Studie

Neue Erkenntnisse zur Schmelze von antarktischem Schelfeis

Freitag, 28. Mai 2021 | 09:36 Uhr

Innsbruck – Mehrjährige Untersuchungen am zweitgrößten Schelfeis der Antarktis, dem Filchner-Ronne-Schelfeis, belegen erstmals einen Zusammenhang zwischen der atmosphärischen Zirkulation und dem Schmelzen des Schelfeises. Die Studie, an der die Innsbrucker Meteorologin Elisabeth Schlosser beteiligt war, wurde nun im renommierten Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht.

Große mediale Aufmerksamkeit erlangte das Filchner-Ronne-Schelfeis erst vor wenigen Tagen, als der größte bisher beobachtete Eisberg mit einer Fläche von mehr als 4.300 km2 abbrach. Der größte Eisberg der Welt wirkt aber dennoch klein im Verhältnis zur Gesamtgröße dieses Schelfeises, das mehr als 490.000 km2 umfasst. Schelfeise entstehen, wenn Gletscher über die Küste hinaus fließen und so auf dem Meer schwimmen, aber noch mit dem Land verbunden sind. Sie gelten als Achillesferse des antarktischen Eisschildes: „Schelfeise stabilisieren den antarktischen Eisschild und begrenzen somit den Beitrag der Antarktis zum Anstieg des Meeresspiegels, aber ein sich erwärmender Ozean kann zu raschem Abschmelzen an der Unterseite des Schelfeises, dem sogenannten basalen Schmelzen, führen, was mittelfristig eine Destabilisierung des Eisschildes zur Folge hätte. Das würde bedeuten, dass der antarktische Eisschild rascher an Masse verlöre, was sich wiederum auf den Meeresspiegel auswirken würde. Ein besseres Verständnis der komplexen Vorgänge unter dem Schelfeis ist daher für die Beurteilung des Meeresspiegelanstiegs von großer Bedeutung“, erklärt die Meteorologin Elisabeth Schlosser vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck. Gemeinsam mit Tore Hattermann vom Norwegischen Polarinstitut und seinem internationalen Team hat die Polarforscherin in der aktuellen Studie die Auswirkungen atmosphärischer Bedingungen auf die Meereszirkulation am Filchner-Ronne-Schelfeis untersucht. Mehrjährige Messreihen mit Daten aus insgesamt fünf Heißwasserbohrungen durch das Schelfeis lieferten dazu die Grundlage.

Faktor Meereis-Bildung

Die ozeanische Zirkulation unter den Schelfeisen ist extrem komplex, aber ausschlaggebend dafür, wie sich deren Wachstum oder Abschmelzen entwickelt. „Wichtig ist hier der Faktor Salz: Salz kann beim Gefrieren von Meerwasser nicht in den Eiskristallen eingebaut werden, sondern wird nach unten ausgeschieden, was zur Bildung von stark salzigem und kaltem Wasser führt, das somit sehr schwer ist und absinkt. Die Meereisbildung nördlich des Schelfeises führt so zu einer Intensivierung der Zirkulation im Ozean. Südliche Winde können das frische Meereis nach Norden transportieren, wobei freie Wasserflächen entstehen, an denen wiederum Meereis gebildet wird“, erklärt Schlosser. Das Meereis ist laut der Forscherin das verbindende Glied zwischen Ozean und Atmosphäre: Die Messungen haben gezeigt, dass während Perioden mit verstärkten südlichen Winden und dadurch erhöhter Meereisproduktion die Zirkulation unter dem Schelfeis das Einfließen von warmem Wasser blockierte. Weniger Meereisbildung bei eher nördlichen Winden hätte dementsprechend den gegenteiligen Effekt, so die Wissenschaftlerin: „Die Bildung von weniger Meereis würde umgekehrt das Einfließen von relativ warmem Meerwasser ermöglichen – und hätte damit ein verstärktes basales Abschmelzen des Schelfeises zur Folge.“ Dieser durch die atmosphärische Zirkulation bedingte Effekt kommt auch dann zum Tragen, wenn sich das Klima generell erwärmt, wie Elisabeth Schlosser betont. „Die derzeitigen Klimamodelle sind noch nicht in der Lage, die großräumige atmosphärische Zirkulation so genau zu berechnen, dass man auch die Folgen für das Schelfeis beurteilen könnte. Die neue Studie liefert jedoch erstmals einen Mechanismus, mit dem das Abschmelzen des Schelfeises beurteilt werden kann, sobald die atmosphärischen Berechnungen

Von: mk