Mehr als 11.000 Todesopfer werfen viele Fragen auf – VIDEO

Corona: Regionalregierung der Lombardei immer stärker unter Druck

Freitag, 17. April 2020 | 08:25 Uhr

Mailand – Die politischen Verantwortlichen der Lombardei, insbesondere der Präsident der Region, Attilio Fontana, und der Regionalassessor für Gesundheits- und Soziafürsorge, Giulio Gallera, geraten in der italienischen Öffentlichkeit immer stärker unter Druck. Nicht nur die Experten, sondern auch viele Bürger fragen sich immer öfter, warum ausgerechnet in der Lombardei mit fast 12.000 Todesopfern mehr als die Hälfte aller italienischen und rund ein Zehntel aller weltweiten Corona-Toten verzeichnet wurden. Kritiker werfen der Regionalregierung der Lombardei vor, zu spät und zu zögerlich gehandelt und eine ganze Reihe von fatalen Fehlentscheidungen getroffen zu haben.

Seit die sinkenden Zahlen der Neuinfektionen etwas Hoffnung geben, gerät die Lombardei, die von allen italienischen Regionen von der Coronavirusepidemie bei Weitem am stärksten getroffen wurde, immer stärker in das Blickfeld der italienischen Öffentlichkeit. Nicht nur viele Experten, sondern auch viele Bürger fragen sich unter anderem, warum in Venetien die Epidemie schnell eingedämmt werden konnte, während sie in der Lombardei zu einer Katastrophe mit Tausenden von Toten führte. Journalisten und Experten machen für diesen Umstand eine ganze Reihe von Fehlentscheidungen verantwortlich.

Auffallend ist, dass das lombardische Gesundheitssystem nach dem Ausbruch der Epidemie innerhalb weniger Tage am Rand des Kollaps geriet. Die Lombardei – so die Kritiker –, wo im Lauf der letzten Jahre der private und der öffentliche Gesundheitsdienst gleichgestellt wurden und sich heute rund 30 Prozent der Gesundheitsfürsorge in privater Hand befinden, verfügte vor der Coronaepidemie über lediglich 8,5 Intensivbetten auf 100.000 Einwohner, während zum Vergleich Venetien und die Emilia-Romagna mit zehn Betten an der gleichen Einwohnerzahl gemessen einen größeren Spielraum besaßen. Zudem war die Region in einem Moment mit großer Zeitnot dazu gezwungen, mit den Privatkliniken über die Bereitstellung von Intensivbetten zu verhandeln. Dies kostete wertvolle Zeit. Unterdes fehlten den Krankenhäusern klare Anweisungen, eine angemessene Zahl von Intensivbetten und nicht zuletzt Gesichtsmasken.

ANSA / MATTEO BAZZI

Zugleich – so nicht wenige kritische Stimmen – gab die Gesundheitsfürsorge der Region die „Aufsicht“ über das Land auf. Das einstmalig dichte Netz von Haus- und Bereitschaftsärzten mit ihren jeweiligen Ambulatorien wurde im Zuge der „Reformen“ in den letzten Jahren immer dünner, was laut den Kritikern zur Folge hatte, das viele Covid-19-Patienten mit beginnenden Symptomen erst spät oder gar nicht als solche erkannt wurden. Erschwerend kam hinzu, dass es unter solchen Bedingungen unmöglich war, Infektionsketten zu ermitteln und all jene, die mit positiv Getesteten in Kontakt gekommen waren, unter Quarantäne zu stellen.

Alle diese Faktoren führten vermutlich dazu, dass sich in der Lombardei das Virus ungehindert und mit rasender Geschwindigkeit ausbreiten konnte und die Krankenhäuser der Lombardei mit bereits schwerkranken Corona-Patienten „überflutet“ wurden. Die Hausärzte hingegen wurden über Wochen hinweg allein gelassen, wobei nicht wenige, die fortfuhren, Hausbesuche durchzuführen, dabei ihr Leben verloren. Ähnlich erging es ihren Kollegen sowie den Pflegekräften in den Krankenhäusern, wo es – angefangen von Beatmungsgeräten bis hin zu Gesichtsmasken – an allem mangelte. Insgesamt starben in Italien bisher mehr als Hundert Ärzte und mehrere Dutzend Pflegekräfte bei der Ausübung ihres Berufes, die meisten von ihnen in der Lombardei.

