Rassismus, QAnon und Schneeballsystem

Projekt #Zomholten im Kreuzfeuer der Kritik

Donnerstag, 18. Februar 2021 | 12:37 Uhr

Bozen – Das Projekt #Zomholten hat hohe Wellen geschlagen und auf Facebook sind innerhalb kürzester Zeit über 20.000 Mitglieder rekrutiert worden. Auch Südtirol News hat darüber berichtet. Doch nun wird Kritik an den Spitzen der Gruppe laut: Von rassistischen Kommentaren, von Verschwörungstheorien und von einem Schneeballsystem ist die Rede.

Unter anderem erhebt die Gutmenschen-Partei Südtirol auf Facebook derartige Vorwürfe. Das hehre Ziel, Menschen in Corona-Nöten zu unterstützen, sei nur die Fassade. „Die vier Admins der Gruppe sind für ein Schneeballsystem tätig. Das ist wie eine Pyramide: Oben sind wenige Leute, die Geld verdienen. Unten aber sind viele Leute, die Geld verlieren. Die Admins wollen, dass die Mitglieder, die Geld spenden wollen, dort mitmachen“, erklärt die Bewegung.

Als Beweis wird unter anderem der Erfahrungsbericht einer Userin auf Facebook veröffentlicht.

Facebook/Gutmenschen-Partei Südtirol

Die Gutmenschen-Partei Südtirol erklärt, dass keinesfalls an der Idee des Helfens Kritik geübt werde: „Helfen ist gut. Essen spenden hilft den Menschen, wenn sie kein Geld haben, Essen zu kaufen.“

Ein Pyramidensystem, bei dem nur die Admins der Gruppe verdienen, andere hingegen Geld verlieren, sei allerdings etwas anderes. „Wir sagen: Das ist schlecht. Denn: Die Menschen wollen nett sein und helfen. Aber die Menschen werden nur benutzt, damit die Admins mehr Geld für sich selbst verdienen“, erklärt die Bewegung auf Facebook.

Empört zeigen sich auch die „Omas gegen rechts“. Die Bewegung kritisiert einerseits die rassistischen Äußerungen, mit denen Angelika Kaufmann in den sozialen Medien aufgefallen ist. So hat sie etwa im Jahr 2019 den Eintrag der Bürgermeisterin von San Salvo, Tiziana Magnacca, geteilt, die sich damit brüstete, eine Flüchtlingsunterkunft geräumt zu haben.

Facebook

Einige Aussagen von Angelika Kaufmann erinnern anderseits verdächtig an die verschwörungstheoretische Bewegung „QAnon“. Über Joe Biden hat sie am 4. November 2020 Folgendes geschrieben:

„aber ist es echt möglich, daß man einen bekannten Kinderhändler und Kinderfigger wählen kann…???“

Der widerlegte Verschwörungsmythos QAnon ist seit 2017 im Umlauf und zählt weltweit mehrere Millionen Anhänger. Vertreten wird die verrückte Idee, dass Demokraten und eine Hollywood-Elite an einem globalen Kinderhändlerring beteiligt sind. Laut den abstrusen Vorstellungen würden die Kinder gefoltert und missbraucht, um anschließend aus ihrem Blut ein Elixier zur eigenen Verjüngung zu gewinnen. Anhänger glauben außerdem, dass Bürokraten in Washington einen “deep state”, also einen Staat im Staate, gebildet hätten. Donald Trump wird hingegen zum Messias hochstilisiert, der dem „tiefen Staat“ die Stirn geboten habe. Die Bewegung vereinigt antisemitische und rassistische Tendenzen in sich.

Doch auch die Berichterstattung in den Medien bekommt von den „Omas gegen rechts“ ihr Fett ab. Offenbar hat man der Initiatorin von #Zomholten wohl zu voreilig einen Vertrauensvorschuss gewährt.

