Einbrecher erschossen: Staatsanwaltschaft beantragt Archivierung

„Ich würde nicht mehr eine Pistole in die Hand nehmen“

Donnerstag, 16. Mai 2019 | 07:46 Uhr

Monte San Savino/Arezzo – Die Staatsanwaltschaft von Arezzo beantragte am Mittwoch für den Fall von Fredy Pacini die Archivierung. Der 57-jährige Reifenhändler Fredy Pacini hatte am vergangenen 28. November letzten Jahres den 29-jährigen, moldawischen Einbrecher Mircea Vitalie erschossen. Laut Ansicht des Staatsanwalts Andrea Claudiani hatte der 57-Jährige in Notwehr gehandelt. Der Fall von Arezzo hatte für großes Aufsehen gesorgt, wobei dem von vielen Italienern als Helden beschriebenen Fredy Pacini eine beispiellose Welle der Solidarität entgegengeschlagen war.

ANSA/MICHELE GIUNTINI

Die Geschichte des Falles von Notwehr begann bereits lange vor jenem fatalen 28. November 2018. Bereits vor jenem Tag war der 57-jährige Reifenhändler, der als sehr fleißiger Handwerker gilt, mehrere Male bestohlen worden. Nach einem Einbruch im Jahr 2014, bei dem Fredy Pacini einen existenzbedrohenden Schaden von 110.000 Euro erlitten hatte, wuchs in dem 57-Jährigen die Einsicht, in Zukunft direkt in seinem Betrieb zu übernachten. Um sein Eigentum zu schützen, richtete er sich im Dachboden der Halle ein Zimmer ein und verbrachte – besonders wenn er bis spätabends arbeitete und frühmorgens wieder anfangen wollte – viele Nächte in seiner Reifenwerkstatt.

So war es auch an jenem schicksalhaften 28. November. Nachdem der 29-jährige Moldawier Mircea Vitalie mit einem Pickel eine Scheibe eingeschlagen hatte, drang er mit einer Taschenlampe in der Hand in die Werkstatt ein. Von den Geräuschen aufgeschreckt, sprang der 57-Jährige vom Bett auf. Er nahm seine ordnungsgemäß gemeldete Pistole zur Hand und feuerte von oben nach unten insgesamt fünf Schüsse auf den 29-Jährigen ab. Zwei Kugeln trafen Mircea Vitalie und töteten ihn auf der Stelle.

In der Folge leitete die Staatsanwaltschaft von Arezzo gegen Fredy Pacini ein Verfahren wegen fahrlässiger Überschreitung der Notwehr ein. Im Lichte der Ermittlungsergebnisse im Todesfall des 29-jährigen Einbrechers, der mehrere Vorstrafen wegen Eigentumsdelikten aufweist, kam der Staatsanwalt zur Ansicht, dass der Reifenhändler beim Gebrauch der Schusswaffe geglaubt hatte, sich in einer echten Gefahrensituation zu befinden. Aus diesem Grund reichte der Staatsanwalt eine Anfrage um Archivierung des Falls wegen Putativnotwehr ein. Diese Entscheidung geschah noch auf der Grundlage des alten Gesetzes und nicht in Anwendung der vom Parlament verabschiedeten, gesetzlichen Neuregelung der Notwehr.

Obwohl die Sache noch nicht ganz ausgestanden ist, zeigten sich Fredy Pacini und die Rechtsanwältin, die seinen Fall seit Monaten betreut, Alessandra Cheli, hocherfreut.

„Seit dieser Raub passiert ist, schlafe ich nicht mehr in der Werkstatt“, so der 57-Jährige. Auf die Frage, ob er nochmal zu seiner Pistole greifen würde, fand Fredy Pacini eine klare Antwort.

„Nein, ich würde nicht mehr eine Pistole in die Hand nehmen. Mehr noch, wenn ich nach meiner Erfahrung einen Rat geben müsste, würde ich allen sagen, keine Waffen zu nehmen, weil es ein Leben in Angst und Schrecken bedeutet“, so Fredy Pacini.

ANSA/ TELETRURIA/Fredy Pacini

Nach Monaten von Hoffen und Bangen versucht Fredy Pacini nun, in sein normales Arbeits- und Familienleben zurückzukehren. Viele Nutzer und Kommentatoren im Netz sowie Experten bezeichneten die Wende im Fall des 57-jährigen Reifenhändlers, der vor einem halben Jahr ganz Italien bewegt hatte, als wegweisend.

 

Von: ka