Ungewollt kinderlos – und dann?

Wenn die Sehnsucht nach einem Kind unerfüllt bleibt

Mittwoch, 27. November 2019 | 08:51 Uhr

Ritten – Monat für Monat wächst die Traurigkeit: Etwa jedes achte Paar in Südtirol ist von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen. Es gibt keine Garantie auf ein Kind. Die Erfolgschancen einer künstlichen Befruchtung sind begrenzt. Leidensweg, Druck und Enttäuschung sind groß. Zum sechsten Mal organisiert das Rittner Haus der Familie im Mai 2020 in Zusammenarbeit mit mehr als einem Dutzend Südtiroler Organisationen die MutterNacht. Herausfordernde Themen rund um das Elternsein werden dabei beleuchtet. 2020 geht es um den unerfüllten Kinderwunsch. Teil der Sensibilisierungskampagne ist eine Textsammlung. Betroffene Paare sind eingeladen, ihre Erfahrungen bis Ende Februar zu schreiben und einzureichen – gerne auch anonym. Unabhängig davon, ob eine Schwangerschaft eingetreten ist oder nicht, ob ein Kind geboren wurde oder das Paar entschieden hat, ein Kind zu adoptieren: Alle Geschichten sind willkommen und helfen, das Tabu rund um den unerfüllten Kinderwunsch aufzubrechen.

In der Öffentlichkeit wird über künstliche Befruchtung kaum gesprochen. Die Erfolgschancen sind begrenzt. Viele Faktoren spielen eine Rolle: zum Beispiel das Alter der Paare oder die angewandte Behandlungsmethode. Besonders in schwierigen Ausgangslagen müssen sich Paare auf einen langen und herausfordernden Weg zum Wunschkind einstellen. Nur bei jeder vierten befruchteten Eizelle, die in die Gebärmutter eingepflanzt wird, kommt es zur Schwangerschaft und nur in zwei Drittel dieser Fälle wird ein Kind geboren. Mit den Versprechen der modernen Medizin wächst auch die Verzweiflung jener, die alle Varianten der künstlichen Befruchtung erfolglos durchlaufen haben. Der seelische Schmerz ist enorm. „Die psychologische Belastung ist so groß, weil es sich jeden Monat so anfühlt, als würde man eine geliebte Person verlieren”, erzählt eine betroffene Frau. Geschlechtsverkehr werde Mittel zum Zweck.

Betroffene Frauen halten den gesellschaftlichen Druck und das als unverschämt empfundene Nachfragen nur schwer aus. Der unerfüllte Kinderwunsch bestimmt ihr Leben, frustriert, belastet und stresst, Beziehungen zerbrechen. Wenn sich der Kinderwunsch erfüllt, wollen die meisten Elternpaare nicht mehr darüber sprechen. In jeder Südtiroler Schulklasse sitzt durchschnittlich ein Kind, das sein Leben der Reproduktionsmedizin verdankt und dessen Eltern einen hohen Leidensdruck erlebt haben. Viele Kinder erfahren nie, dass sie nicht auf natürlichem Weg gezeugt wurden. Die Zeugung menschlichen Lebend gehört zum Intimsten eines Paares und soll es auch bleiben. Allerdings wollen das Haus der Familie und mehr als ein Dutzend Südtiroler Organisationen das Tabuthema aufbrechen. Sie laden betroffene Paare ein, ihre Geschichte des Hoffens und Bangens zu erzählen.

Die Hebamme Astrid Di Bella hat das Projekt MutterNacht im Auftrag des Hauses der Familie vor fünf Jahren initiiert und arbeitet auch 2020 wieder mit. Betroffene Frauen, Männer und Paare sind eingeladen, ihre Geschichte zu erzählen: „Wir möchten Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, zeigen, dass es vielen ähnlich geht.“ Mehr Menschen seien betroffen als gemeinhin angenommen. Von vielen Gesprächen mit betroffenen Paaren weiß Astrid Di Bella um die Belastungen. „Schreiben entlastet“, ist sie überzeugt. Eingeladen zum Schreiben sind alle Menschen, die ein unerfüllter Kinderwunsch begleitet (hat) – unabhängig davon, ob er sich erfüllt hat oder nicht. Alle Textgattungen sind willkommen. Die Geschichten, Gedichte oder Gedankensplitter können gerne auch anonymisiert an das Haus der Familie geschickt werden: per Mail an mutternacht@hdf.it oder per Brief an Haus der Familie, Lichtenstern 1–7, 39054 Oberbozen/Ritten. Einsendeschluss ist Ende Februar 2020. Alle Texte werden bei der MutterNacht am 9. Mai 2020 in einem gesammelten Band der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Folgende Organisationen und Vereine unterstützen die MutterNacht 2020:

Katholischer Familienverband, Berufskammer der Hebammen der Provinz Bozen, treff.familie im Südtiroler Kinderdorf, Frauen helfen Frauen, Katholische Frauenbewegung, agjd – Arbeitsgemeinschaft der Jugenddienste, Familienberatungsstelle Lilith, Familienberatung fabe, Sozialgenossenschaft der Tagesmütter, eeh – Emotionelle Erste Hilfe, AIED – Associazione italiana per l’educazione demografica, Elki – Netzwerk der Eltern-Kind-Zentren Südtirols, Amt für Ehe und Familie der Diözese Bozen-Brixen, La strada – der Weg, VSLS – Berufsverband der Still- und Laktationsberaterinnen in Südtirol, Bäuerinnen im Südtiroler Bauernbund, Vke – Verein für Kinderspielplätze und Erholung, Lebenshilfe.

Finanziell unterstützt wird die Sensibilisierungskampagne MutterNacht von der Familienagentur des Landes Südtirol.

Von: mk

Bezirk: Salten/Schlern