Von: ka
Neapel/Paris – In Italien wächst die Empörung über den Fall der Algerierin Imane Khelif, die am 1. August bei den Olympischen Spielen in Paris gegen die Neapolitanerin Angela Carini in den Ring steigen wird. Nachdem sie alle geschlechtsspezifischen Zulassungsprüfungen bestanden hatte, erhielt die Algerierin die Erlaubnis, bei den Boxwettbewerben der Olympischen Spiele in Paris im Weltergewicht anzutreten. Das Gleiche gilt für die Taiwanesin Lin Yu-tin.
Die Tatsache, dass erst vor einem Jahr sowohl Imane Khelif als auch Lin Yu-tin aufgrund zu hoher Hormonwerte die geschlechtsspezifischen Zulassungskriterien nicht erfüllt hatten und dadurch vom IOC von den Boxweltmeisterschaften ausgeschlossen worden waren, lässt in Italien die Wogen hochgehen.
Viele Italiener bemängeln nicht nur die laut ihrer Ansicht fehlende sportliche Chancengleichheit, sondern sorgen sich auch um die Gesundheit der 25-jährigen Neapolitanerin. Der Boxkampf beschäftigt auch die Politik. „Ist es politisch unkorrekt zu sagen, dass ich die Frau anfeuere?“, so Senatspräsident Ignazio La Russa auf seiner Facebook-Seite.
Ganz gleich wie die Achtelfinalbegegnung im Weltergewicht der Boxer zwischen der Neapolitanerin Angela Carini und der algerischen Transgender-Athletin Imane Khelif ausgehen wird, steht bereits jetzt fest, dass der laut vielen Italienern „ungleiche Kampf zwischen einer Frau und einem Ex-Mann“ in den kommenden Tagen für heftige Polemiken sorgen wird.
Auch der Präsident des Italienischen Olympischen Komitees CONI, Giovanni Malagò, meldete sich zu Wort. Giovanni Malagò ist tief besorgt. „Das Internationale Olympische Komitee hat uns versichert, dass die entsprechenden hormonellen und wissenschaftlichen Tests durchgeführt wurden und dass Imane Khelif daher als Frau antreten kann“, so der Präsident des CONI.
„Das CONI setzt sich beim IOC dafür ein, dass sichergestellt wird, dass im Lichte der Olympischen Charta und der festgeschriebenen Gesundheitsvorschriften die Rechte aller Athleten gewahrt werden“, so die Stellungnahme des Italienischen Olympischen Komitees auf seiner Webseite.
Der Präsident des italienischen Boxverbandes Federboxe, Flavio D’Ambrosi, möchte erst nach dem Wettkampf Stellung beziehen. Es gibt sicherlich Bedenken. Niemand hat etwas gegen die Aufnahme von Transfrauen, aber bei Kontaktdisziplinen wie dem Boxen befürchtet der Verband, dass – egal wie stark der Testosteronspiegel gesenkt wird – die Kraft einer solchen Boxerin immer noch größer sein wird als die einer als Frau geborenen Person. Dem Verband zufolge spricht der vom Internationalen Boxverband beschlossene Ausschluss von den Weltmeisterschaften Bände.
Der für den Sport zuständige Minister Andrea Abodi bezeichnet die Entscheidung des IOC, Imane Khelif an den Boxwettbewerben der Frauen teilnehmen zu lassen, als „unverständlich“.
Nach Ansicht des Ministeriums ist unklar, warum es „auf internationaler Ebene, also auch bei Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen, keine Angleichung der Parameter der zulässigen Hormonhöchstwerte“ gibt. Ein weiteres Anliegen des Ministers ist „die Sicherheit der Athleten sowie die Wahrung eines fairen sportlichen Wettkampfs“. Andrea Abodi bezweifelt, ob im Fall der Begegnung zwischen der Neapolitanerin Angela Carini und der algerischen Transgender-Athletin Imane Khelif sportliche Fairness und die gesundheitliche Sicherheit der italienischen Athletin gegeben seien.
Angela Carini hingegen fügt sich in ihr Schicksal. „Ich muss mich an die Entscheidung des IOC halten. Ich werde morgen in den Ring steigen und mein Bestes geben“, so Angela Carini.
Die 25-Jährige aus Neapel ist fest entschlossen, am Donnerstag um 12.20 Uhr in der Klasse bis 66 Kilogramm gegen die Algerierin Imane Khelif anzutreten. Aber im Umfeld der italienischen Box-Nationalmannschaft ist man besorgt über das, was passieren könnte. Hinter vorgehaltener Hand spricht man darüber, dass Angela Carini den Kampf beenden sollte, bevor sie ein gesundheitliches Risiko eingeht.
Während der CONI, der zuständige Minister und der Verband sich vorsichtig äußern, nehmen sich verschiedene Politiker kein Blatt vor den Mund.
„Dieselbe algerische Athletin, der letztes Jahr die Teilnahme an den Boxweltmeisterschaften verwehrt worden war, erhielt dank einer vom IOC auferlegten Regelung grünes Licht, gegen weibliche Athleten anzutreten. Es kann nicht sein, dass im Namen der Inklusion die Rechte der Frauen mit Füßen getreten werden und ihnen die Möglichkeit genommen wird, gleichberechtigt an Wettkämpfen teilzunehmen“, so die Fratelli d’Italia-Kammerabgeordnete Maria Grazia Frijia.
Auch der Minister für nachhaltige Infrastruktur und Mobilität, Matteo Salvini, übt harte Kritik. „Die Transboxerin aus Algerien, die von den Boxweltmeisterschaften ausgeschlossen wurde, darf an den Olympischen Spielen teilnehmen und wird gegen unsere Angela Carini antreten. „Ihre Schläge haben mir sehr wehgetan. Ich glaube nicht, dass ich mich in meinen 13 Jahren als Boxerin jemals so gefühlt habe, nicht einmal bei Kämpfen gegen männliche Sparringspartner“, sagte eine mexikanische Athletin, die gegen sie angetreten war. Für die Ethik des Sports und die Glaubwürdigkeit der Olympischen Spiele ist es ein Schlag ins Gesicht“, so Matteo Salvini auf seiner X-Seite.
Die Boxbegegnung wird weit über Italien hinaus mit Spannung verfolgt werden. Viele Athletinnen blicken mit Sorge auf Wettkämpfe, an denen Mitbewerberinnen teilnehmen, die nicht als Frauen das Licht der Welt erblickt haben. Kurz nach Donnerstagmittag werden daher viele von ihnen vor dem Fernseher sitzen.
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