Admiral Cavo Dragone spricht von einem Strategiewechsel, Kreml: „unverantwortlich“

„NATO erwägt, gegenüber Russlands hybrider Kriegsführung ‚aggressiver‘ vorzugehen“

Dienstag, 02. Dezember 2025 | 07:05 Uhr

Von: ka

Rom/Brüssel – Ein Interview mit der Financial Times, in dem der Vorsitzende des Militärausschusses der Atlantischen Allianz, Giuseppe Cavo Dragone, davon spricht, dass die NATO eine aggressivere Haltung gegenüber Russlands hybrider Kriegsführung erwägt, schlägt in Europa und Moskau hohe Wellen.

„Wir prüfen alle Optionen. Eine aggressivere Haltung könnte eine Option sein“, sagte Cavo Dragone. Russland übte scharfe Kritik und sprach von einer „unverantwortlichen“ Erklärung. „Wir betrachten diese Erklärung als einen bewussten Versuch, die Bemühungen um eine Lösung der Ukraine-Krise zu untergraben“, erklärte Maria Zakharova, Sprecherin des russischen Außenministeriums, in einer Stellungnahme.

Facebook/NATO Allied Air Command

Als Reaktion auf Cyberangriffe, Sabotageakte und Luftraumverletzungen durch Moskau erwägt die NATO, gegenüber Russland fortan „aggressiver“ vorzugehen. Dies gab Giuseppe Cavo Dragone, der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, in einem Interview mit der Financial Times bekannt. „Wir prüfen alles“, erklärte er dem britischen Finanzblatt. „Im Bereich der Cyberkriegsführung sind wir in gewisser Weise eher zurückhaltend. Aggressiver oder zumindest proaktiver statt ausschließlich reaktiv zu sein, ist etwas, worüber wir nachdenken.“

Ein Präventivschlag im Rahmen eines hybriden Krieges könne als Verteidigungsmaßnahme angesehen werden, sei aber „weit entfernt von unserer normalen Denkweise”, so Dragone weiter.

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Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat Europa eine Zunahme von Cyberangriffen und Sabotageakten erlebt, die häufig Russland zugeschrieben werden. In den letzten Monaten kam es zudem wiederholt zu Luftraumverletzungen durch russische Drohnen und Kampfflugzeuge. Angesichts dieser Entwicklungen hat sich die NATO bisher wachsam, aber zurückhaltend gezeigt. Mit Blick auf die Zukunft erwägt sie nun eine Strategieänderung. „Aggressiver als unser Gegenüber zu sein, könnte eine Option sein. Es stellen sich Fragen nach dem rechtlichen Rahmen und der Umsetzung“, so der Admiral.

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Cavo Dragone führte weiter aus, dass die NATO und ihre Mitgliedsländer „aus ethischen, rechtlichen und völkerrechtlichen Gründen an viel mehr Einschränkungen gebunden sind als unsere Gegenseite. Das ist ein Problem. Ich will nicht sagen, dass es eine Verliererposition ist, aber es ist sicherlich eine schwierigere Lage als die unserer Gegenseite.“

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Einige Diplomaten, insbesondere aus osteuropäischen Ländern, die der russischen Bedrohung am stärksten ausgesetzt sind, haben die NATO zu einem Gegenschlag aufgefordert, was die Situation weiter eskalieren lassen könnte. Eine solche Antwort wäre im Falle von Cyberangriffen einfacher umzusetzen, da viele Länder über offensive Fähigkeiten auf diesem Gebiet verfügen. Bei Sabotageakten oder Drohnenangriffen wäre dies jedoch schwieriger. Laut Cavo Dragone ist es der NATO mit ihrer Mission Baltic Sentry jedoch bereits gelungen, dem aggressiven russischen Vorgehen entgegenzuwirken. Die Mission wurde Anfang 2025 zum Schutz kritischer Infrastrukturen in der Ostsee, darunter Unterwasserkabel und Gaspipelines, ins Leben gerufen. „Seit Beginn von Baltic Sentry ist nichts passiert. Das bedeutet also, dass diese Abschreckung funktioniert“, bemerkte der Admiral.

Ministro della Difesa/Ammiraglio Giuseppe Cavo Dragone

Seine Worte sorgten in Moskau für scharfe Kritik. Der Kreml wertet das Interview als bewussten Versuch, den Konflikt zu eskalieren und die Friedensbemühungen Russlands und der USA zu torpedieren. „Wir halten die Erklärung von Giuseppe Cavo Dragone zu möglichen Präventivschlägen gegen Russland für einen äußerst unverantwortlichen Schritt, der die Bereitschaft des Bündnisses zeigt, weiter auf eine Eskalation hinzuarbeiten“, erklärte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Zakharova, in einer Stellungnahme gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Tass zu dem Interview des Vorsitzenden des Militärausschusses der Atlantischen Allianz mit der Financial Times.

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„Wir betrachten die Erklärung als einen bewussten Versuch, die Bemühungen um eine Lösung der Ukraine-Krise zu untergraben“, fügte sie hinzu. „Wer solche Erklärungen abgibt“, so Sacharowa, „muss sich der Risiken und möglichen Folgen bewusst sein, die sich daraus ergeben – gerade auch für die Mitglieder des Bündnisses.“

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Giuseppe Cavo Dragones Aussage, „gegenüber Russlands hybrider Kriegsführung aggressiver vorzugehen”, und die harsche Antwort des Kremls, der die Erklärung als „unverantwortlich” bezeichnete, zeigen, dass bei allen direkt oder indirekt in den Ukraine-Konflikt involvierten Parteien die Nerven blank liegen. Experten werten die Aussage des Admirals aber auch als Warnung an Moskau, hybride Formen der Kriegsführung gegen NATO-Mitgliedstaaten nicht länger hinzunehmen und notfalls „proaktiv zurückzuschlagen”. Doch was bedeutet das für die nahe Zukunft und einen möglichen Frieden in der Ukraine?

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