Schnell zum Gipfel - auf Kosten der Gesundheit?

Warnung vor Narkosegas Xenon bei Höhenexpeditionen

Dienstag, 29. Juli 2025 | 11:08 Uhr

Von: luk

Bozen – Der Einsatz von Xenon-Gas als leistungssteigernde Methode bei der Vorbereitung für Bergexpeditionen wird von einem internationalen Forschungsteam – darunter auch Forschenden von Eurac Research – kritisch bewertet. In einem soeben veröffentlichten Positionspapier der medizinischen Kommission des Internationalen Bergsteigerverbands UIAA heißt es: Der prophylaktische Nutzen sei nicht belegt, die Risiken hingegen seien beträchtlich.

Xenon – ein Edelgas, das in der Anästhesie Verwendung findet – wurde in den vergangenen Jahren zunehmend als „Abkürzung zur Höhenanpassung“ beworben. Besonders viel Aufmerksamkeit erregte kürzlich eine Expedition von vier britischen Bergsteigern, die den Mount Everest in nur sieben Tagen door-to-door bewältigten – vom Abflug in London bis zur Rückkehr nach Hause. Eine zentrale Rolle in der Vorbereitung spielte die Inhalation von Xenon-Gas, kombiniert mit Hypoxietraining in simulierten Höhenumgebungen, bei dem der Körper durch das Einatmen sauerstoffarmer Luft an Bedingungen großer Höhe gewöhnt werden soll.

Organisiert wurde die Expedition von einem österreichischen Reiseveranstalter, der diese Methode als zeitsparende Alternative zu klassischen sieben bis acht Wochen dauernden Akklimatisierungsmethoden vermarktet. Die Forscherinnen und Forscher der UIAA jedoch warnen in ihrer Stellungnahme ausdrücklich vor der Anwendung dieser Methode außerhalb klinischer Studien mit ärztlicher Aufsicht. „Xenon kann kurzfristig die Ausschüttung des Hormons Erythropoetin – auch bekannt als EPO – steigern, das die Bildung roter Blutkörperchen anregt und die Sauerstoffversorgung verbessern kann“, erklärt Hannes Gatterer von Eurac Research, der in seiner Forschung die körperlichen Prozesse in großer Höhe untersucht und Mitautor der Publikation ist.

„Aber dieser Effekt ist weder langanhaltend noch ausreichend erforscht. Und: Die Risiken wie Atemdepression, Sauerstoffmangel oder neurologische Beeinträchtigungen wiegen schwer.“ Auch das Prinzip der Akklimatisierung lasse sich durch Xenon nicht ersetzen, so Gatterer: Die physiologische Anpassung an große Höhen ist ein komplexer Prozess, der, neben dem Blut, weitere Organsysteme betrifft – darunter Lunge, Gehirn, Herz und Nieren. Die künstlich beschleunigte Anpassung eines einzelnen Systems ist daher nicht zielführend. Das Forschungsteam spricht sich deshalb klar gegen den Einsatz von Xenon in der Vorbereitung oder während Expeditionen in große Höhen aus – es sei denn, es handelt sich um streng kontrollierte wissenschaftliche Studien mit entsprechender medizinischer Betreuung.

Zudem warnt die Stellungnahme vor den indirekten Folgen solcher „Schnellverfahren“: Wer sich unzureichend akklimatisiert auf Expedition begibt, erhöht nicht nur das eigene Risiko, sondern gefährdet unter Umständen auch die Sicherheit des gesamten Teams. Die Stellungnahme wurde von der medizinischen Kommission des UIAA veröffentlicht, mit Beiträgen internationaler Fachleute aus den Bereichen Höhenmedizin, Anästhesiologie, Notfallmedizin und Sportphysiologie.

Bezirk: Bozen

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