Bozner hilft Flüchtlingen in Griechenland

„Mit diesen Booten würde ich nicht mal über den Caldonazzo-See“

Dienstag, 11. Dezember 2018 | 13:31 Uhr

Bozen – Olivier Manzardo ist 23 Jahre alt und stammt aus Bozen. Während die Flüchtlingskrise auch in Italien die Töne schärfer werden ließ, krempelt er die Ärmel hoch und kämpft auf seine Weise für eine menschlichere Welt. Laut einem Bericht des Alto Adige arbeitet er seit sechs Wochen als Freiwilliger auf der griechischen Insel Lesbos, um gestrandeten Migranten zu helfen.

Der 23-Jährige, der ein dreijähriges Studium in der Tasche hat, ist in Griechenland für die Nichtregierungsorganisation Lighthouse Relief tätig. Er befindet sich acht bis neun Seemeilen von der türkischen Grenze entfernt. Gemeinsam mit Refugee Rescue, einer weiteren NGO, kümmert sich Lighthouse Relief um den Norden der Insel.

„Unsere Arbeit besteht aus drei Phasen“, erklärt Manzardo laut Alto Adige. Zunächst werde der Meeresstreifen vor der Küste 24 Stunden am Tag beobachtet, um eventuelle Flüchtlingsboote auszumachen. Anschließend gehe es um die Bergung im Meer und dann um die Ankunft der Flüchtlinge auf dem Festland.

„Unsere Priorität ist es, diese Personen eine Nacht und ein paar Stunden lang etwas Ruhe zu gönnen, bevor sie ins Flüchtlingslager Moria gebracht werden, das viele als Hölle auf Erden beschreiben“, betont Manzardo. Dort müssen die Flüchtlinge mehrere Tage verbringen und werden registriert.

„Wir müssen immer von Fall zu Fall entscheiden – etwa bei Verletzten, Kranken, bei unbegleiteten Minderjährigen“, erklärt der 23-Jährige. Die Aufgaben sind auch physisch eine Herausforderung. Vor allem die Beobachtung der Küste ist anstrengend. Während am Tag die Turnusse fünf Stunden dauern, wird das Meer in der Nacht zehn Stunden lang mit dem Nachtsichtgerät abgesucht.

Oft ist die Belastung aber vor allem emotional angesichts der verzweifelten Personen, die auf der Ägäisinsel stranden und die vielfach Schreckliches erlebt haben. Trotz allem blüht ihnen dabei noch eine ungewisse Zukunft. Schwierig sei auch der Abschied von den Menschen, sobald sie ins Flüchtlingslager Moria weiterziehen müssen, „nachdem man sie gestärkt, aufgewärmt und ihnen etwas Menschlichkeit gegeben hat“, betont Manzardo. Häufig würden sie voller Optimismus in die Zukunft schauen, ohne zu wissen, was noch alles vor ihnen liegt. „Oft wissen wir nicht, ob wir ihnen die Wahrheit sagen oder einfach nur Glück wünschen sollen“, so der Bozner.

Auf Lesbos kamen ab dem Frühjahr 2015 täglich mehrere hundert Flüchtlinge an, viele von ihnen aus Syrien. Sie wurden von „Leuten mit Booten“ von der Türkei auf die wenige Kilometer vom türkischen Festland gelegene Insel gebracht. Im September 2015 warteten rund 11.000 Menschen darauf, per Fähre auf das griechische Festland reisen zu können. Die Insel erlangte als ein Symbol der Flüchtlingskrise in Europa internationale Medienaufmerksamkeit.
Seitdem die Balkanroute weitgehend geschlossen ist und die Türkei Maßnahmen ergreift, um die illegale Migration von der Türkei in die EU zu verhindern, landen deutlich weniger Flüchtlinge auf Lesbos.

Vor allem im Winter mit sinkenden Temperaturen ist die Überfahrt von der Türkei gefährlich. „Bevor ich ankam, haben sie mir von einem Schiffbruch erzählt, bei dem eine schwangere Frau lange Zeit im kalten Wasser war und deshalb eine Fehlgeburt erlitt“, berichtet Olivier Manzardo laut Alto Adige.

Die Flüchtlinge kommen vor allem aus dem mittleren Osten. Seit er auf Lesbos ist, habe er vor allem mit Menschen aus Afghanistan zu tun gehabt, berichtet Manzardo – mit Männern, mit Frauen und mit Kindern. Zwischen 2015 und 2016 seien vor allem Menschen aus Syrien nach Lesbos gekommen, aber auch Personen aus Irak und dem Iran.

In der Türkei versuchen die Flüchtlinge nicht den Behörden in die Hände zu fallen. Von illegalen Zentren aus wird die Überfahrt organisiert. Kurz vor der Abfahrt verstecken sie sich oft mehrere Tage im Wald und müssen ohne Essen auskommen. Sobald die Schlepper entscheiden, dass das Wetter günstig ist, starten die Boote. Die Schlepper bestimmen auch jene Person, die für die Steuerung zuständig sind.

„Dabei handelt es sich um Boote, mit denen ich nicht einmal den Caldonazzo-See überqueren würde“, betont Olivier Manzardo.

Von: mk

Bezirk: Bozen