Tod von Davide Rebellin: Wolfgang Rieke[62] wird nach Italien ausgeliefert – VIDEO

„Mit Speichel Spuren verwischt und lange neben Leiche geblieben“

Freitag, 07. Juli 2023 | 08:00 Uhr

Montebello Vicentino/Recke(D) – Das zuständige deutsche Gericht in Hamm hat dem Auslieferungsantrag der Staatsanwaltschaft von Vicenza stattgegeben und beschlossen, den deutschen Lkw-Fahrer Wolfgang Rieke, der am 30. November letzten Jahres in Montebello Vicentino Davide Rebellin überfahren hatte, an Italien auszuliefern.

Der ehemalige Radprofi aus Venetien war an den Folgen der beim Unfall erlittenen schweren inneren Verletzungen gestorben. Die Auswertung der Aufnahmen der Überwachungskamera eines Restaurants, die den Unfall aufgezeichnet hatte, erbrachte bedrückende Details. Unter anderem soll der Beschuldigte versucht haben, mit Spucke Unfallspuren zu entfernen und eine Viertelstunde lang neben der Leiche geblieben sein.

APA/APA/AFP/FRANCK FIFE

In Vollstreckung des vom Untersuchungsrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft von Vicenza ausgestellten Europäischen Haftbefehls wurde der 62-jährige Wolfgang Rieke in Deutschland verhaftet und in Gewahrsam genommen. Da aber keine Fluchtgefahr besteht, wurde er jedoch einige Tage später mit der Auflage, seinen Wohnort nicht zu verlassen, bis zur Auslieferung nach Italien zunächst wieder auf freien Fuß gesetzt. „Er will mit den Justizbehörden zusammenarbeiten und hat nicht die Absicht, sich dem Gerichtsverfahren zu entziehen“, so sein italienischer Anwalt Andrea Nardin.

Aufgrund der Aufnahmen, die von der Überwachungskamera eines nahen Restaurants stammen, mehrerer Zeugenaussagen und weiterer gesicherter Spuren bestehen den Ermittlern zufolge kaum Zweifel über den Unfallhergang. Am 30. November letzten Jahres war Wolfgang Rieke aus Recke in Nordrhein-Westfalen mit seinem Lkw auf einem Straßenabschnitt durch Montebello Vicentino in Venetien unterwegs, als er in einem Kreisverkehr in einen Restaurantparkplatz einbog.

Dabei bemerkte er offenbar nicht einen Rennradfahrer – den 51-jährigen ehemaligen Rennradprofi Davide Rebellin – der auf der gleichen Straße fuhr. Der wahrscheinliche Grund war, dass der Lenker nicht den Blinker gesetzt hatte. Denn hätte er ihn gesetzt, wäre das Sicherheitssystem, das auf einem Bildschirm in der Fahrerkabine die lange Flanke des Lkw zeigt, aktiviert worden.

ANSA/ TOMMASO QUAGGIO

Im Video der Überwachungskamera, dessen Bilder laut Staatsanwaltschaft von „hervorragende Qualität“ sind, ist deutlich zu erkennen, wie der Lkw nach dem Zusammenprall und dem Überfahren des Rennradfahrers einen deutlichen Ruck vollzieht. Dieses Detail steht im Widerspruch zu Riekes Behauptung, er habe nicht bemerkt, einen Radfahrer überfahren zu haben. In den Aufnahmen ist zu sehen, wie der Lenker seinen Lkw anhält, aus der Fahrerkabine steigt und „zu Fuß auf den leblosen Körper Rebellins zugeht“.

Während einige Autos auf dem Parkplatz des Restaurants eintrafen, nahm Rieke wieder am Lenkrad Platz, um seinen Lkw einige Meter entfernt zu parken. Dann stieg er erneut aus. „Er spricht mit einigen Anwesenden und nähert sich gemeinsam mit ihnen zuerst den Überresten des Fahrrads und dann auch der Leiche“, so die Staatsanwaltschaft.

In den Minuten nach der Tragödie geschah auch etwas Bedrückendes, das den Ermittlern zufolge den ersten Versuch des Lenkers darstellt, Spuren des Unfalls zu beseitigen. „Um mit Speichel die Spuren des Zusammenstoßes mit dem Radfahrer zu verwischen, wischte er sich mit der Hand zuerst über den Mund und rieb sie dann zweimal an der Stoßstange“, so die Staatsanwaltschaft in ihrem Bericht. Die Kamera zeigt ihn dann, wie er auf dem Parkplatz noch ein wenig zögerte, dann aber „mit entschlossenem Schritt“ wieder in seinen Lkw stieg und „mit hoher Geschwindigkeit“ losfuhr, wobei er in der Eile den Bordstein des Rondells überrollte. Insgesamt verbrachte Wolfgang Rieke fast eine Viertelstunde am Unfallort.

Weiteren Ermittlungsergebnissen zufolge steuerte er nach dem Unfall zuerst ein Unternehmen in Montorso, wo er Material auflud, und dann ein Logistikunternehmen in Verona an. Unter Vermeidung von Autobahnen und Hauptdurchzugsstraßen – nach seinem Lkw wurde zu diesem Zeitpunkt bereits gefahndet – kehrte er schließlich nach Deutschland zurück. In Recke in Nordrhein-Westfalen angekommen, wechselte er den Anhänger und wusch mit einem aggressiven Reinigungsmittel die Blutspuren an seinem Anhänger ab.

Instagram/Davide Rebellin

Aufgrund der erdrückenden Beweislast kamen die Ermittlungen gegen ihn, die später in einen internationalen Haftbefehl münden sollten, dennoch ins Rollen. Für die Staatsanwaltschaft von Vicenza ist Wolfgang Rieke „völlig unempfänglich für jede Form von Skrupel, wobei sein Verhalten von einem erstaunlichen Fehlen jeglicher Anzeichen von Reue zeugt“.

Für die endgültige Überführung nach Italien bedarf es nur mehr der terminlichen Einigung zwischen den beiden zuständigen Ministerien. Der 62-jährige Lkw-Fahrer wird sich in Italien wegen fahrlässiger Tötung und Fahrerflucht verantworten müssen. „Er hat sich nie entschuldigt“, so Davide Rebellins Witwe Françoise Marie.

Von: ka