Atalanta-Valencia und Klinik im Visier der Epidemiologen

Bergamo: Fußballspiel zero und Klinik zero?

Sonntag, 22. März 2020 | 08:05 Uhr

Bergamo – Nach Tausenden von Ansteckungen und Hunderten von Todesopfern fragen sich Experten, warum gerade Bergamo von der Coronavirusepidemie dermaßen hart getroffen wurde. Neben einem Bezirkskrankenhaus, wo die ersten Fälle aufgetreten sind und die Verantwortlichen den Ernst der Lage vermutlich unterschätzt haben, gerät immer mehr ein Fußballspiel, die Achtelfinalbegegnung der Champions League zwischen Atalanta und Valencia, in das Visier der Epidemiologen.

Die Provinz Bergamo und darin besonders die nördlich der Provinzhauptstadt gelegene Val Seriana zahlen in der Coronavirusepidemie bisher den höchsten Preis. Zum heutigen Zeitpunkt wurde von keinem anderen Ort der Erde gemessen an der Gesamtbevölkerung eine dermaßen hohe Anzahl von Ansteckungen und Todesopfern gemeldet. Die Bilder von Militärlastwagen, die Dutzende von Särgen zur Einäscherung in andere Städte der Lombardei brachten, sprechen mehr als tausend Worte. Noch während die Epidemie in der Provinz Bergamo weiter wütet und ihr eine Vielzahl von Menschen zum Opfer fallen, beginnen sich Epidemiologen und Virologen zu fragen, warum gerade Bergamo vom Coronavirus auf solch katastrophale Art und Weise heimgesucht wird. Die Experten vermuten, dass für die Katastrophe gleich mehrere Faktoren verantwortlich sind.

Questo articolo è per tutte le persone che non possono più parlare."Ci chiedono dunque di aspettare ancora. Tutto…

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Rein „statistisch“ nahm das Desaster am 23. Februar – an diesem Sonntag wurden im Bezirkskrankenhaus von Alzano Lombardo die ersten beiden Covid-19-Fälle entdeckt – seinen Anfang. Die beiden Patienten wurden in das Krankenhaus „Giovanni XXIII“ von Bergamo verlegt, wo einer der beiden – ein 83-Jähriger – bald starb und zum ersten Corona-Toten der Provinz Bergamo wurde. Im Bezirkskrankenhaus hingegen wurden kaum besondere Maßnahmen ergriffen. Auch die Notaufnahme des kleinen Krankenhauses, die in einem ersten Moment geschlossen worden war, öffnete wenige Stunden später wieder ihre Tore. Covid-19 war aber schon im Krankenhaus. In den folgenden Tagen steckten sich Ärzte, Pflegepersonal, Patienten und Besucher mit dem Coronavirus an. Angesichts der vielfältigen Sozialkontakte – die ersten Infizierten trugen den Virus nach Hause zu ihren Familien und gaben ihn im Freundeskreis weiter – stiegen die Neuansteckungen sofort sehr stark an.

Aber das ist noch nicht alles. Neben dem Bezirkskrankenhaus von Alzano Lombardo gerät immer stärker ein Fußballspiel – die Achtelfinalbegegnung der Champions League zwischen Atalanta und Valencia, die am 19. Februar im Stadion „San Siro“ von Mailand ausgetragen wurde, in das Visier der Epidemiologen.

ANSA/PAOLO MAGNI

„Wir können sagen, dass Atalanta-Valencia das Spiel zero gewesen ist“, so der Infektiologe und Leiter der Abteilung für Infektions- und Tropenkrankheiten des Krankenhauses „Umberto I“ von Rom, Professor Francesco Le Foche, gegenüber dem „Corriere dello Sport“. Dem Club Atalanta Bergamo, der in der Provinz Bergamo fast den Status einer „Nationalmannschaft“ genießt, war es mit packendem Fußball gelungen, in das Achtelfinale der Champions League vorzudringen und spielte gegen Valencia um den Einzug ins Viertelfinale. Der Erfolg von Atalanta lockte Zehntausende begeisterter Atalanta-Fans in das „San Siro“, sodass eine Unzahl von Tifosi sich auf den Rängen auf engstem Raum wiederfanden.

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Pubblicato da Corriere dello Sport su Giovedì 19 marzo 2020

Francesco Le Foche meint, dass zu diesem „historischen Spiel“ auch viele asymptomatische Coronavirusträger und sogar schon leicht fiebrige Fans gegangen seien und „die Enge, die Schreie, die Euphorie und die Umarmungen zwischen den Fans die Verbreitung des Virus begünstigt“ hätten. Im Interview mit dem „Corriere dello Sport“ bezeichnet Francesco Le Foche die Entscheidung, die Begegnung nicht vor leeren Rängen spielen zu lassen, als „Wahnsinn“. Das Spiel mit den feiernden Anhängern auf den Rängen – Atalanta gewann die Partie mit 4:1 – könnte dem angesehenen Infektiologen zufolge sozusagen als Katalysator und starker „Neuansteckungsbeschleuniger“ gewirkt haben.

Die Tatsache, dass der Antrag der Bürgermeister vom 2. März, die Val Seriana abzuriegeln und zu einer „Roten Zone“ auszurufen, von der Regionalregierung abgelehnt wurde, verwandelte einigen Experten zufolge alle bisherigen Fehlentscheidungen und Versäumnisse endgültig in eine Katastrophe. Da erst am 8. März, als zuerst in der Lombardei und dann in ganz Italien alle Schranken fielen, die Bewegungsfreiheit der Bürger drastisch eingeschränkt wurde, hatten die Coronaviren mehr als drei Wochen Zeit, die Provinz stark zu durchseuchen.

Der Rest ist die traurige Realität unserer Tage. Während die Toten aufgrund mangelnder Feuerbestattungskapazitäten vom Heer in andere Städte gebracht werden müssen, befindet sich aufgrund der schwer erkrankten Coronapatienten die Gesundheitsversorgung am Rand des Kollaps.

Von: ka