Von: ka
Cassano allo Ionio – Die kalabrische Kleinstadt Cassano allo Ionio ist am späten Dienstagabend Schauplatz eines abscheulichen Mordes an einer Frau geworden.
In dem Moment als die 49-jährige Antonella Lopardo nach dem Klingeln der Türglocke die Haustüre öffnen wollte, wurde sie von einer Salve Kugeln getroffen, die allem Anschein nach aus einem Sturmgewehr und einer Maschinenpistole abgefeuert worden waren. Ihr Mann, Salvatore Maritato, der sofort erkannte, dass der Mordanschlag eigentlich ihm galt, suchte Schutz hinter einer Wand.
Die beiden Killer ergriffen nach dem Feuer aus ihren Waffen die Flucht. Für Antonella Lopardo kam jede Hilfe zu spät. Die 49-Jährige, die im Gesicht und im Brustbereich von mehreren Kugeln getroffen worden war, war auf der Stelle tot. Die Carabinieri gehen davon aus, dass der Mordanschlag von der ‘Ndrangheta verübt wurde.
Salvatore Maritato und Antonella Lopardo, die in einem Haus in der Fraktion Sibari von Cassano allo Ionio in Kalabrien wohnten, erwarteten für den Dienstagabend keinen Besuch. Sie sahen sich gerade eine Fernsehsendung an, als es kurz nach 21.30 Uhr an der Tür zweimal klingelte. Weil sie dachte, dass plötzlich ein Verwandter sie besuchen gekommen sei, rannte die Frau sofort zur Tür. Durch ein Fenster hindurch, das auf die Tür blickt, wurde sie in der Nähe der Eingangstür von einer Salve Kugeln getroffen.
Wie sich später herausstellen sollte, handelte es sich um Kugeln des Kalibers 7,62 und Patronen des Kalibers 9×21, die jeweils aus einem Sturmgewehr russischen Bautyps AK 47 Kalaschnikow und aus einer halbautomatischen Pistole stammten und von zwei schwer bewaffneten Killern auf Antonella Lopardo abgefeuert worden waren. Von mehreren Kugeln im Gesicht und im Brustbereich getroffen – insgesamt waren aus beiden Waffen auf die 49-Jährige 30 Kugeln abgeschossen worden – brach Antonella Lopardo im Hausflur tot zusammen.
Salvatore Maritato, der offenbar sofort erkannte, was vor sich ging, suchte Schutz hinter einer Mauer. Nach den Schüssen mit der Kalaschnikow und der Pistole ergriffen die beiden Mörder zusammen mit ihrem Komplizen, der in einem Auto in der Nähe auf sie gewartet hatte, die Flucht. Das ausgebrannte Wrack des gestohlenen Fluchtfahrzeugs wurde Stunden später neben der Staatsstraße sichergestellt.
Einer Rekonstruktion der Carabinieri zufolge hatten die beiden Mörder vor dem Haus von Salvatore Maritato und Antonella Lopardo stundenlang auf der Lauer gelegen. Sie hofften vermutlich, dass ihr eigentliches Ziel, Salvatore Maritato, aus dem Haus kommen würde, sodass sie ihren Auftrag, ihn zu töten, durchführen könnten.
Aber der strömende Regen, der stundenlang über das Gebiet von Sibari und Cassano niederging, veranlasste den Mann dazu, entgegen seiner üblichen Gewohnheit zu Hause zu bleiben. Als sich Salvatore Maritato trotz stundenlangen Wartens nicht zeigte, sollen die beiden Killer die Geduld verloren und einfach an der Tür geklingelt haben. Anstatt Salvatore Maritato ging aber seine Frau zur Haustür, was ihm sein Leben rettete und ihr ihres kostete.
Die Staatsanwaltschaft und die Carabinieri sind sich sicher, dass der Mordanschlag nur Salvatore Maritato gelten konnte. Zudem weist die Verwendung eines Sturmgewehrs russischer Bauart vom Typ AK 47 Kalaschnikow darauf hin, dass der Auftraggeber nur das kalabrische Organisierte Verbrechen – die ‘Ndrangheta – sein konnte. In Kalabrien gilt die AK 47 als „Unterschrift“ der ‘Ndrangheta.
Der 53-jährige Salvatore Maritato ist für die Justiz kein Unbekannter. Als mutmaßliches Mitglied des ‘Ndrangheta-Clans der Forastefano, die die Umgebung von Sibari und Cassano jahrelang „beherrscht“ hatten, war Salvatore Maritato im Jahr 2007 im Rahmen der Operation „Omnia“ festgenommen und später zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt worden.
Einigen Gerüchten zufolge soll Salvatore Maritato nach seiner Haft Abstand von seiner kriminellen Vergangenheit genommen haben. Die Ermittler sollen aber eher anderer Meinung sein. Zum Mordanschlag befragt, konnte der Ehemann des Opfers zunächst keine zweckdienlichen Hinweise geben. Aufgrund des Regens und der herrschenden Dunkelheit soll der 53-Jährige weder Personen gesehen, geschweige denn erkannt haben.
In den nächsten Stunden und Tagen wird Salvatore Maritato erneut verhört werden. Allerdings scheinen bereits jetzt kaum Zweifel darüber zu bestehen, dass sich hinter diesem Mord Zusammenhänge befinden, die mit der blutigen Rivalität zwischen ‘Ndrangheta-Clans, die in der Ebene von Sibari um Macht und „das Geschäft“ ringen, in Verbindung stehen.
Eine der von den Ermittlern erwogenen Vermutungen über das Motiv des Mordanschlags lautet, dass der 53-Jährige die „Rolle“ derjenigen, die jetzt die „Regentschaft“ über die lokale ‘Ndrangheta innehaben, nicht anerkannt haben soll. Er könnte einen „Gefallen“, um den er als Zeichen seiner Treue zum herrschenden Clan gebeten worden war, abgelehnt haben. In Kreisen des Organisierten Verbrechens kann dies eine Verurteilung zum Tode nach sich ziehen.
Die Ermittler der Carabinieri und der Staatsanwaltschaft von Castrovillari schließen zunächst aus, dass zwischen dem Mordanschlag und der internationalen Razzia gegen das Organisierte Verbrechen, bei der in Europa rund 150 Mafiosi festgenommen wurden, eine Verbindung besteht. Die 150 Festgenommenen, die der kalabrischen Mafia ‘Ndrangheta angehören sollen, werden unter anderem für internationalen Drogen- und Waffenhandel, einschließlich Kriegswaffen, sowie Betrug und Geldwäsche verantwortlich gemacht.