Von: ka
Rom – Auch wenn der Druck auf die Krankenhäuser weiterhin niedrig ist, so bereiten der leichte Anstieg der Neuinfektionen und vor allem die Delta-Variante des Coronavirus große Sorgen.
Wie die angesehene, im Gesundheitsbereich tätige Forschungsstiftung „Gimbe“ anmerkt, haben in Italien mehr als fünf Millionen über 60-Jährige den Impfzyklus noch nicht abgeschlossen. Von diesen wartet knapp die Hälfte, genau genommen 2,29 Millionen oder 12,8 Prozent dieser Altersgruppe, überhaupt noch auf die erste Impfdosis. Da die über 60-Jährigen als stark gefährdet gelten, erachten die Experten es als besonders wichtig, diese Altersgruppe vorrangig zu impfen.
Sorge bereitet auch, dass verschiedene Regionen, darunter auch Südtirol, mit der Impfung arg in Rückstand liegen. Während im impffleißigen Apulien der Prozentsatz der noch ungeimpften über 60-Jährigen lediglich 7,7 Prozent beträgt, sind in Südtirol, das hinter Sizilien Schlusslicht ist, 19,8 Prozent – also noch fast ein Fünftel dieser Altersgruppe – noch ohne Impfdosis. Zudem beobachten die Experten der Forschungsstiftung „Gimbe“ in den Altersgruppen der 40- bis 49-Jährigen, der 50- bis 59-Jährigen sowie der 60- bis 69-Jährigen ein sinkendes Interesse an der Impfung, das sich in der Grafik in einer Abflachung der entsprechenden Kurven bemerkbar macht.
Den Virologen und Epidemiologen zufolge stellt der relativ hohe Anteil von ungeschützten oder nur teilweise geschützten älteren Personen die wahre Achillesferse der italienischen Impfkampagne dar. Die Leiterin der Forschungsabteilung für das Gesundheitswesen der Stiftung „Gimbe“, Renata Gili, erinnert daran, dass aus England und Israel stammende Daten die hohe Wirksamkeit des kompletten Impfzyklus bestätigen. Sie unterstreicht, dass dabei insbesondere der Verabreichung der zweiten Impfdosis eine immense Wichtigkeit zukommt.
Impfpflicht für Lehrer und Schüler gefordert
Die zweite italienische Baustelle sind die Schulen. Der außerordentliche Kommissar für die Koordinierung der Maßnahmen gegen die Covid-19-Notlage, General Francesco Paolo Figliuolo, fordert die Regionen dazu auf, alle nur möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um die 215.000 Lehrer und Schulangestellten, die bisher noch kein Impfangebot angenommen haben, für die Impfung gewinnen. Laut dem letzten Bericht der Regierung sind zwischen Lehrern und anderen Angestellten der Schulen bereits 1.063.903 Personen geimpft. Um die Impfquote auf weit über 80 Prozent zu heben, ist es das erklärte Ziel von Figliuolo, möglichst viele „impfskeptische“ Lehrer dazu zu bewegen, sich impfen zu lassen.
In dieser Hinsicht kommt auf Südtirol besonders viel Arbeit zu. Mit 38,53 Prozent des Lehrpersonals, das bisher noch kein Impfangebot angenommen hat, nimmt Südtirol auch in diesem Fall hinter Sizilien den Rang des Schlusslichts ein. Mit Blick auf die schleppende Impfkampagne – in den vergangenen zwei Wochen haben sich weniger als 20.000 Lehrkräfte für eine Impfung entschieden – häufen sich die Stimmen, die fordern, den Präsenzunterricht an die Impfung zu binden, und dazu aufrufen, für das ganze Lehrpersonal und alle Schüler ab zwölf Jahren eine Impfpflicht einzuführen.
„Gleich wie für das Gesundheitspersonal würde ich für die Lehrer, die noch nicht geimpft worden sind, eine Impfpflicht vorschlagen. Wenn eine Person für die öffentliche Gesundheit eine Gefahr darstellt, muss es Konsequenzen geben. Für die Schüler gilt das Gleiche: Impfstoffe retten Leben, das Leben aller. Ich bin dafür, alle Zwölf- bis Sechzehnjährigen zu immunisieren“, so der Präsident der Gewerkschaft der Schuldirektoren, Attilio Fratta.
Der Präsident der nationalen Vereinigung der Schuldirektoren Andis, Paolino Marotta, fordert, mit Blick auf die Zwölf- bis Neunzehnjährigen die Impfkampagne zu beschleunigen. „Um ein „Stop-and-go“ des Schulbetriebs zu vermeiden, erachten wir es als notwendig, die Impfung der über Zwölfjährigen zu beschleunigen“, meint Paolino Marotta, der im selben Atemzug befürchtet, dass die Schule erneut riskiert, sich zu Beginn des neuen Schuljahrs im Chaos zu befinden.
Die verschiedenen Ansinnen, für das Lehrpersonal und für die Schüler die obligatorische Impfung einzuführen, werden vom zuständigen Unterrichtsminister Patrizio Bianchi – noch – als „nicht plausibel“ bezeichnet. Sollten die Appelle, die Impfangebote anzunehmen, nicht die erhoffte Wirkung zeigen, gehen politische Beobachter aber davon aus, dass die immer wieder diskutierte Impfpflicht auf dem Tisch des Ministerrats landen wird.