Virologe wundert sich über geringe Suche nach SARS-CoV-2-Varianten

Matteo Bassetti: „Italien sequenziert zu wenig“

Mittwoch, 10. Februar 2021 | 08:06 Uhr

Genua – Der bekannte und angesehene Virologe Matteo Bassetti legt den Finger in die Wunde. Matteo Bassetti, der an der Universität von Genua das Fachgebiet der Infektiologie lehrt und als aufmerksamer Beobachter der italienischen Covid-19-Lage gilt, wundert sich über die geringe Suche nach Corona-Varianten. Der bekannte Virologe warnt davor, die Gefährlichkeit besonders der südafrikanischen und brasilianischen Variante zu unterschätzen.

Facebook/Prof. Matteo Bassetti – Infettivologo

Wie die neu hinzugekommenen Fälle in der Provinz Brescia und in Umbrien zeigen, muss man kein Prophet sein, um vorherzusehen, dass die neuen SARS-CoV-2-Varianten einige heute „gelbe“ Städte bald „rot“ färben werden. Auch der Virologe Matteo Bassetti beobachtet die Entwicklung mit Sorge. Der bekannte Experte, der an der Universität von Genua das Fachgebiet der Infektiologie lehrt und die Abteilung für Infektionskrankheiten der Klinik „San Martino“ von Genua leitet, gilt als aufmerksamer Beobachter der italienischen Covid-19-Lage. Er wundert sich besonders über die viel zu geringe Suche nach Corona-Varianten.

Instagram/Matteo Bassetti

Da nunmehr die Gefahr insbesondere von den neuen Varianten ausgeht, wäre es besonders wichtig, festzustellen, wo wie viele und welche Varianten gerade vorkommen. Im Mittelpunkt steht dabei die Sequenzierung des SARS-CoV-2-Genoms. Dabei handelt es sich um die genaue Untersuchung des „Virus-Bauplans“. Zu diesem Zweck muss die Virus-RNA aus den Proben herausgelöst und vervielfältigt werden.

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„Innerhalb der Europäischen Union sind wir das Land, das am wenigsten Sequenzierungen durchführt. Während es Länder gibt, die auf 1.000 positiv Getesteten 40 bis 50 Proben einer Genom-Sequenzierung unterziehen – in Dänemark sind es sogar 150 von 1.000 Abstrichen – wird in Italien zurzeit lediglich ein Tausendstel der Proben sequenziert. Ohne zu wissen, wo, wann, wie viele und welche Varianten in Italien gerade im Umlauf sind, kann man nicht über die Corona-Varianten beratschlagen. Heute haben wir keine Vorstellung von diesem Problem, weil in der Vergangenheit zu wenig in Labore für die genetische Sequenzierung investiert wurde“, legt Matteo Bassetti den Finger in die Wunde.

Facebook/Prof. Matteo Bassetti – Infettivologo

„Die Entscheidungsträger brauchen eine täglich übermittelte ‚Corona-Landkarte‘, die die wichtigsten neuen SARS-CoV-2-Varianten mit einschließt. Alle Labore müssen eine bestimmte Anzahl von Proben einschicken und die Ergebnisse dem Gesundheitsministerium übermitteln, das dann aus diesen Daten eine ‚Landkarte‘ der in Italien zirkulierenden Corona-Varianten erarbeiten muss. Diese Maßnahme ist dringend. Wir verlieren wertvolle Zeit“, mahnt der Virologe aus Genua fort.

Auf die Gefährlichkeit der verschiedenen Varianten angesprochen, meint Matteo Bassetti, dass besonders zwei Varianten als gefährlich gelten.

Facebook/Matteo Bassetti

„Die südafrikanische und die brasilianische Variante scheinen am gefährlichsten zu sein. Gerade die Viren der ersten Variante weisen im Speichel der positiv Getesteten eine hohe Konzentration auf. Sie sind ansteckender. Zudem besitzt das Virus einen besonderen Mechanismus, der ihm die Fähigkeit ermöglicht, der von uns gebildeten Immunabwehr zu entkommen. Im Klartext heißt das, dass eine Person, die ein erstes Mal vom Virus dieser Variante infiziert worden ist und daher Antikörper gegen das Virus gebildet hat, ein zweites Mal infiziert werden kann. Dies kann sogar kurze Zeit nach dem ersten Mal geschehen. Die Impfstoffe sind auf der Grundlage des Spike-Proteins des zuerst sequenzierten chinesischen Virus entwickelt worden. Es könnte also sein, dass diese Varianten den Impfstoffen entgehen. Diese Frage ist zwar noch offen, aber in jedem Fall ist allein schon diese Möglichkeit beunruhigend. Bei der englischen Variante hingegen, die im Moment in Europa vorherrscht, scheinen die Impfstoffe zu wirken“, erklärt der bekannte Virologe.

Nichtsdestotrotz hofft Matteo Bassetti, dass die schleppende Impfkampagne mit den neu hinzugekommenen Impfstoffen wieder in die Gänge kommt. Die verschiedenen SARS-CoV-2-Varianten hingegen dürften die Experten aber auch noch die nächsten Monate beschäftigen.

Von: ka