Anti-Hass-Kampagne eines Modelabels

Eklat um “Schwuchtel”-Jacke von Diesel

Donnerstag, 22. November 2018 | 08:21 Uhr

Es herrscht große Aufregung. Grund hierfür ist eine neue “Hate Couture”-Linie, die vom italienischen Modelabel Diesel auf den Markt gebracht worden ist. Ja, ihr habt richtig gelesen: Es handelt sich nicht um Haute Couture, sondern um “Hate Couture”, also Hass-Mode. Hass lässt sich nämlich neuerdings auch anziehen.

Den Unmut vieler Kunden und Kundinnen hat sich Diesel wegen einer 450 Dollar teuren Bomberjacke auf sich gezogen. Auf dieser steht großflächig das englische Wort “Faggot” bedruckt, was auf Deutsch “Schwuchtel” bedeutet.

Laut Kritikerinnen und Kritikern sei es unhaltbar, wie das Modeunternehmen Diesel versuche, aus Homophobie Profit zu schlagen, so der Tenor in den Sozialen Medien.

Es ist jedoch unter Modekennern und Modekennerinnen bekannt, dass Mode provoziert, gesellschaftliche Phänomene aufgreift und szenisch auf die Spitze treibt. So das Thema Gruppenvergewaltigung, Frauenmorde, Pädophilie und dergleichen. Heißt dies folglich, dass die Modedesigner diese Phänomene gutheißen?

Das Modelabel Diesel provoziert mit seiner neuen Kollektion, die mit Schimpfwörtern bedruckt ist. Die Aufregung im Internet ist groß und sicher auch absichtlich hervorgerufen. Diesel jedoch fühlt sich missverstanden. Das Modeunternehmen beteuert, dass die Idee hinter der Kampagne mit dem Slogan “The more hate you wear, the less you care” (übersetzt: “Je mehr Hass du trägst, umso weniger kümmert es dich.”), eine andere sei: Ziel sei es, “diejenigen zu entmachten, die Hass und Negativität kreieren”.

Jeder Star in der Kampagne hat einen persönlichen Bezug zu dem Problem. “Um das Bewusstsein für das Thema im Allgemeinen zu stärken, wählte jeder von ihnen einen Satz, den er stolz tragen wollte, mit dem Ziel, anderen Mut zu verleihen”, erklärte das Unternehmen auf Anfrage des Magazins “Mic”.

Diesel fragte Stars nach den schlimmsten Bezeichnungen, mit denen sie je online tituliert wurden.

Dem Bedürfnis, hinter einem Bildschirm seinen Hassgefühlen freien Lauf zu lassen, gehen leider zunehmend Menschen nach. Es ist die Rede vom Phänomen “Cyber-Mobbing” – einer Mobbingform, die die Möglichkeiten der digitalen Netzwerke zerstörerisch nutzt.

Die Beleidigungen, die online an Stars gerichtet wurden, wurden folglich auf eine eigene Kollektion in großen Lettern gedruckt. Das eigene “Stigma” tragen die Stars mit der Dieselmode. Sie zeigen damit, dass auch ihnen Unrecht widerfahren ist und nach wie vor widerfährt. Sie schweigen dies aber nicht tot, sondern setzen der oftmals grausamen Welt einen Spiegel vors Gesicht. Die abwertenden Bezeichnungen spiegeln sich damit in den aggressiven Betrachtern wieder.

Nicki Minaj wurde online als “The Bad Guy” (“Der böse Junge”) tituliert, Bella Thorne als “Slut” (“Hure”), Tommy Dorfman als “Faggot” (“Schwuchtel”).

Der homosexuelle Hollywood-Schauspieler Tommy Dorfman, der für Diesel die “Faggot”-Jacke trägt, müht sich, die Kollektion ins rechte Licht zu rücken. Ziel sei es, Aufmerksamkeit für den wachsenden Hass in der Gesellschaft zu schaffen. Um Profit gehe es dabei nur am Rande: Ein Gutteil der Einnahmen der limitierten Jacke gehen an das Ali Forney Zentrum, eine Organisation, die versucht, Homosexuelle, Transgender und queere Jugendliche vor der Obdachlosigkeit zu bewahren.

Das Ziel der Kampagne ist laut Bertelli zusammenfassend: “Sharing negative comments, not hiding them, can be more inspiring than teaching or giving life lessons, which brands should not do”. Das Modelabel Diesel möchte also die Welt mit ihrem eigenen Hass konfrontieren, anstatt die Wahrheit zu verstecken. Die Welt soll sehen, wie brutal sie ist. Das Modelabel regt damit zum Nachdenken an. Einsicht ist die Grundlage für potentielle Verhaltensänderungen.

Es bestätigt sich also die These, dass das Modelabel Diesel die Menschen durch Provokation zum Nachdenken anregen möchte. Da hat die Welt der Mode wohl mit der Kunst einiges gemeinsam.

Von: bba