen als zum Beispiel beim Kohlendioxid“, fasst der Forscher die Ergebnisse zusammen. Viele Studien lieferten im vergangenen Jahr teils widersprüchliche Ergebnisse, da der Einfluss des Wetters einerseits oft nicht herausgerechnet wurde, andererseits ein detaillierter Vergleich mit Emissionsdaten nicht möglich war. Mit einem eigenen Messverfahren und detaillierten Daten können die Innsbrucker Forscher nun eine verlässliche Analyse vorlegen. Ihre Ergebnisse bestätigen Vermutungen aus früheren Arbeiten: „Der Rückgang von Stickoxiden und anderen Schadstoffen durch verminderten Verkehr ist stärker als vielfach angenommen. Dies ist gerade für das vom Transitverkehr betroffene Tirol eine wichtige Erkenntnis.“, betont Thomas Karl. „Wir sehen in unseren Daten, dass der Stickoxidanteil aus dem Verkehr höher ist als vielfach vermutet, der Anteil aus dem Hausbrand dafür geringer.“ Die europäische Energiewende mit der Umstellung auf sauberere Verbrennung im Siedlungs- und Industriebereich wirkt sich positiv auf die Luftqualität aus und wurde bisher teilweise unterschätzt. „Wir gehen davon aus, dass in vielen europäischen Städten wie in Innsbruck über 90 Prozent der Stickoxide allein vom Verkehr verursacht werden“, resümiert Atmosphärenforscher Thomas Karl.
Emissionsmodelle müssen korrigiert werden
In städtischen Regionen werden europaweit die Grenzwerte für Stickoxide regelmäßig überschritten. Welche Verursacher wieviel Emissionen beitragen, ist nicht immer einfach zu ermitteln. Bisher hat man sich vor allem damit beholfen, dass am Prüfstand die Abgaswerte ermittelt und in einem Modell hochgerechnet wurden. Wieviel Luftschadstoffe ein Fahrzeug oder ein Heizgerät im Alltag abgibt, hängt aber von zahlreichen Faktoren ab. Der Dieselskandal hat deutlich gemacht, wie wenig aussagekräftig Messungen am Prüfstand für die tatsächliche Umweltwirkung sein können. Das Luftmanagement durch Umwelt- und Gesundheitsbehörden beruht allerdings auf Atmosphärenmodellen, denen genau diese experimentellen Daten zugrunde liegen. Bisher fehlte ein Verfahren, mit dem die tatsächlich ausgestoßenen Luftschadstoffe in einem bestimmten Gebiet gemessen und deren Quellen bestimmt werden können. Das Team um Thomas Karl vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck schließt diese Lücke mit dem sogenannten Eddy-Covariance-Verfahren, das Luftzusammensetzung und Windrichtung im Detail misst und so Rückschlüsse auf die Quelle einzelner Schadstoffe zulässt. Mit dem an der Universität Innsbruck eingerichteten Innsbruck Atmospheric Observatory (IAO) wird die Stadtluft über Innsbruck nun laufend untersucht.
Finanziert wurde die aktuelle Studie vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF.
Dachverband für Natur- und Umweltschutz sieht sich bestätigt
Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz in Südtirol findet: “Diese Erkenntnis ist einerseits verpflichtender Auftrag an die Lokalpolitik auf Gemeinde- und Landesebene, die Menschen und deren Gesundheit noch rigoroser vor den gesundheitsgefährdenden Emissionen des Verkehrs zu schützen. Andererseits werden durch diese wissenschaftlichen Studien aber auch die andauernden relativierenden und verharmlosenden Behauptungen und Aussendungen der Verkehrs- und Transitlobbys ad absurdum geführt.”