Erdbebenopfer gezwungen sich zwischen Verlassen der Heimat und Überwintern im Wohncontainer zu entscheiden

„Nur drei Tage Zeit“

Freitag, 28. Oktober 2016 | 15:58 Uhr

Pieve Torina/Macerata/Marken – Das Beben am Mittwochabend hat sowohl bei den Betroffenen als auch bei den Rettern und den politisch Verantwortlichen die schlimmsten Erinnerungen wachgerufen und die Befürchtung ausgelöst, dass die Bilanz so ähnlich schrecklich wie beim Beben im August in Amatrice und Umgebung ausfallen könnte. Aber das Horrordesaster mit Hunderten von Toten blieb zum Glück aus.

Es stürzten zwar mehrere Gebäude ein, aber die übergroße Mehrheit der Häuser blieb – wenn auch oft schwer beschädigt – stehen. Laut Experten gibt es für den glimpflichen Ausgang zwei Gründe. Einerseits sorgte das erste Beben dafür, dass die Bewohner ihre Häuser verließen und auf der Straße blieben, sodass die bei der zweiten Erschütterung eingestürzten Gebäude menschenleer waren. Andererseits blieben viele Bauten stehen, weil sie nach einem vor vielen Jahren stattgefundenen Beben nach antiseismischen Richtlinien grunderneuert worden waren.

Allerdings wurden nach den beiden schweren Beben viele Häuser unbewohnbar, was zur Folge hat, dass Tausende von Dorfbewohnern vor dem Nichts stehen und eine neue Bleibe brauchen. Angesichts des Spätherbstes drängt nun die Zeit.

Der Bürgermeister der kleinen 1500-Seelen-Gemeinde Pieve Torina, Alessandro Gentilucci, richtete auf dem Hauptplatz einen dramatischen Appell an seine Bürger: „Wir haben keine Zeit. Denkt genau nach. In drei Tagen treffen wir uns hier wieder.“

Er stellte sie vor die Wahl, entweder in einem Hotel an der adriatischen Küste zu überwintern oder in der Nähe des eigenen Dorfes – allerdings in behelfsmäßigen Wohncontainern – zu bleiben. Würden sich die Bewohner für die Hotels an der Küste entscheiden, könnten in der Zwischenzeit in der Nähe des Dorfes Fertighäuser errichtet werden, wo die Einwohner von Pieve Torina im Frühjahr einziehen würden. Die Wohncontainer hingegen könnten die Obdachlosen noch vor Weihnachten beziehen. Nur riskieren sie dann, dort über mehrere Jahre zu bleiben.

Der Bürgermeister zieht die Fertighäuser der schnellen, aber weit weniger komfortablen „Container-Lösung“ vor. Auch weil sie wegen der seit Monaten andauernden mehr oder weniger schweren Beben langsam die Nerven verlieren, werden die meisten Gemeindebürger sich wohl für die „ruhigere“ Küste entscheiden.

Aber es ist nie leicht, die eigene Heimat zu verlassen. Und sie haben nur drei Tage Zeit.

 

 

 

Von: ka