Romagna erneut von schweren Überschwemmungen heimgesucht – VIDEO

“Endlich Mut zu unbequemen Entscheidungen aufbringen”

Freitag, 20. September 2024 | 08:04 Uhr

Von: ka

Bologna/Bagnacavallo – Nicht einmal eineinhalb Jahre nach der Überschwemmungskatastrophe des späten Frühjahrs des vergangenen Jahres kehrt in der leidgeplagten Romagna der Albtraum der geborstenen Dämme und der überschwemmten Landstriche zurück.

Nachdem innerhalb von nur 24 Stunden 250 bis 270 Millimeter Regen gefallen waren, verwandelten sich die sonst kleinen und zumeist harmlosen Flüsse und Bäche, die der Adria zufließen, in reißende Ströme. Die verheerende Lage zwang die Behörden dazu, die Schulen zu schließen, den Notstand auszurufen und mehr als 1.000 Personen zu evakuieren.

Facebook/Emilia Romagna Meteo/Anita Mondadori

Besonders schlimm ist die Lage in Bagnacavallo zwischen Faenza und Ravenna, wo der hochwasserführende Fluss Lamone aus seinem Bett ausbrach. Die Wucht der nach dem Dammbruch sich ins kleine Dorf Traversara ergießenden Wassermassen brachte einige Häuserwände zum Einsturz. Den meisten Einwohnern gelang es, rechtzeitig in die oberen Stockwerke und auf die Dächer ihrer Häuser zu flüchten, aber wie die Präfektur von Ravenna am Donnerstagabend mitteilte, gelten zwei Personen als vermisst.

Viele hilflosen Einwohner der Fraktion mussten mit dem Rettungshubschrauber von den Dächern ihrer Häuser evakuiert werden. Mit Blick auf die nahende Flut rief die Stadtgemeinde von Ravenna ihre Bürger dazu auf, die höheren Stockwerke aufzusuchen und dabei alles Lebensnotwendige wie Lebensmittel, Wasser und Medikamente mitzunehmen.

Am schlimmsten ist jedoch die Erkenntnis, dass die Romagna immer häufiger von Flutkatastrophen heimgesucht wird. Der Gedanke, fast jedes Jahr schwere Schäden erleiden und mitunter das Leben riskieren zu müssen, bringt die leidgeplagten Bewohner schier zur Verzweiflung.

Wie Meteorologen bemerken, ist dies kein Zufall. “Die Erklärung liegt auf der Hand. Dadurch, dass das Mittelmeer immer wärmer wird, nimmt die Verdunstung zu, was dazu führt, dass in der Atmosphäre mehr Wasser vorhanden ist. Im Falle eines ungünstigen Zusammentreffens verschiedener Faktoren kehrt dieses Wasser innerhalb kürzester Zeit zur Erde zurück”, erläutert der Meteorologe Luca Mercalli.

Der Klimatologe Bernardo Gozzini pflichtet Luca Mercalli bei. Bernardo Gozzini meint, dass die nächsten fünf Jahre die wärmsten seit den Aufzeichnungen sein werden. “Eine wärmere Luftmasse, die mehr Feuchtigkeit und Energie enthält, nimmt auf den hydrogeologischen Kreislauf starken Einfluss. Die extremen Wetterereignisse wie Starkregen entstehen dann, wenn die Atmosphäre diese Massen an Feuchtigkeit plötzlich nicht mehr halten kann”, erklärt der Klimatologe.

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Aber wie kann dieser immer stärkeren Gefahr begegnet werden? Der Präsident der Geologen der Emilia-Romagna, Paride Antolini, nimmt sich kein Blatt vor den Mund und betont, dass es endlich an der Zeit sei, sehr drastische und unbequeme Entscheidungen zu treffen. “Die in den letzten anderthalb Jahren durchgeführten Maßnahmen gleichen der Verabreichung homöopathischer Mittel an einen unheilbar Kranken”, so die unverblümte Meinung des Geologen.

“Ich habe es satt immer wieder zu hören, dass ‘die Gräben gesäubert’ oder ‘die Uferdämme sauber gehalten’ werden müssen. Das eigentliche Problem ist, dass die Region Emilia-Romagna von einem geologisch empfindlichen Terrain gekennzeichnet ist. Bisher konnten “normale” Regenfälle und gelegentliche außergewöhnliche Regenmengen verkraftet werden, aber angesichts des Klimawandels sollten wir inzwischen wissen, dass meteorologische Extremereignisse immer häufiger auftreten werden. Niederschläge von 400 bis 500 Millimeter, die innerhalb von nur 24 oder 48 Stunden fallen, können weder von den Böden aufgenommen noch von den Bächen und Flüssen abgeleitet werden”, erklärt der Präsident der Geologen der Emilia-Romagna.

Welche Arbeiten sollten also durchgeführt werden, um fortan solche Desaster zu verhindern? “Zunächst müsste man den Mut aufbringen, zuzugeben, dass drastische Eingriffe notwendig sind, die Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte an Arbeiten und Investitionen erfordern”, meint Antolini.

Facebook/Emilia Romagna Meteo/Vigili del fuoco Molinella

“Es reicht nicht mehr aus, die vielgepriesenen Rückhalte-, Auffang- und Ausdehnungsbecken zu schaffen. Die Wahrheit ist, dass man den Flüssen mehr Raum geben muss, was dazu zwingt, alle in unmittelbarer Flussnähe errichteten Bauten zu entfernen. Wir sollten uns endlich dazu durchringen, unbequeme Entscheidungen treffen, die vielleicht den Gemeinden missfallen und wirtschaftlichen Interessen zuwiderlaufen, die aber absolut notwendig sind. Wir müssen zur Überzeugung gelangen, dass wir diese gewaltigen Probleme auf eine völlig neue Art und Weise zu bewältigen haben. Ansonsten ist das Überleben der immer häufiger von Überschwemmungen betroffenen Gebiete stark gefährdet”, bringt es Paride Antolini auf den Punkt.

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So schmerzlich sie auch sind, finden diese Worte doch viel Zustimmung. Fast jedes Jahr von Überschwemmungen geplagt zu werden, ist auf die Dauer für keinen Betroffenen verkraftbar. Der Neukauf von Möbeln und die Renovierung der vom Hochwasser beschädigten Häuser und Wohnungen verschlingt nicht nur Unsummen, sondern zehrt auch an den Nerven und damit letztendlich am Überlebenswillen der Menschen.

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