L’Adige.it

Fatal war auch, dass ausgerechnet jene Region, die sonst bei jeder Gelegenheit auf ihre Eigenständigkeit pocht, zum kritischsten Zeitpunkt darauf wartete, dass die römische Regierung für sie die heißen Kastanien aus dem Feuer holt. Während südlich von Lodi nach dem ersten Fall schnell eine „Rote Zone“ eingerichtet wurde, wurde dies im Falle von Alzano Lombardo, wo ein Bezirkskrankenhaus leichtsinnigerweise nicht geschlossen wurde, sträflichst versäumt. Erst die „Schließung“ der Lombardei am 8. März beendete den Eiertanz um die verhinderte „Rote Zone“ von Alzano und Nembro. Die Folgen – Tausende von Corona-Opfern allein in der Provinz Bergamo – sind bekannt. Zuletzt mussten die Särge vom Heer abtransportiert werden.

Auch im Fall der Abstriche trafen die Verwalter der Lombardei im Gegensatz zu ihren Kollegen in Venetien und in der Emilia-Romagna nie selbstständige Entscheidungen, sondern entschieden gemäß den Vorgaben der Regierung, nur Personen mit mehreren Symptomen zu testen. In Venetien hingegen wurden die Bewohner ganzer Dörfer sowie alle Kontaktpersonen von positiv Getesteten einem Corona-Test unterzogen. Dies erwies sich als richtige Entscheidung, weil so Infektionsketten rechtzeitig unterbrochen und asymptomatische Covid-19-positive Personen zeitnah entdeckt und unter Quarantäne gestellt werden konnten. Zudem gelang es auf diese Art und Weise, Corona-Patienten im Frühstadium der Krankheit zu therapieren, was die Krankenhäuser wesentlich entlastete.

Es folgten weitere problematische Entscheidungen, wie das zu spät erfolgte Besuchsverbot in den Altersheimen. Fatal wirkte sich besonders der Beschluss aus, Covid-19-Patienten mit weniger schwerwiegenden Verläufen zur Entlastung der Krankenhäuser in die Altersheime zu verlegen. Aufgrund mangelnder fachlicher Ausbildung und nicht zuletzt nur unzulänglich erfolgten Schutzmaßnahmen waren die Pflegekräfte in den Heimen damit überfordert, diese Notlage zu meistern. Tatsache ist, dass in den Pflege- und Altersheimen der Lombardei Hunderte von älteren Menschen ums Leben kamen. Heute sind diese Vorkommnisse Gegenstand von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Finanzwache. Auch die römische Regierung schickte Inspektoren in die lombardischen Krankenhäuser.

ANSA/FILIPPO VENEZIA

Infolge dieser mutmaßlich schweren Fehlentscheidungen, für die laut den Kritikern die politischen Spitzen der Region Lombardei die Verantwortung tragen, gerät die gesamte Regionalregierung immer stärker unter Druck. Einige Experten machen die weiterhin besorgniserregenden Zahlen aus der Lombardei, die das italienische Gesamtbild eintrüben, auch dafür verantwortlich, dass Lockerungen der Corona-Beschränkungen für ganz Italien erst zeitverzögert in Betracht gezogen werden können.

Im Netz wurde sogar eine Petition lanciert, in der gefordert wird, die Gesundheitsfürsorge der Lombardei kommissarisch zu verwalten. Innerhalb kürzester Zeit wurde die Petition bereits von mehr als 50.000 Menschen unterzeichnet. Der Regionalassessor für Gesundheitsfürsorge der Lombardei, Giulio Gallera, hingegen wies in einer Stellungnahme jegliche Verantwortung von sich. Giulio Gallera sprach von einer „Kampagne von Politikern und Medien“ und beteuerte, im Interesse der Bürger der Lombardei verantwortungsbewusst gehandelt zu haben.

Leggo stupito e molto amareggiato gli articoli che appaiano in questi giorni su importanti giornali. Assisto poi…

Pubblicato da Giulio Gallera su Giovedì 16 aprile 2020

 

Von: ka