Von: apa
Ein ehemaliger Mitarbeiter des SOS-Kinderdorfes Seekirchen im Salzburger Flachgau soll zwei unmündige Mädchen missbraucht haben. Die Staatsanwaltschaft Salzburg hat ein Ermittlungsverfahren gegen den Verdächtigen eingeleitet, wie Staatsanwaltschaftssprecherin Ricarda Eder einen dementsprechenden Bericht in den “Salzburger Nachrichten” (SN, Mittwochausgabe) gegenüber der APA bestätigte. Das Land Kärnten kündigte am Mittwoch die Einrichtung einer Sonderkommission an.
“Die Ermittlungen stehen noch am Anfang”, sagte Eder am Mittwoch zur APA. Deshalb könne sie zu den Vorwürfen noch nichts Konkretes sagen. Es seien noch viele Einvernahmen ausständig. Der Fall sei sehr heikel. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses.
Mutmaßliche Missbrauchshandlungen vor fünf Jahren
Laut SN sollen sich die Missbrauchshandlungen um das Jahr 2020 zugetragen haben. Der Mann, für den die Unschuldsvermutung gilt, soll an den damals unter 14-jährigen Mädchen wiederholt geschlechtliche Handlungen vorgenommen haben, indem er sie in ihren Intimbereichen unsittlich berührte.
Die Salzburger Rechtsanwältin Sabina Moser wurde als juristische Prozessbegleiterin der Mädchen durch das Kinderschutzzentrum Salzburg beauftragt. Bisher seien nicht viele Übergriffe von den beiden geschildert worden, sagte Moser am Mittwoch im Gespräch mit der APA. Die kontradiktorische Einvernahme finde Mitte Oktober statt. Dann erst sei abzuschätzen, wie viele Übergriffe es durch den damaligen Heimhelfer gegeben habe.
Achtjähriger soll misshandelt worden sein
Der Mann, der im Jahr 2020 um die 52 Jahre alt gewesen sei, habe damals die Kinderdorfmutter unterstützt, erklärte die Opferanwältin. Die beiden Mädchen seien im Jahr 2020 zwischen acht und dreizehn Jahre alt gewesen. Zudem gebe es noch einen mutmaßlichen Misshandlungsfall. Der Beschuldigte soll einem damals achtjährigen Buben körperliche Gewalt angetan haben, es gehe um Ohrenziehen und an den Nacken greifen. “Auch das wird noch eruiert”, sagte Moser.
Der Beschuldigte ist bereits einschlägig vorbestraft. Er wurde im Oktober 2021 am Salzburger Landesgericht wegen sexuellen Missbrauchs von Unmündigen rechtskräftig verurteilt, wie die SN berichteten. Er erhielt damals acht Monate bedingte Haft sowie eine unbedingte Geldstrafe, weil er sich zwischen 2011 und 2013 an einem unmündigen Mädchen vergriffen hatte. Nach der damaligen Verurteilung war das Arbeitsverhältnis mit dem Mann beendet worden.
SOS-Kinderdorf leitete Kinderschutz-Schritte ein
Die nunmehrigen Vorwürfe gegen den Ex-Mitarbeiter waren zum Zeitpunkt seiner damaligen Verurteilung noch nicht bekannt. Am Mittwochnachmittag wurde vom SOS-Kinderdorf Seekirchen folgende Stellungnahme an die APA übermittelt: “Wir bitten um Verständnis, dass wir zu laufenden Ermittlungen aus Opferschutzgründen keine Informationen erteilen können.” Das Kinderdorf ersuchte im Sinne des Opferschutzes um einen höchst sensiblen Umgang mit höchstpersönlichen Details in der Berichterstattung, um einer Stigmatisierung und Viktimisierung der Opfer vorzubeugen.
Im Fall der in den SN genannten Betroffenen seien die entsprechenden Kinderschutz-Schritte eingeleitet worden, hieß es. Genannt wurden ein Gespräch mit den Jugendlichen, Information der internen Kinderschutzstelle, Information der zuständigen Behörden sowie Benachrichtigung der Leitungsebenen. “Weitere Details können wir aus Opferschutz- und Ermittlungsgründen nicht nennen. Wir bitten um Verständnis, dass wir zu einem laufenden Ermittlungsverfahren aus Opferschutz und Datenschutzgründen keine Auskünfte zu Personen, Zeiträumen oder Abläufen geben. Unser Fokus liegt auf dem Schutz und der Unterstützung der betroffenen jungen Menschen. Wir arbeiten eng und transparent mit den zuständigen Behörden zusammen und stellen alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung. Für den Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung. Unabhängig vom Verfahren arbeiten wir kontinuierlich daran, Kinderschutz, Transparenz und Aufarbeitung weiter zu stärken.”
