Von: apa
Im “Internationalen Jahr der Quantenwissenschaften” geht der Physik-Nobelpreis an ein Forscher-Trio aus den USA, das Quanteneffekte auf eine neue, größere Ebene gehoben hat. John Clarke, Michel H. Devoret und John M. Martinis, alle drei von der University of California in Berkeley und Santa Barbara, werden “für die Entdeckung des makroskopischen quantenmechanischen Tunneleffekts und der Energiequantisierung in einem Stromkreis” geehrt.
Das gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm bekannt. Eigentlich treten quantenphysikalische Phänomene nur in der Welt des Kleinsten auf. Doch eine zentrale Frage der Physik ist dem Nobelpreiskomitee zufolge, bis zu welcher Größe eines Systems diese Effekte demonstriert werden können. Die drei Preisträger zeigten Mitte der 1980er-Jahre, dass Quanteneffekte auch außerhalb des Allerkleinsten existieren, so Olle Eriksson, Vorsitzender des Nobelpreiskomitees für Physik. Sie hätten quantenmechanische Effekte wie das Überwinden von Barrieren (“Tunneln”) oder quantisierte Energiemengen in einem System, “das groß genug war, um in der Hand gehalten zu werden”, gezeigt.
Clarke streicht Rolle Schrödingers hervor
Das passt gut zum “Internationalen Jahr der Quantenwissenschaft und -technologie” 2025. Möglicherweise habe das auch bei der Auswahl der heurigen Preisträger hineingespielt, erklärte Johannes Fink, der am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) auf dem Gebiet tätig ist, gegenüber der APA. Dem Quantenjahr entsprechend prominent platzierten Preisvergeber und -empfänger auch Verweise auf die Formulierung der Quantenmechanik durch Erwin Schrödinger.
Die Nachricht über die Zuerkennung des Preises war für den gebürtigen Briten John Clarke (83) von der University of California (UC) in Berkeley jedenfalls “gelinde gesagt eine Überraschung”, wie er in einer ersten Reaktion erklärte. Als das entscheidende erste Experiment Mitte der 1980er-Jahre gelang, habe er keineswegs an die Möglichkeit eines Nobelpreises gedacht. Dementsprechend sei er auch 40 Jahre danach “komplett fassungslos”, sagte er in einem Telefonat mit Stockholm.
Clarke strich auch hervor, wie fundamental die Erkenntnisse Schrödingers waren. Der österreichische Physiker habe u.a. auch die Basis für die Arbeit, die Clarke zusammen mit Devoret und Martinis machte, geschaffen. Die drei Laureaten gelten nun wiederum selbst als “die Gründerväter von unserem Feld der supraleitenden Schaltkreise”, sagte Fink. Sie hätten die grundlegenden Arbeiten gemacht, um das Gebiet in Richtung Technologie zu bringen.
Pulsierendes Feld zwischen Quanten- und klassischer Physik
Seine beiden Mit-Ausgezeichneten seien “brillante Leute”, mit denen der Physiker zum Zeitpunkt des ersten bahnbrechenden Experimentes bereits rund ein Jahr zusammengearbeitet hat, betonte Clarke. Ohne die “überwältigenden Beiträge” des gebürtigen Franzosen Michel Devoret (Jahrgang 1953), der an der Yale University und der UC in Santa Barbara tätig ist, und des US-Forschers John M. Martinis (Jahrgang 1958) von der UC in Santa Barbara wäre all das nicht passiert, erklärte Clarke.
An der Schnittstelle zwischen der Welt der Quantenmechanik im Allerkleinsten und jenem Teil der physikalischen Welt, der nach klassischen Regeln funktioniert, würden heute weltweit unglaublich viele Leute arbeiten. Die Entdeckungen aus der Mitte der 1980er-Jahre seien heute wichtig für die Entwicklung und Weiterentwicklungen von Quantencomputern und anderen Technologien, so Clarke.
Teil der Preisträger tüftelt an Anwendungen
So bemüht sich auch Martinis mit seinem Start-up Qolab um den Bau Quantenrechners auf Basis supraleitender Schaltkreise. Der Vorteil selbiger sei, dass sie sich ähnlich wie Atome verhalten, obwohl man sie mit freiem Auge sehen kann. “Wir nennen sie auch artificial atoms”, also künstliche Atome, erklärte Fink, der erst vor wenigen Wochen gemeinsam mit Martinis ein Forschungsprojekt in den USA beantragt hat.
Letzterer kann bei der Umsetzung seiner Grundlagenforschung in Anwendungen auch auf seine langjährige Erfahrung als Leiter der Hardware-Gruppe in Googles Quantum Artificial Intelligence Lab zurückblicken, wo er am Bau eines fehlertoleranten Quantencomputers mitgearbeitet hat. Auch Co-Preisträger Devoret ist derzeit bei Google Quantum AI beschäftigt.
“Quantenmechanik immer für Überraschungen gut”
“Es ist wunderbar, dass die 100 Jahre alte Quantenmechanik immer wieder neue Überraschungen bereithält”, sagte Eriksson: “Es gibt keine moderne Technik ohne Quantenmechanik und Quantenphysik.” Der diesjährige Nobelpreis für Physik eröffne Möglichkeiten für die Entwicklung der nächsten Generation von Technologien, darunter neben dem Quantenrechner auch die Quantenkryptographie und Quantensensoren. Letztlich hätten die drei Ausgezeichneten diesen Teil der Physik “aus der subatomaren Ebene in einen Chip überführt”, sagte Göran Johansson, Mitglied des Nobel-Komitees.
Die Auszeichnung ist mit elf Millionen Schwedischen Kronen (eine Mio. Euro) dotiert. Übergeben wird der Preis alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel. Am morgigen Mittwoch folgt mit der Bekanntgabe der Chemie-Preisträger in Stockholm der letzte der klassischen wissenschaftlichen Nobelpreise. Tags darauf erfährt dann die Welt, wer heuer den Literatur-Nobelpreis entgegennehmen wird.
(S E R V I C E – https://www.nobelprize.org/; https://quantum2025.org)
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