Von: ka
Bologna – Der Arzt und Präsident der angesehenen medizinischen Forschungsstiftung „Gimbe“, Nino Cartabellotta, zeichnet ein wenig optimistisches Bild. „Uns erwartet ein langer Winter und ohne einer angemessenen Vorbereitung riskieren wir, dass uns im Januar eine mit dem Höhepunkt der Grippewelle zusammenfallende, dritte Corona-Welle treffen wird“, so Nino Cartabellotta, dessen Warnungen im September und Oktober ungehört blieben und dessen düstere Prognosen sich Ende Oktober prompt bewahrheitet haben.
Die medizinische Forschungsstiftung „Gimbe“, der Nino Cartabellotta als Präsident vorsteht, gilt in Bezug auf die Corona-Notlage als die vielleicht angesehenste wissenschaftliche Institution Italiens. Nino Cartabellotta, der als Freund der deutlichen Worte bekannt ist und sich nicht scheut, sich mächtige Politiker wie den Präsidenten der Region Lombardei vorzuknöpfen, warnte bereits in den vergangenen Monaten vor einer zweiten Corona-Welle. Er ermahnte die verantwortlichen Politiker und Behörden dazu, rechtzeitig geeignete Vorbereitungen zu treffen und gezielte lokale Corona-Einschränkungen zu verfügen. Besonders Ansehen erwarb er sich auch, weil seine Stiftung zwei Wochen im Voraus die Belegung der Plätze in den Intensivabteilungen Italiens exakt berechnet hatte.
Auf die mit großer Wucht eintreffende zweite Corona-Welle – am Donnerstag wurden mit jeweils 762 und 34.505 Neuinfektionen sowohl in Südtirol als auch in ganz Italien neue Höchststände erreicht – angesprochen, zeichnet Nino Cartabellotta ein wenig optimistisches Bild.
„Aus drei Gründen wird die zweite Corona-Welle schlimmer als die erste sein. Zum einen sind diesmal auch Mittel- und Süditalien, die empfindlichere und weniger widerstandsfähige Gesundheitseinrichtungen aufweisen, besonders betroffen. Zum anderen stehen wir vor fast fünf Herbst- und Wintermonaten, während denen das bereits im Frühjahr stark belastete Gesundheitspersonal auch wegen der Grippewelle erneut unter einem hohen Druck stehen wird. Zuletzt gibt es besorgniserregende Anzeichen einer sozialen Notlage, währenddessen die Regierung, die Regionen und die Lokalkörperschaften miteinander streiten, was die Umsetzung geeigneter Maßnahmen, die die zweite Corona-Welle eindämmen sollen, erschwert“, so der von düsteren Vorahnungen geplagte Nino Cartabellotta.
Der Arzt und Präsident der angesehenen medizinischen Forschungsstiftung „Gimbe“ kritisiert auch, dass wertvolle Zeit verloren worden sei, und warnt vor verfrühtem Optimismus. „Bereits Anfang Oktober hätte man mit gezielten Lockdowns eingreifen müssen. Heute beobachten wir in einigen Regionen einen geringeren prozentualen Anstieg der Neuansteckungen, aber von einem Abflachen der Kurve sind wir noch immer weit entfernt. Auch wenn sich die Lage gegenüber der Vorwoche gebessert hat, ist die Kurve immer noch in einem exponentiellen Anstieg begriffen“, so Nino Cartabellotta.
„Uns erwartet ein langer Winter und ohne einer angemessenen Vorbereitung riskieren wir, dass uns im Januar eine mit dem Höhepunkt der Grippewelle zusammenfallende dritte Corona-Welle treffen wird“, meint Nino Cartabellotta, der bereits einen Blick auf das nächste Jahr wirft.
Diese Meinung wird auch von Professor Andrea Crisanti geteilt. Der bekannte Mikrobiologe der Universität von Padua gilt seit seiner Funktion als Berater der venezianischen Regierung während der Corona-Notlage als hauptverantwortlich dafür, dass im Gegensatz zur Lombardei in Venetien ein Corona-Desaster verhindert werden konnte.
„Das eigentliche Ziel, das wir jetzt verfolgen sollten, ist es, Maßnahmen zu ergreifen, die die dritte Welle vermeiden. Wenn wir jetzt einen harten, sechs bis sieben Wochen dauernden Lockdown verfügen, werden kurz vor Weihnachten die Corona-Fälle zurückgegangen sein. Weil alle in den Urlaub fahren, auswärts zu Mittag essen und ihre Freunde außerhalb der eigenen Region treffen wollen, wird der Druck, die Corona-Einschränkungen aufzuheben, stark wachsen. Wenn das passieren wird, werden wir uns im Februar erneut in dieser Lage befinden. Die eigentliche Herausforderung besteht derzeit darin, eine Strategie zu finden, die die dritte Welle vermeidet“, so Andrea Crisanti.
Nicht nur Professor Andrea Crisanti und der Präsident der medizinischen Forschungsstiftung „Gimbe“, Nino Cartabellotta, sondern auch andere angesehene Experten vertreten diese Meinung. Die Frage ist nur, wer die bittere Wahrheit dem Volk erzählen und die entsprechenden unpopulären Maßnahmen durchsetzen wird.