Gast will Ferienwohnung nicht verlassen

Coronavirus: „Er kann mich und das Kind anstecken“

Montag, 18. Mai 2020 | 08:09 Uhr

Pizzighettone – Der kuriose Streit zwischen einem „illegalen“ Gast, der die Wohnung nicht verlassen wollte, und der Inhaberin eines Gästehauses, die erst kürzlich Mutter geworden und um ihr Wohl und das ihres Babys zutiefst besorgt war, ist schlussendlich vor Gericht gelandet. Der Mann wurde schließlich dazu verurteilt, die Wohnung zu verlassen. Da er aber die Wohnung aus Arbeitsgründen besetzt hielt, bekam er bis zum 30. Juni Zeit, sich eine neue Unterkunft zu suchen.

Rifiuta di lasciare l'hotel chiuso per Covid. Il giudice: se ne deveandare, ma ha 50 g. di tempo

Pubblicato da Ogliopo News su Giovedì 14 maggio 2020

Der kuriose Fall begann am 29. Februar. Ein 50-jähriger Pizzaiolo, Sanguino Abbruzzese, der in Codogno, das soeben zur „Roten Zone“ ausgerufen worden war, in einer Pizzeria arbeitete, suchte an diesem Tag die „Residence Michela“ in Pizzighettone auf, um sich in eine der freien Wohnungen einzumieten. Sich in Pizzighettone eine Wohnung zu nehmen, war aus Sicht des 50-Jährigen besonders günstig, weil der Ort an der „Roten Zone“, in die der Pizzaiolo täglich zur Arbeit fuhr, zwar angrenzte, aber doch außerhalb von ihr lag, was seine Bewegungsfreiheit nicht einschränkte.

Pubblicato da Residence Michela affittacamere su Martedì 15 maggio 2018

Sanguino Abbruzzese und die Inhaberin des Gästehauses, die 46-jährige Michela Visigalli, kamen überein, dass der 50-Jährige bis zum 27. März in der Wohnung bleiben könne, und vereinbarten einen Mietpreis von 450 Euro. Mit der Zeit machte sich die erst kürzlich Mutter gewordene 46-Jährige aber immer größere Sorgen. Ihre Befürchtung war, dass der 50-Jährige, der täglich in die „Rote Zone“ nach Codogno in seine Pizzeria fuhr, sie und ihr Baby mit dem Coronavirus anstecken würde.

APA/APA (AFP)/HANDOUT

Der Lockdown kam aber dem Ende der Mietzeit zuvor. Am 22. März verfügte die Region Lombardei die Schließung aller Beherbergungsbetriebe. Wie von der Verordnung des Präsidenten der Region vorgesehen, gab Michela Visigalli Sanguino Abbruzzese 72 Stunden Zeit, sich eine neue Bleibe zu suchen oder nach Codogno zurückzukehren. Sanguino Abbruzzese wollte aber davon nichts wissen. Da ihr Gästehaus keine Angestellten „systemrelevanter Berufe“ wie Ärzte und Krankenpfleger oder Patienten in Quarantäne beherbergte, informierte die 46-Jährige am 25. März die zuständigen Behörden der Provinz Cremona über die bevorstehende Schließung ihres Betriebs.

Es war aber nichts zu machen. Obwohl Michela Visigalli dem Präfekten, dem Bürgermeister, der Region Lombardei und der zuständigen lokalen Sanitätseinheit Briefe schrieb, weigerte sich der Pizzaiolo, die Wohnung zu verlassen. Schließlich nahm sich die 46-jährige Mutter einen Rechtsanwalt und zog vor Gericht. Seinerseits von einer Rechtsanwältin vertreten, erklärte Sanguino Abbruzzese dem Gericht seine Sicht der Dinge. Laut dem Pizzaiolo „sei es aufgrund der Corona-Notlage unmöglich, innerhalb kurzer Zeit eine neue Unterkunft zu finden, wobei auch die durch die Reduzierung der Arbeitszeit bedingte Verringerung des Gehalts berücksichtigt werden müsse“. Zudem behauptete Sanguino Abbruzzese, dass er mit Michela Visigalli mündlich eine längere Bleibedauer vereinbart habe. Das sah die Inhaberin anders. „Er ist ein Illegaler, der nicht zahlt“, so der Rechtsanwalt der 46-Jährigen.

Fusion Medical Animation/Unsplash

In ihrem Urteil gab die Richterin Antonia Gradi Sanguino Abbruzzese teilweise recht und fällte ein fast salomonisches Urteil. „Da der Pizzaiolo Lebensmittel und Mahlzeiten frei Haus liefert, gehört er zu den Gästen, die sich aus Arbeitsgründen aufhalten. Aus diesem Grund gilt für ihn die von der Region verfügte Frist von 72 Stunden nicht. Ohne gültigen Vertrag handelt es sich aber um eine unrechtmäßige Besetzung einer Wohnung“, so die Richterin in ihrem Urteilsspruch. Vermutlich nicht zuletzt aufgrund der vom Pizzaiolo geschilderten Corona-Notlage gab die Richterin dem 50-Jährigen aber großzügigerweise bis zum 30. Juni Zeit, sich nach einer neuen Bleibe umzusehen.

Facebook/Residence Michela affittacamere

„Bei diesem Vorfall hat es vonseiten der Inhaberin an Menschlichkeit gefehlt. Mein Klient hat um mehr Zeit gebeten, um eine angemessene Unterkunft zu finden. Die Richterin hat ihm diese Zeit zuerkannt. Jetzt wird er sich verschiedene Wohnungen ansehen. Für uns ist die Angelegenheit abgeschlossen“, so das Resümee der Rechtsanwältin des Pizzaiolo, Francesca Abbruzzese.

In der italienischen Öffentlichkeit stieß der Streitfall von Pizzighettone auf reges Interesse und erzeugte durchaus geteilte Meinungen. Viele Leser und Kommentatoren gaben der Inhaberin, die um ihr Wohl und das ihres Babys zutiefst besorgt war, zwar recht, mahnten aber an, dass gerade in einer Notlage nicht nur der Buchstabe des Gesetzes gelten dürfe, sondern auch mehr Menschlichkeit und Fingerspitzengefühl gefordert seien.

Von: ka