Von: apa
Die Galerie Thaddaeus Ropac wartet in der zweiten Ausstellung ihrer heuer eröffneten Dependance in Mailand mit einer Überraschung auf: Mit der Österreicherin VALIE EXPORT und der Italienerin Ketty La Rocca werden zwei Pionierinnen der feministischen Konzeptkunst der 1960er-Jahre einander gegenübergestellt. Dabei werden verblüffende Parallelen in der Programmatik wie in der Ästhetik sichtbar, obwohl die beiden einander nie persönlich begegnet sind. Am Dienstag ist Vernissage.
“Während VALIE EXPORT vom Expanded Cinema kam, liegen die Ursprünge von Ketty La Rocca in der Visuellen Poesie”, erklärt Andrea Maurer, die gemeinsam mit Alberto Salvadori die bis 28. Februar 2026 laufende Schau kuratiert hat, im Gespräch mit der APA. “Sie haben aber viele Berührungspunkte.” Ob die zwei Jahre ältere Italienerin, die 1976 im Alter von 37 Jahren an einem Gehirntumor starb, die Arbeiten der Österreicherin kannte, ist ungewiss – umgekehrt hat VALIE EXPORT sehr wohl Kenntnis von ihrer in Florenz arbeitenden Kollegin erlangt.
Hände als zentrale Motive
“Als ich mich intensiver mit den Arbeiten von Ketty La Rocca beschäftigt habe, hat mich vor allem ihr Arbeiten mit den Händen berührt”, hält die 85-Jährige, die zur Eröffnung anreisen wird, fest. “Das hat mich dazu gebracht, mich näher mit ihr zu beschäftigen – auch wenn der Zugang zu ihren Arbeiten anfangs schwierig war, denn ihre Präsenz nach außen war damals noch sehr gering. Erst später eröffneten sich mehr Wege, um ihr Werk breiter zu erforschen.” Die erste Ausstellung, in der diese Nähe auch gezeigt wurde, war 1995/96 “Auf den Leib geschrieben”. Für diese Schau in der Kunsthalle Wien versammelten die Kuratorinnen Monika Faber und Brigitte Huck neben Arbeiten von Ketty La Rocca und VALIE EXPORT u.a. Elfriede Jelinek, Birgit Jürgenssen, Shirin Neshat, Eva Schlegel oder Elke Krystufek.
Hände sind zentrale Motive der gezeigten Exponate, in Fotografien, Filmen oder VALIE EXPORTs selten gezeigter Objektarbeit “Die sofortige Befreiung der Hand” (1973), einem von Stahlnägeln durchbohrten Handschuh. Das berühmte Tapp- und Tastkino (1968), bei dem Männerhände die Brüste der Künstlerin berühren durften, trifft etwa auf La Roccas Video “Appendice per una supplica” (1972), in dem die Hände eines Mannes und die einer Frau eine Choreografie von Bewegungen vollführen.
“Frauen kämpfen seit Jahrhunderten”
Auch die Parallelität der Beschäftigung mit dem weiblichen Körper im öffentlichen und nicht öffentlichen Raum verblüfft. Das Durchbrechen einer Marginalisierung in der Wahrnehmung von Frauen und das Entwickeln eines Selbstbewusstseins im Kampf um Gleichberechtigung waren klare Anliegen beider Künstlerinnen. “Frauen kämpfen seit Jahrhunderten, und wir müssen diese Machtstrukturen immer wieder neu erobern”, sagt VALIE EXPORT. “Ketty La Rocca hat in ihrer Zeit und auf ihre Weise gekämpft. Mit den Arbeiten, die wir heute zeigen, möchte ich, dass ihr Kampf weitergetragen wird. Auch wenn sie ihn selbst nicht mehr führen kann, führen wir ihn weiter – und nach uns werden andere diese Machtstrukturen erneut erobern.”
Und schließlich ist beiden gemeinsam, dass sie diesen Kampf kompromisslos, aber nicht humorlos führten. Die Skulptur “J with dot” (1970) sei eine ihrer Lieblingsarbeiten von La Rocca, erzählt Kuratorin Maurer. Sie besteht aus einem fast menschengroßen schwarzen J aus PVC – ein Buchstabe, der im italienischen Alphabet gar nicht vorkommt, im französischen aber für den Ich-Bezug steht. Dazu wird in Mailand die zeitgleich entstandene Fotografie “Con attenzione” gezeigt: Auf ihr ist die Künstlerin selbst zu sehen, wie sie gemeinsam mit dem Buchstaben im Bett liegt, die Decke zum Hals hochgezogen, mit überraschtem Blick in die Kamera: Ertappt!
(S E R V I C E – VALIE EXPORT & Ketty La Rocca: Body Sign”, Ausstellung in der Galerie Thaddaeus Ropac Milan Palazzo Belgioioso, Piazza Belgioioso, Mailand, Eröffnung am Dienstag 16. Dezember, 18.30 Uhr, bis 28. Februar 2026. https://ropac.net/)




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