„Alle, die in den Dörfern und Städten, sicher im guten Glauben Zweigstellen gegründet haben, erstmals herzlichen Dank für den Einsatz. Aber es gibt so viele Freiwilligen Vereine in Südtirol, die man unterstützen hätte können oder wenn man dies nicht wollte, hätte man doch zumindest unter einen anderen Namen, einer anderen ‚Flagge‘ helfen können?“, fragen die Omas gegen rechts. In der Tat bietet etwa die Südtiroler Vinzenzgemeinschaft seit vielen Jahren über Spenden auf professionelle Weise Unterstützung für Menschen in Not beim Kauf von Lebensmitteln, aber auch zur Überbrückung bei offenen Strom-, Wasser- und Mietkostenrechnungen. Südtirol News hat darüber berichtet.

Die Omas gegen rechts ziehen einen Vergleich: Casapound, rechtsextreme und neofaschistische Organisation, die in der Peripherie von Rom Lebensmittelpakete austeilt, habe man auch nicht zu Römern des Tages gekürt. „Warum wohl?“, fragt sich die Bewegung.“

Unterdessen hat sich der Motoradclub The Red Lions MC Südtirol E.O. mit sofortiger Wirkung vom Projekt #Zomholten zurückgezogen und folgenden Post auf Facebook veröffentlicht:

Wir möchten hiermit zu der öffentlichen Diskussion über die Hilfsaktion `zomholten ` Stellung nehmen: Gerne haben wir uns am Anfang angeboten, dieser eigentlich guten Idee als sozial denkender Verein unsere Unterstützung zu geben: auch weil wir es notwendig finden, dass in unserem Lande endlich mehr konkret und unbürokratisch denen jetzt geholfen wird, die auch sonst immer durch den Rost aller öffentlichen Unterstützungen fallen.

Wir haben uns dabei aber weniger um die Personen gekümmert, welche hinter der Aktion stehen. Auch möchten wir gar nicht groß in den Inhalt der entstandenen Polemiken einsteigen, aber trotzdem werden wir uns daher aus dem Projekt ab sofort zurückziehen, da wir als Motorradclub nicht in bestimmte Dinge verwickelt werden wollen, die nichts mit unseren Ideen und unserer Art zu tun haben.

Deshalb haben wir uns formell von allem ab sofort zurückgezogen und werden auch die Abwicklung der bisher eingegangenen Spenden absolut transparent abwickeln – daher veröffentlichen wir auch das diesbezügliche Schreiben an die Initiatorin des Projektes.

Trotzdem danke an alle, die bisher mitgemacht haben und vielleicht werden wir als Club künftig was Eigenes auf die Füße stellen oder ähnliches unterstützen.

Außerdem hat der Club auch eine E-Mail mit folgendem Text an die Gründer der Gruppe versendet:

Geehrte Frau Kaufmann, liebe Angelika,

Wir als red lions mc haben uns spontan zur Unterstützung der Aktion ` zommhaltn ‚ bereit erklärt , da die grundsätzliche Zielsetzung der in dieser schwierigen Zeit für uns als absolut lobenswert angesehen wurden und auch noch werden .

Allerdings waren uns weder die Personalien verschiedener beteiligter Personen noch die nachher erst entstandene Dimension des Projektes bekannt und bewusst.

Noch weniger wollen wir jedoch in die jetzt entstandene öffentliche Polemik irgendwie hineingezogen werden , da wir als Club grundsätzlich auch nichts mit der Organisation der Gruppe und den dort handelnden Personen zu tun haben sondern eben nur eine zeitlich begrenzte externe Überbrückungshilfe durch die Zurverfügungstellung unseres Kontos geleistet haben .

Nach den entstandenen öffentlichen Diskussionen bezüglich der transparenten Verteilung der gespendeten Summen ( zur Bezahlung offener Energierechnungen usw. ) möchten wir daher klarstellen , dass die gesamte eingegangene Brutto-Spendensumme von uns innerhalb 1. März an die anerkannte Organisation “ Südtirol hilft “ weitergeleitet wird , sofern Sie uns nicht vorher auf formalen Weg ein alternatives Spendenkonto benennen .

