Urteil erlaubt Kindern das Essen von mitgebrachten Speisen

Gemeinden und Schulen verlieren „Belegtes-Brot-Krieg“

Dienstag, 04. September 2018 | 08:29 Uhr

Rom – Der Staatsrat von Rom fällte ein wegweisendes Urteil, das zum Schulbeginn auch in Südtirol für erhebliches Aufsehen sorgen dürfte und die ewige Diskussion um von Zuhause mitgebrachtem Essen oder Speisen aus der Schulmensa bald beenden könnte. In seinem Richterspruch bestätigte der römische Staatsrat die Urteile mehrerer regionaler Verwaltungsgerichte, die den Verzehr von zu Hause mitgebrachten Speisen in den Schulräumen ausdrücklich erlauben und es Lokalverwaltungen wie unter anderem Gemeinden untersagen, den Schulkindern und Studierenden das Essen in der Mensa zwingend vorzuschreiben.

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Der Rechtsstreit begann vor mehr als zwei Jahren, als unabhängig voneinander Gruppen von Eltern in Turin und Benevento sich gegen die laut ihrer Ansicht hohen Mensagebühren und besonders gegen das Verbot der Gemeinde, von zu Hause mitgebrachte Speisen in den Schulräumen zu verzehren, rechtlich zur Wehr setzten. Die in der italienischen Öffentlichkeit bald „guerra del panino“ („Belegtes Brot-Krieg“, Anmerkung der Redaktion) genannte Auseinandersetzung zwischen streitbaren Eltern und „sturen“ Lokalverwaltungen beschäftigte nach und nach die Verwaltungsgerichte in halb Italien. Vor dem Richter bekamen die Eltern meist recht, aber die Gemeinden, die auf das Exklusivrecht auf Verpflegung der Kinder in ihren Schulen beharrten, gingen immer wieder in die nächste Instanz.

Nun hingegen fällte der Staatsrat in Rom ein Urteil, das den Gemeinden den Wind aus den Segeln nehmen dürfte. Der Turiner Rechtsanwalt Giorgio Vecchione, der im Rechtsstreit die Eltern von Turin vertritt, sprach von einem „auf nationaler Ebene wegweisenden Urteil des höchsten Verwaltungsrichters“ und fügte hinzu, dass „der Staatsrat das Rechtsprinzip der freien Essenswahl“ bestätigt habe. Zudem, so Rechtsanwalt Giorgio Vecchione weiter, dürfe laut dem Urteilsspruch die Gemeinde nicht Schulbehörden und Direktoren einzelner Schulen Regelwerke vorschreiben, die den Mensadienst und den Gebrauch der Schulräumlichkeiten betreffend die Autonomie der Schulen schmälern.

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Für Beobachter des Rechtsstreits ist das Staatsratsurteil keine Überraschung. Bereits im Jahr 2016 entschied das Berufungsgericht von Turin im Sinne der Eltern. Im März 2017 sendete das römische Unterrichtsministerium ein Rundschreiben aus, das die Möglichkeit, von zu Hause mitgebrachte Speisen in den Schulräumen zu verzehren, bestätigte, und die regionalen Schulämter dazu aufforderte, den Urteilen der Verwaltungsgerichte Folge zu leisten.

In seinem Spruch wirft der Richter des Staatsrats den Gemeinden vor, in ihren Regelwerken keinen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen gesucht zu haben, sodass die nötige Verhältnismäßigkeit zum Ziel, dem hygienisch-gesundheitlichen Risiko vorzubeugen, fehle. Der Kern des Urteils aber ist, dass das Verbot einem Grundrecht des Menschen im Wege stehe.

„Das Verbot schmälert die Fähigkeit des Individuums – was zu seiner persönlichen Freiheit gehört – und, falls minderjährig, jene seiner Familie durch seine Eltern, sein Essen selbst auszuwählen“, so die Richter in ihrem Urteil.

Das Urteil des römischen Staatsrats dürfte auch Südtiroler Eltern ein starkes Argument in die Hand geben, sich von Regelwerken der Schule oder der Gemeinde nicht zwingend den Mensadienst vorschreiben zu lassen. Das Urteil des Staatsrats erlaubt ausdrücklich den Verzehr von von Zuhause mitgebrachtem Essen in den Schul- und Klassenräumen und bestätigt Urteile regionaler Verwaltungsgerichte, dass der schulische Mensadienst ein nicht zwingendes Angebot sei.

Und was meinen Südtiroler Eltern zum Schulbeginn? Sollen ihre Schützlinge in der Mensa oder in der Schule von zu Hause Mitgebrachtes essen?

Von: ka