Von: mk
Gradisca d’Isonzo – Auch Migranten, die sich in Südtirol aufhalten und abgeschoben werden sollen, machen häufig Zwischenstation im Abschiebezentrum in Gradisca d’Isonzo. In der Regel werden solche Einwanderer in ihr Heimatland rückgeführt, die über keine gültige Aufenthaltsgenehmigung verfügen und die straffällig geworden sind. Weil bei einer Protestkundgebung vor dem Abschiebezentrum im Friaul horrende Vorwürfe laut wurden, meldet sich nun die autonome Polizeigewerkschaft SAP zu Wort.
Von Schlägen und Gewalt war die Rede bei der Kundgebung, von vermeintlich rätselhaften Todesfällen und von Psychopharmaka, die ins Essen gemischt würden. “Wir lesen immer noch von Vorwürfen gegen Ordnungskräfte, die bei der Kundgebung vor dem Abschiebezentrum in Gradisca d’Isonzo geäußert wurden und die völlig haltlos sind”, erklärt die Gewerkschaft. Ordnungshüter würden schwerwiegender Vergehen bezichtigt. Solche Anschuldigungen seien nicht hinnehmbar, erklärt der SAP-Regionalsekretär Lorenzo Tamaro.
“Die schweren Vorwürfe, die sich gegen die Polizei richten, werden durch keinerlei Beweise oder Bilder gestützt, sondern lediglich durch mutmaßliche Aussagen einiger ‚Gäste‘, die offensichtlich versuchen, sich der Abschiebung zu entziehen, wie dies bereits in der Vergangenheit geschehen ist “, schreibt Tamaro. Gerade der SAP habe in der Vergangenheit die Einführung von Bodycams für Polizeibeamte vorgeschlagen, um genau solche falschen Anschuldigungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. “Wir haben nichts zu befürchten, wir handeln legal und in größtmöglicher Transparenz”, betonte Tamaro.
Sogenannte Abschiebezentren seien grundlegende Einrichtungen, um Abschiebungsbescheide zu vollstrecken und gefährliche Kriminelle in ihre Heimat rückführen zu können. Im Fall von Gradisca d’Isonzo handle es sich diesbezüglich italienweit um eine Vorzeige-Einrichtung, was die Betreuung und Überwachung von Schubhäftlingen anbelangt. Dennoch habe man als Gewerkschaft in der Vergangenheit mehrmals angemessene Umstrukturierungen verlangt, um jene Räumlichkeiten zu sichern, die bei Flucht- und Aufstandsversuchen verwüstet würden, erklärt Tamaro. “Solche Arbeiten könnten problemlos durchgeführt werden, während die Einrichtung geöffnet bleibt.”
Die Gewerkschaft wünscht sich, dass weitere Einrichtungen dieser Art in jeder Region entstehen. Dadurch könne auch die Anzahl der Abschiebungen von Personen erhöht werden, die sich schwerer Verbrechen schuldig gemacht hätten. Gleichzeitig fordert die Gewerkschaft von der Politik, derartige Diffamierungsversuche gegen Polizeibeamte, „die eine wichtige Aufgabe im Dienste aller Bürger erfüllen“, zu verurteilen und zurückzuweisen.
In der Vergangenheit war ein Video aufgetaucht, das vom Juni 2025 stammen soll. Ein Mann mit Migrationshintergrund, der nur mit Boxern bekleidet ist, wird im Mitschnitt von Polizisten in aufstandsbekämpfender Ausrüstung verfolgt. Nach einer Unterbrechung der Szene taucht derselbe junge Mann wieder auf – diesmal in mutmaßlich bewusstlosem Zustand und mit blutverschmiertem Gesicht. Die Bilder sollen im Abschiebezentrum in Gradisca d’Isonzo aufgenommen worden sein und wurden vom Netzwerk „No ai Cpr“ veröffentlicht.
Einschlägigen Organisationen zufolge komme es im Abschiebezentrum einmal pro Woche zu solchen Zwischenfällen. Kurz vor Veröffentlichung des Videos hatten Proteste wegen schlechter Haftbedingungen, mangelhafter Qualität des Essens und eines Verdachts auf Krätze in der Einrichtung stattgefunden. Vertreter der Opposition im römischen Parlament schlugen Alarm und forderten die Schließung des Abschiebezentrums. Der Abgeordnete Riccardo Magi warnte davor, ein solches Modell nach Albanien zu exportieren, wie es die Regierung Meloni vorschlage.
Die Quästur bestritt unterdessen, dass das Video auf Misshandlungen und Polizeigewalt hindeute. Vielmehr sei es am 5. Juni zu einem Aufstand gekommen. Mehrere Gäste hätten Brände gelegt. Gemeinsam mit der Finanzpolizei sei es gelungen, den Aufstand niederzuschlagen und die Ordnung wieder herzustellen. Die Ordnungshüter seien während des Einschreitens mit Flaschen, Obst und Hausrat beworfen worden.
Kritiker befürchten unterdessen, dass in Abschiebezentren Mindeststandards nicht eingehalten würden. Die Einrichtungen, die über öffentliche Aufträge an private Betreiber vergeben werden, seien überfüllt und schmutzig. Es mangele an qualifiziertem Personal und ärztlicher Versorgung. Fälle von Selbstverletzung und Protesten würden sich häufen. Auch das Verfassungsgericht befasst sich mittlerweile mit den Einrichtungen.
Abgesehen von den Zuständen stellt sich auch die Frage der Effektivität von Abschiebezentren. Immerhin werden laut einem Bericht von L’Avvenire nur zehn Prozent aller Schubhäftlinge tatsächlich auch in ihre Heimat rückgeführt – oft, weil es bilaterale Verträge mit den Herkunftsländern gibt.




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