Außerdem werden wir unsere Bank anweisen , ab sofort keine an diese Aktion gerichteten Spenden mehr anzunehmen und ersuchen Sie daher auch , in Ihren öffentlichen Aussagen und in Ihren verschieden Publikationen auf diesen geänderten Tatbestand klar hinzuweisen und entsprechend die bisherigen Angaben richtigzustellen.

Offenbar scheut Angelika Kaufmann auch nicht davor zurück, Falschmeldungen auf Facebook zu verbreiten, um ihr Projekt zu promoten. Josef Haspinger, Zentralratspräsident der Südtiroler Vinzenzgemeinschaft, habe erfahren, dass Kaufmann in der Facebook-Gruppe #Zomholten mitgeteilt habe, dass die Südtiroler Vinzenzgemeinschaft die Abwicklung ihrer Spenden übernehme. „Das ist nicht das Fall! Das war beim gestrigen Gespräch auch nicht so vereinbart. Als Südtiroler Vinzenzgemeinschaft haben wir mit der Aktion ‚Zomholten‘ nichts zu tun“, erklärt Haspinger gegenüber Südtirol News.

Es sei schön, dass viele Südtirolerinnen und Südtiroler unbürokratisch und schnell helfen wollen. Allerdings brauche es für eine koordinierte und nachhaltige Hilfe Achtsamkeit, genaues Hinsehen und Recherche. Die Würde bedürftiger Menschen müsse gewahrt bleiben.

„Armut beschämt und darf nicht vorgeführt werden. Als Südtiroler Vinzenzgemeinschaft arbeiten wir seit Jahrzehnten in insgesamt 54 Vinzenzkonferenzen und Helfergruppen im ganzen Land, führen Tafeln und den VinziMarkt. Unsere freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen die Not vor Ort, arbeiten diskret und sprechen sich im Team ab, wie, wo und in welchem Ausmaß Spenden eingesetzt werden. Es ist dabei wichtig, mit Sozialsprengeln und Sozialdiensten und anderen örtlich verwurzelten Hilfsorganisationen zusammenzuarbeiten. Doppelungen bei der Hilfe sollen vermieden werden. Nichtsdestotrotz können wir schnell und unbürokratisch helfen“, erklärt Haspinger.

Die Vinzenzgemeinschaft ruft Angelika Kaufmann auf, auf Ihrer Facebook-Seite folgende Klarstellung in diesem Wortlaut zu veröffentlichen:

„Die Südtiroler Vinzenzgemeinschaft distanziert sich von der Spenden-Aktion „Zomholten“ auf Facebook. Sie wickelt weder die dort eingegangen Spendengelder ab, noch zahlt sie Rechnungen, die an das Team der Initiator/innen geschickt worden sind oder werden. Die Südtiroler Vinzenzgemeinschaft setzt sich seit Jahrzehnten für Menschen in Not im ganzen Land ein. Sie führt Vinzentafeln in Brixen, St. Ulrich, St. Christina, Schlanders, Latsch, Seis, Auer, Lana und den VinziMarkt in Bozen. Die Ausgabe von Lebensmitteln und Hygieneartikeln dort hat sich bewährt. In 54 örtlich verwurzelten Vinzenzkonferenzen arbeiten Freiwillige nach klaren Kriterien, was den Umgang mit Spenden angeht. Die Spendenverwendung ist heikel und erfordert maximale Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Wer der Südtiroler Vinzenzgemeinschaft spenden möchte, ist herzlich dazu eingeladen. Allerdings werden die Spenden nach den Kriterien der Vinzenzgemeinschaft vergeben und dem Gründungsstatut der Hilfsorganisation folgend. Die Hilfe der Südtiroler Vinzenzgemeinschaft kommt allen Menschen zugute – unabhängig von Sprache, Herkunft, Religion oder Geschlecht der Hilfsbedürftigen.“

Von: mk

Bezirk: Bozen