Vier Jahre alter Cold Case aufgeklärt: 68-Jähriger festgenommen – VIDEO

Heimtückisch und kaltblütig: Wegen Erbschaft Schwestern ermordet

Montag, 11. November 2019 | 08:17 Uhr

Cerro Maggiore – Vier Jahre nach dem Tod zweier älterer Schwestern gelang es der Staatsanwaltschaft und den Carabinieri von Mailand, einen Cold Case zu lösen und den mutmaßlichen Mörder – der Bruder der beiden Frauen – festzunehmen. Um zu verhindern, dass seine Schwestern ihre Vermögen ihrem Neffen vererben – so die Anklage –, hatte der 68-jährige Giuseppe Agrati im Haus mehrere Brände gelegt und so den qualvollen Erstickungstod seiner beiden Schwestern Carla und Maria verursacht.

Am Samstagvormittag begaben sich die Carabinieri der Ermittlungseinheit von Mailand in die Romstraße von Cerro Maggiore – eine Kleinstadt in der Nähe von Mailand – und nahmen den 68-jährigen Giuseppe Agrati fest. Giuseppe Agrati wird beschuldigt, in der Nacht vom 12. auf den 13. April des Jahres 2015 mit der klaren Absicht, seine beiden Schwestern Carla und Maria zu ermorden, sein Haus angezündet zu haben. Vor den Carabinieri, die ihm den Haftbefehl zeigten, wiederholte Giuseppe Agrati abermals seine alte Version. Er hätte damals das Feuer wahrgenommen, seine Schwestern gewarnt, Alarm geschlagen und sei dann vor dem Feuer geflüchtet. Dabei wäre es ihm unmöglich gewesen, selbst seine Schwestern zu retten.

Nachdem am vergangenen 7. Jänner die Staatsanwaltschaft von Mailand den Fall, für den bereits die Archivierung beantragt worden war, erneut aufgerollt hatte, wurde diese Darstellung aber Punkt für Punkt widerlegt. Die Carabinieri nahmen alle sichergestellten Indizien und Beweise erneut in die Hand. Laut den Experten der Feuerwehr war im Haus, das fast komplett ausgebrannt war, an insgesamt drei verschiedenen Stellen – vor dem Zimmer der beiden Schwestern, am Haupteingang und vor dem Hinterausgang, der auf einen Innenhof führt – Feuer gelegt worden. Während Giuseppe Agrati die angebliche Flucht vor dem Feuertod gelungen war, hatten seine beiden, im Obergeschoss schlafenden Schwestern einen qualvollen Erstickungstod erlitten.

Schon vor vier Jahren war den Ermittlern die Darstellung des 68-Jährigen sehr „konfus“ vorgekommen. Die Tatsache, dass Giuseppe Agrati beim Brand nicht verletzt worden war, hatte schnell ihren Verdacht erregt. Nun kamen Staatsanwaltschaft und Carabinieri zum Schluss, dass Giuseppe Agrati selbst die Feuer gelegt hatte, seine Schwestern vermutlich nie gewarnt hatte und nur mit einem Pyjama bekleidet auf die Straße geflohen war. Ein Zeitabgleich ergab zudem, dass die Feuerwehr erst mit großer Verspätung alarmiert worden war. Er selbst hatte die Feuerwehr weder selbst verständigt, noch die Wehrleute auf die in der Wohnung festsitzenden Schwestern hingewiesen.

Das Motiv ist ein wahrer Klassiker, der an die Kriminalfälle von Agatha Christie erinnert. Antonio Agrati, der für seinen arbeitslosen Bruder Giuseppe fast ein Leben lang den Unterhalt beglichen hatte, war verstorben und hatte sein ganzes Vermögen seiner Schwester Carla vererbt. Carla und ihre Schwester Maria, die ebenfalls über ein erkleckliches Vermögen verfügt hatte, waren der ständigen Geldforderungen ihres Bruders Giuseppe längst überdrüssig geworden. Carla hatte die Absicht gehegt, ein neues Testament zu verfassen und darin ihr eigenes Vermögen sowie das Erbe ihres Bruders ihrem Neffen zu überlassen. Um dies zu verhindern und selbst das gesamte Vermögen und das Haus zu erben – so die Staatsanwaltschaft –, habe Giuseppe Agrati nicht davor zurückgeschreckt, nur eine Woche nach dem Tod seines Bruders, seine beiden Schwestern gewaltsam aus dem Weg zu räumen.

Auf Antrieb des Neffen hin, der sich von Anfang an einer Archivierung des Falls widersetzt hatte, kamen die Ermittlungen erneut ins Rollen. Der junge Mann berichtete, dass es damals zwischen Carla und Giuseppe immer wieder zu heftigen Streitigkeiten gekommen war. Nachdem die Ermittler Telefonmitschnitte – „Das ist mein Geld“, so Giuseppe Agrati während eines Telefonats – eine Vielzahl von Kontobewegungen und alle im ausgebrannten Haus sichergestellten Indizien erneut ausgewertet hatten, verdichtete sich der Verdacht, dass der 68-Jährige im Erbstreit die beiden Schwestern ermordet hatte.

ANSA/ CARABINIERI

Antonio Agrati ist dafür verantwortlich, „den Tod seiner Mitbewohnerin Agrati Carla Eugenia und jenen von Agrati Carla Eugenia, die in der Wohnung zu Gast gewesen ist, verursacht zu haben. Nachdem er solange gewartet hatte, bis sich seine Schwestern in das Zimmer zurückgezogen hatten und eingeschlafen waren, hat er vor dem Zimmer der Schwestern und vor den beiden Eingangstüren Feuer gelegt“, so die stellvertretende Generalstaatsanwältin von Mailand, Maria Vittoria Mazza, und die Generalstaatsanwältin von Mailand, Nunzia Gatto, in ihrem Ermittlungsbericht.

Als erschwerende Umstände kämen laut Anklageschrift hinzu, dass die Tat zum Schaden einer Mitbewohnerin unter dem Missbrauch des Zusammenlebens und der Gastfreundschaft, auf heimtückische Art und Weise und mit Vorsatz, wobei die Schwestern im Schlaf überrascht worden sind, verübt wurde.

Die Aufklärung des Cold Case mit seinem tödlichen Erbschaftsstreit sorgt in der italienischen Öffentlichkeit für großes Aufsehen. Man solle immer der Spur des Geldes folgen und sich fragen, wem ein Tod am meisten nütze, so der Gedanke eines Lesers.

Von: ka