Militärexperten sehen kein schnelles Ende des Krieges – VIDEO

Russlands Invasion stockt, aber Luftangriffe werden stärker

Montag, 21. März 2022 | 08:04 Uhr

Kiew – Nach mehr als drei Wochen Krieg ist Russlands Invasion ins Stocken geraten. Die Truppen Putins verzeichnen seit Tagen kaum mehr Geländegewinne und mussten sogar einige Gegenangriffe hinnehmen. Die Ursachen für das bisherige Scheitern der Armee, die auf dem Papier den Ukrainern weit überlegen war, sind vielfältiger Natur.

APA/APA/AFP/Archiv/STRINGER

Zuallererst gelang es der russischen Armee nicht, die ukrainische Flugabwehr und Luftwaffe vollends auszuschalten. Als aus russischer Sicht besonders nachteilig wirkt sich aus, dass die ukrainischen Kommunikationswege und der aus dem Westen ins Land fließende Nachschub an Waffen – am wichtigsten davon sind Panzerabwehrraketen – nie unterbunden werden konnte.

Twitter/Генеральний штаб ЗСУ
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Weil aus diesen Gründen das Zusammenwirken der einzelnen ukrainischen Einheiten gewährleistet bleibt, kann sich die Ukraine weiterhin recht gut verteidigen. Das Vorgehen der russischen Truppen ist schwerfällig und vorhersehbar. Kleine Gruppen regulärer ukrainischer Soldaten oder freiwilliger Milizen greifen mit blitzschnellen Vorstößen die russischen Angriffsspitzen oder die langen Kolonnen, die Putins Invasionsarmee mit Nachschub versorgen, an. Dabei setzen sie oftmals sehr erfolgreich moderne Panzerabwehrraketen ein, mit deren Hilfe sie viele russische Panzer, gepanzerte Mannschaftswagen und Nachschub-Lkw zerstören.

Twitter/Illia Ponomarenko

Durch diese Angriffe erleiden Putins Truppen enorme Verluste an Soldaten und Material. Laut Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums verloren die Invasoren bereits mehr als tausend Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, fast tausend Nachschub-Lkw und mehr als hundert Flugzeuge und Helikopter. Besonders schlimm ist, dass beim Angriff bereits Tausende russischer Soldaten gefallen sind. Internationale Militärexperten halten die ukrainische Angabe von 14.700 russischen Todesopfern zwar als für zu hoch gegriffen, schließen aber aus verschiedenen Quellen, dass bei der Invasion bereits etwa 7.000 russische Soldaten starben.

Twitter/Illia Ponomarenko

Militärexperten glauben, dass die Vereinigten Staaten die Ukraine nicht nur mit Waffenlieferungen, sondern auch mit modernem, satellitengestütztem und auf die Auswertung elektronischer Daten basierendem Geheimdienstwissen unterstützen, wobei besonders die russischen militärischen Kommunikationslinien in das Visier dieser „Datenjäger“ geraten sollen. Diese Experten meinen, dass diese Hintergründe den Tod von sieben hohen russischen Offizieren erklären könnte.

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Der überwiegende Teil dieser Stimmen warnt aber davor, die Fähigkeiten der russischen Streitkräfte zu unterschätzen. Viele Hinweise deuten darauf hin, dass Putin am Angriff festhält. Um eine Wende im eigenen Sinne in die Wege zu leiten, werden aus den mittleren und östlichen Militärbezirken Mittel- und Ostrussland sowie aus dem Kaukasus frische Truppen herangeführt. Zudem sollen „Freiwillige“ aus Syrien, die sich besonders für den Häuserkampf eignen, bei der Eroberung von Städten zum Einsatz kommen.

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Laut der Ansicht einiger Militärexperten stockt der russische Angriff auch deshalb, weil die Wehrpflichtigen, die sich für die Invasion als nicht geeignet erwiesen, durch erfahrene Truppenteile ersetzt werden. Durch diese Umgruppierungen und Neuzugänge sollen die Eliteeinheiten der russischen Streitkräfte wie die Fallschirmjäger in die Lage versetzt werden, bei den Angriffen an vorderster Front zum Einsatz zu kommen. Um den Stillstand am Boden auszugleichen, setzen Putins Invasionsstreitkräfte vermehrt auf Luft- und Raketenangriffe.

Der Einsatz der Hyperschallrakete „Kinschal“ (Dolch), gegen die es praktisch keine militärische Abwehrmöglichkeit gibt, soll aus der Sicht des Kremls vermutlich die militärische Entschlossenheit, zu der auch die Drohung mit dem russischen Nuklearpotenzial gehört, unterstreichen. Experten werten die Entscheidung, diese Waffe erstmals in einem Krieg einzusetzen, aber auch als Zeichen der Hilflosigkeit und der Schwäche.

Im Sinne Putins sollen danach die frischen Kräfte sowie jene „Belagerungstruppen“, die nach dem Fall Mariupols, der unmittelbar bevorsteht, wieder „frei“ werden, die Wende bringen.

Twitter/DSNS.GOV.UA
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Dem Kreml läuft aber die Zeit davon. Der russische Autokrat – so Experten – braucht einen Sieg in der Ukraine, bevor der russischen Öffentlichkeit das ganze Ausmaß des Ukraine-Desasters mit Tausenden von Toten und Verletzten bewusst wird. Die harten Sanktionen, die immer schwerer auf Russland lasten, und die langsam durchsickernden Nachrichten von der Front, die sich nicht länger verbergen lassen, könnten für den Kremlherrscher bald zum unüberwindbaren Problem werden. „Der Krieg wird fortdauern und die nächsten zehn Tage könnten entscheidend sein“, so ein Militärexperte, der kein Ende vor Ostern sieht.

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Für die Ukraine, die weiterhin allein kämpfen muss, bedeutet das leider, dass der Krieg noch blutiger und die Opfer unter der Zivilbevölkerung noch zahlreicher werden.

 

Von: ka