Freiwillige Arbeit für Dorfgemeinschaft mit kostenlosem Wohnen belohnt – VIDEO

Lusern sucht neue Luserner: „Ai zo leba atz Lusérn“

Dienstag, 23. Juni 2020 | 08:09 Uhr

Lusern – Wie viele Berggemeinden ist auch die kleine Trentiner Gemeinde Lusern – eine der letzten Sprachinseln, in der noch die altbairische Sprachvarietät Zimbrisch gesprochen wird – von der Abwanderung bedroht. Um diesem traurigen Phänomen, das mit der Zeit zum Aussterben des Ortes führen würde, entgegenzuwirken, beschloss die Gemeinde, für vier Jahre jungen Paaren oder Familien kostenlose Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug müssen sich die „Gratismieter“ nur verpflichten, zum Nutzen der Dorfgemeinschaft Freiwilligenarbeit zu leisten.

„Ai zo leba atz Lusérn un ai z’soina toal von ünsar lånt“, was auf Zimbrisch in etwa „Komm, um in Lusern zu leben, und werde Teil unserer Gemeinschaft“ bedeutet, nennt sich die Einladung der stark von Abwanderung betroffenen Gemeinde von Lusern, deren Ziel es ist, wieder junges Leben in die Dorfgemeinschaft zu bringen. Trotz des in jüngster Zeit erfolgten, wirtschaftlichen Aufschwungs von Lusern, das sowohl sanften Tourismus als auch viel Kultur – Lusern ist eine der letzten Sprachinseln, in der noch im Alltag die altbairische Sprachvarietät Zimbrisch gesprochen wird, was viele Forscher und Sprachbegeisterte anlockt – zu bieten hat, tut sich die Gemeinde schwer, die jungen Leute im Dorf zu halten.

Facebook/Federico Penner – ‎Sei di Luserna Lusérn (Trentino) se…

Um diesem Missstand, der mit der Zeit zum Aussterben des Ortes führen würde, entgegenzuwirken, riefen die Verantwortlichen der inzwischen nur mehr 258 Seelen zählenden Gemeinde eine beispiellose Initiative ins Leben. Das Projekt, das eine vierjährige, kostenlose Leihgabe von vier Wohnungen vorsieht, richtet sich an vier junge Paare oder Familien mit Kindern, die in der Gemeinde, die in 1.333 Meter Seehöhe auf einem Hochplateau hoch über dem Trentiner Etschtal liegt, sesshaft werden wollen. Die vier Paare oder Familien, die nach einem Wettbewerb, an dem bis zum 3. August teilgenommen werden kann, den Zuschlag erhalten, müssen für vier Jahre außer die Kondominiumspesen und die Kosten, die für Heizung, Strom und Wasser anfallen, keine weiteren Ausgaben bestreiten.

Informationsfaltblatt Coliving Lusern

Um am Wettbewerb teilnehmen zu können, müssen die Antragsteller kurz zusammengefasst ein Alter von unter 40 Jahren, einen Wohnsitz außerhalb des Zimbrischen Hochplateaus und ein Mindesteinkommen vorweisen können. Im Gegenzug müssen sich die „Gratismieter“ nur verpflichten, zum Nutzen der Gemeinschaft Freiwilligenarbeit zu leisten. Denn Teil dieses gemeinschaftlichen Wohnprojekts zu sein, heißt nicht nur, in Lusern wohnhaft zu sein, sondern auch aktiv am Dorfleben mitzuwirken. Eben deshalb wird von den vier Familien oder Paaren verlangt, im solidarischen Sinne für die ganze Gemeinschaft Aufgaben zu übernehmen. Mit wenigen Worten wird von den Neubürgern nichts weniger erwartet, als „Luserner zu werden“. Die Einzelheiten können von denjenigen, die „neue Luserner werden wollen“, der Wettbewerbsausschreibung entnommen werden.

Die Idee, Wohnungen in Leihgabe oder für einen symbolischen Preis von einem Euro zum Kauf anzubieten, ist in Italien nicht neu. Mehrere italienische Gemeinden, die sehr abgelegen und von einer existenzbedrohenden Abwanderung betroffen sind, greifen auf solche oder ähnliche Initiativen zurück. Neu ist allerdings die Auflage, nicht nur Wohnbürger zu sein, sondern auch Teil einer Gemeinschaft zu werden und in diesem Sinne verpflichtende Aufgaben zum Nutzen aller zu übernehmen.

Wegen dieser Neuigkeit blieb das interessante Angebot, „Luserner zu werden“, in der italienischen Öffentlichkeit nicht unbemerkt. Neben Lokalmedien berichteten die großen italienischen Blätter über das Wohnprojekt der Trentiner Zimbrischen Gemeinde. Viele Leser und Kommentatoren begrüßten die Luserner Idee und meinten, dass auf diese Art und Weise das Dorf wiederbelebt, eine echte Dorfgemeinschaft gefördert und gleichzeitig der Zuzug von „Gratiszweitwohnungstouristen“ vermieden werde.

Auch in Südtirol gibt es Dörfer, die vom traurigen Phänomen der Abwanderung geplagt werden. Die Luserner Idee, die zeitlich begrenzte, kostenlose Leihgabe von Wohnungen mit aktivem Mitwirken am Dorfleben zu verbinden, könnte auch bei uns Schule machen.

Von: ka