Abseits dieses Ermittlungsfalles wurden Mitte September schwere Misshandlungsvorwürfe bekannt, zu denen es schon vor Jahren in SOS-Kinderdörfern in Kärnten und in Tirol gekommen sein soll. Einem “Falter”-Bericht zufolge sollen Kinder und Jugendliche über Jahre hinweg misshandelt, eingesperrt und nackt fotografiert worden sein. Die Informationen der Wochenzeitung stammen aus einer Studie, die SOS-Kinderdorf selbst in Auftrag gegeben, aber nie öffentlich gemacht hatte. Die Vorwürfe in Kärnten beziehen sich auf den Zeitraum von 2008 bis 2020. In Tirol soll es wiederum in den Jahren von 2017 bis 2020 zu fünf Missbrauchsfällen gekommen sein, wie zuletzt die “Tiroler Tageszeitung” berichtete. Die Leiterin der jüngst eingesetzten Untersuchungskommission, Irmgard Griss, will nun die Strukturen in der Organisation genauestens unter die Lupe nehmen, wie sie zuletzt betont hatte.
Sonderkommission in Kärnten einberufen
Kärntens Kinder- und Jugendschutzreferentin Sara Schaar (SPÖ) kündigte am Mittwoch Konsequenzen nach den schweren Vorwürfen an, die gegen das SOS-Kinderdorf Moosburg erhoben worden waren: Die zuständige Fachaufsicht wurde aufgefordert, “sämtliche Maßnahmen und Vorgaben neuerlich überprüfen zu lassen”, hieß es in einer Aussendung. Mittlerweile sei die Landesamtsdirektion zur Durchführung einer Sonderprüfung der Internen Revision und Amtsinspektion beauftragt worden: “Diese Sonderkommission soll und wird die Meldewege – allgemein und im konkreten Fall -, die Kenntnisse der Behörde und deren Zeitpunkt sowie die daraus resultierenden Veranlassungen im Hinblick auf Rechtzeitigkeit und Adäquanz penibel überprüfen.”
Außerdem habe man in den vergangenen Tagen auf Basis der Studie einen zehn Punkte umfassenden Plan erarbeitet. Dieser soll am Donnerstag dem Kärntner Landtag “mit konkreten Vorschlägen zur Änderung des Kärntner Kinder- und Jugendhilfegesetzes” vorgelegt werden. Eine konkrete Handlungsempfehlung der Studie beinhalte auch die Installierung eines Betroffenen- wie eines Expertenbeirates für die Weiterentwicklung im Kinder- und Opferschutz. Weiters werde auch die angekündigte Griss-Kommission vollumfänglich unterstützt.
Schaar betonte weiters, dass sie die Studie nicht kannte: “Warum und von wem sie geheim gehalten wurde, wird zu klären und die notwendigen Konsequenzen einzuleiten sein. Für mich steht außer Frage: Der Schutz von Kindern und Jugendlichen hat absolute Priorität.”
Ruf nach Konsequenzen auch in Tirol
Auch in Tirol wurde am Mittwoch von politischer Seite der Ruf nach Konsequenzen laut, nachdem mehr Details zu den Vorwürfen im Kinderdorf in Imst bekannt geworden waren. Laut Medienberichten soll sich die Gewalt gegen Mitarbeitende in Form von verbaler, psychischer, struktureller und sexualisierter Gewalt gerichtet haben. Sie sei durch fahrlässiges Verhalten von Leitenden, aber auch von Seiten der Kinder und Jugendlichen im Kinderdorf erfolgt. MitarbeiterInnen seien von Machtmissbrauch durch Vorgesetzte betroffen gewesen. Die Gewalt habe sich auch gegen die Kinder und Jugendlichen gerichtet. Eine Leitungsperson sei schließlich fristlos entlassen worden. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit einen möglichen Anfangsverdacht. In der Vergangenheit war bei der Anklagebehörde indes nichts anhängig gewesen.
Im Tiroler Landtag soll die Causa jedenfalls thematisiert werden. FPÖ und Grüne kündigten jeweils eine Anfrage an Soziallandesrätin Eva Pawlata (SPÖ) an. Dabei sollen “offene Fragen” geklärt werden, sagte FPÖ-Landtagsabgeordnete Gudrun Kofler. Dass die Vorwürfe erst Jahre später “scheibchenweise ans Licht kommen, zeigt ein eklatantes Versagen der Verantwortlichen.” Pawlata könne sich nun nicht mehr “hinter internen Aufarbeitungsprozessen verstecken”, es brauche “volle Transparenz”. Auch die grüne Landtagsabgeordnete Zeliha Arslan war der Meinung, dass interne Berichte “bei weitem” nicht ausreichen: “Es braucht eine gesetzliche Pflicht für alle Vereine und Organisationen, die Kinder in ihrer Obhut haben, dass jeglicher Übergriff sofort den Behörden und der Staatsanwaltschaft zu melden ist.” Seitens des Landes müssen die “Kontrollmechanismen derartiger Einrichtungen überprüft” werden”, forderte sie.
SPÖ-Klubobfrau Elisabeth Fleischanderl verwies in einer Aussendung auf die bereits geltende Pflicht von Organisationen mit Kindern in ihrer Obhut, jeglichen Übergriff bereits im Verdachtsfall den Behörden zu melden. “Was die Grünen fordern, ist in Tirol bereits geltendes Recht”, hieß es. Nun müsse überprüft werden, “inwiefern die Führung des SOS-Kinderdorfs dieser Pflicht nachgekommen ist – oder eben nicht, wie es die schockierenden Vorwürfe nahelegen.” Ihre Partei sowie Landesrätin Pawlata wollen “alles daran setzen, dass hier nichts unbeleuchtet bleibt.”
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