Schwere Hand- und Gesichtsverletzungen – Spanier verliert zwei Finger

Lebensgefährlich: Weltkriegsmunition explodiert in Hand eines Bergsteigers

Donnerstag, 29. August 2019 | 08:09 Uhr

Vermiglio/Presena – Zwei junge, spanische Bergsteiger wurden am Montagnachmittag von explodierender Munition aus dem Ersten Weltkrieg teilweise schwer verletzt. Einer ersten Rekonstruktion der Ereignisse zufolge befanden sich die beiden spanischen Alpinisten – 23 und 21 Jahre alt – im Abstieg vom Gipfel der Cima Presena. Die Zweierseilschaft war gerade im Begriff über dem Grat des Mandrone in das Val Genova abzusteigen, als sie gegen 15.00 Uhr im oberen Teil des Presena-Gletschers gegen den Pass des Lago Scuro hin auf 3.000 Meter Seehöhe auf eine im Ersten Weltkrieg gegrabene Höhlenstellung stießen. Am Eingang der Höhle fanden die Bergsteiger Munition. Offenbar hob einer der beiden jungen Spanier das gefährliche Material, bei dem es sich vermutlich um Leuchtspurmunition handelte, auf und hantierte ihm. Kurz darauf explodierte eines der Geschosse.

Von der Explosion aufgeschreckt, verständigten mehrere Augenzeugen, die sich in der näheren Umgebung der beiden Spanier befanden, über die internationale Notrufnummer 112 die Rettungskräfte. Vom weiten erkannten sie, dass die beiden spanischen Alpinisten verletzt, aber noch am Leben waren.

Mithilfe eines Rettungshubschraubers wurden in zwei Flügen eine medizinische Einsatzgruppe mit Notarzt sowie mehrere alpine Rettungskräfte der Bergrettungen von Vermiglio und Pejo zur Unglücksstelle geflogen. Da über dem Presena-Gletscher widriges Wetter mit Regen und Nebel herrschte, musste der Hubschrauber umkehren und an der Talstation der Presena-Seilbahnen auf das Eintreffen der Retter warten. Dank des schnellen und gut koordinierten Einsatzes der Rettungskräfte konnten die jungen Spanier zeitnah geborgen und zu Tal gebracht werden. Während einer der Verletzungen beim Explodieren der Munition mittelschwere Verletzungen im Gesicht und an beiden Händen erlitten hatte, wurde sein Seilpartner an einer Hand schwer verletzt: Die Explosion hatte ihm zwei Finger von der Hand abgerissen.

APA/APA (AFP)/HANDOUT

Nachdem sie unter Zuhilfenahme einer Trageliege zu Tal gebracht worden waren, wurden beide Spanier in das Krankenhaus Santa Chiara von Trient geflogen. Neben dem Rettungshubschrauber, dem Notarzt und den Bergrettern von Vermiglio und Pejo befanden sich auch die Carabinieri mit mehreren Sprengstoffexperten im Einsatz. Da die Wetterverhältnisse am Montag keine näheren Ermittlungen zum Unglückshergang und zum genauen Ursprung und Typ der explodierten Munition zuließen, wurden diese am Dienstag aufgenommen.

Luigi Bombassei De Bona – Waffen-, Munitions- und Sprengstoffexperte sowie ballistischer Gutachter bei Gericht – erklärte dem Trentiner Tagblat L’Adige gegenüber, dass laut einer Schätzung rund ein Zehntel der gesamten in den Weltkriegen verschossenen Munition nie explodiert sei. „Angesichts der enormen Menge von Bomben, Granaten und Artilleriemunition stellen zehn Prozent eine enorme Zahl dar, was heißt, dass sich eine nicht genau bestimmbare Menge heute noch immer im Boden und an anderen Orten befindet“, so Luigi Bombassei De Bona.

stnews/ka

Laut ersten Erkenntnissen handelte es sich bei der explodierten Munition um Leuchtspurgeschosse, die Gelatine enthielten. „Es handelt sich dabei um eine besonders gefährliche Substanz, die unter der Alterung leidet und bei Temperaturen unter acht Grad im höchsten Maße instabil wird. Generell enthalten alle Sprengkörper aus dieser Zeit Sprengstoffmischungen, die nur langsam ihre Explosionsfähigkeit verlieren und noch über Hunderte von Jahren detonationsfähig bleiben“, warnt Luigi Bombassei De Bona.

Der Rückzug der Gletscher trägt heute dazu bei, dass an vielen Stellen im Gebirge, die vor mehr als hundert Jahren Schauplatz heftiger Kämpfe waren, immer öfter Kriegsmaterial – darunter oft auch ungebrauchte und zurückgelassene Munition – zutage tritt. Luigi Bombassei De Bona warnt davor, alte Munition zu berühren. Im Fall eines Auffindens von explosivem Kriegsmaterial sind sofort die Ordnungskräfte zu verständigen. Dabei ist es besonders wichtig, den genauen Fundort anzeigen zu können.

ANSA/Biblioteca civica di Rovereto ‘Uomini in trincea’

Keine guten Aussichten, so die Meinung vieler Leser und Kenner der jüngsten Geschichte unseres Landes. Die Gefahr, die von nicht explodierter und in den Wirren der letzten Kriegstage zurückgelassener Munition ausgeht, wird leider noch vielen Generationen erhalten bleiben.

 

 

Von: ka