Südtirols Lehre für Katalonien – ein Kommentar

Starrsinn, hohe Strafen und Proteste verbauen friedlichen Weg

Donnerstag, 17. Oktober 2019 | 09:56 Uhr

Bozen/Barcelona – Nach dem Urteil, bei denen die katalanischen Unabhängigkeitsführer wegen „Aufruhrs“ und Veruntreuung öffentlicher Gelder zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden, findet zwei Jahre nach dem gegen den Willen von Madrid durchgeführten „Unabhängigkeitsreferendum“ das Kräftemessen zwischen Katalonien und dem spanischen Zentralstaat langsam sein vorläufiges und unrühmliches Ende. Die verhängten Haftstrafen – insgesamt wurden die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter zu fast 100 Jahren Haft verurteilt – sind viel zu hoch und erinnern in ihrem Ausmaß an jene, die in den 1960-er Jahren den Südtirolattentätern aufgebürdet wurden. Sie werden leider das ihre dazu beitragen, die Stimmung in Katalonien weiter anzuheizen.

APA/APA (dpa)/Wolfgang Kumm

Allerdings herrscht seit dem heißen katalanischen Herbst des Jahres 2017 längst darüber Gewissheit, dass in Europa Recht und Gesetz gelten. Die EU besteht aus demokratischen Rechtsstaaten, deren jeweilige innere Ordnung von der Gemeinschaft respektiert und unterstützt wird. Wer von Artikeln und Verfassungen nichts hält, endet früher oder später beim Faustrecht. Was das heißt, wird in seiner extremsten Form derzeit in Syrien offenbar. Wer sich für diesen Weg entscheidet, riskiert wie die Kurden von einstigen Freunden hintergangen und von seinen Nachbarn bekriegt zu werden. Diese Erkenntnis ist bisher aber weder zu den eingekerkerten, noch zu den ins Ausland geflüchteten katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern vorgedrungen.

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Aber auch an der anderen, von Rachegelüsten getriebenen Seite mangelt es an Fingerspitzengefühl und Realitätssinn. Für eine politische Lösung fehlen hie wie dort – noch – die führenden Köpfe. Einen katalanischen Magnago sucht man in Barcelona genauso vergeblich wie einen spanischen Aldo Moro in Madrid. Der Boden wäre eigentlich schon bereitet. Weder die gewaltsamen Proteste in Katalonien noch die Starrköpfigkeit manch Madrider Politiker können darüber hinwegtäuschen, dass die Unabhängigkeitswelle langsam abebbt und weite Teile der spanischen Gesellschaft den Dialog mit den autonomistischen Katalanen suchen wollen.

Reuters

Und Südtirol? Wieder einmal erweist es sich, dass der steinige und von altbekannten Unkenrufen begleitete Südtiroler Autonomieweg der einzig Richtige war. Das durchwegs friedliche, nur manchmal von ethnischen Reibereien unterbrochene Bild Südtirols steht im hellen Kontrast zu den Bildern aus Barcelona, wo Flughafen- und Straßenblockierer der eigenen Heimat wirtschaftlich ins Knie schießen.

Südtirol und Rom haben aus den meisten Fehlern der Vergangenheit gelernt. Ob das Katalonien und Madrid auch gelingen wird?

Von: ka

Bezirk: Bozen