Von: ka
Rom – Die steigenden Zahlen von Neuinfektionen – 642 am Mittwoch und 845 am Donnerstag – führen in Italien zu immer stärkerer Nervosität. Das Fass endgültig zum Überlaufen brachten „unvorsichtige Aussagen“ in einem Interview, das Walter Ricciardi, der an der römischen „Università Cattolica“ Hygiene lehrt und das Gesundheitsministerium berät, der Fernsehsendung „Agorà Estate“ des italienischen Staatsfernsehens Rai gab.
„Sollten die Neuansteckungen weiter ansteigen, geraten der Schulbeginn sowie die Abhaltung der Wahlen in Gefahr“, so die Kernaussage des angesehenen Experten. Diese Worte lösten sowohl in Regierungskreisen als auch bei der Opposition einen heftigen Sturm der Entrüstung aus. Noch am selben Tag präzisierte Walter Ricciardi seine Aussagen. In Italien bleibt aber die Angst bestehen, dass weiter steigende Zahlen von Ansteckungen mit dem Coronavirus den gesamten Zeitplan über den Haufen werfen könnten.
„Der Anstieg der Fälle von Ansteckung mit dem Coronavirus war vorhersehbar. Sollten die Leute ihr Verhalten aber nicht im positiven Sinne ändern und sollte die Verbreitung des Virus erneut ansteigen, werden wir uns wie andere Länder in der Lage befinden, nicht wählen und nicht die Schulen öffnen zu können“, so Walter Ricciardi, der an der römischen „Università Cattolica“ Hygiene lehrt und das Gesundheitsministerium berät, in der Fernsehsendung „Agorà Estate“.
Kaum wurden diese Worte am Donnerstagvormittag bekannt, lösten sie sowohl in Regierungskreisen als auch bei der Opposition einen heftigen Sturm der Entrüstung aus. Während sich das Innenministerium „irritiert“ zeigte, bekräftigten mehrere Mitglieder der römischen Regierung, dass an den geplanten Terminen der Schulöffnung und der Wahlen festgehalten werde. Von den Oppositionsbänken hagelte es scharfe Kritik. Der Präsident der Region Ligurien, Giovanni Toti, betonte, dass in seiner Region in jedem Fall gewählt werden wird.
„Die Wahlen zu verschieben wäre eine Bedrohung der Demokratie. Über eine fehlende Öffnung der Schulen zu sprechen, sät in den Familien nur weiteres Chaos. Die Regierung kann nicht das Land für ihre Fehler büßen lassen“, so die harsche Kritik der Präsidentin der Senatoren von Forza Italia, Anna Maria Bernini.
Die Unterrichtsministerin Lucia Azzolina nahm ebenfalls zur Meinung des angesehenen Experten Stellung. Sie betonte, dass „für die Eröffnung des Schuljahres kein Risiko“ bestehe. „Wir haben die moralische Pflicht, die Schulen zu öffnen. Es handelt sich um eine absolute Priorität der Regierung. Wir sind heute besser vorbereitet, als beim Ausbruch der Coronapandemie. Wir werden jeden Tag elf Millionen Gesichtsmasken verteilen, aber wir haben auch die Klassenräume vergrößert und nach neuen Räumen gesucht, um es den Schülern und Studenten zu ermöglichen, die Mindestdistanz von einem Meter einzuhalten und die Maske herunterzuziehen“, so die römische Unterrichtsministerin gegenüber einer Nachrichtensendung.
Auf die Ängste vieler Schuldirektoren angesprochen, erwiderte Lucia Azzolina, dass diese ungerechtfertigt seien. „Sie brauchen keine Angst zu haben. Um eine strafrechtliche Verantwortung der Schulleiter zu vermeiden, haben wir genaue Regeln und Vorschriften erlassen“, so Lucia Azzolina. Die Unterrichtsministerin fügte hinzu, dass, um einen regulären Unterricht zu gewährleisten, bis zu 100.000 Lehrkräfte angestellt werden.
Auch der außerordentliche Kommissar für die Covid-19-Notlage, Domenico Arcuri, versicherte, dass alles für die Öffnung der Schulen bereit sei und am Datum für den Schulbeginn, dem 14. September, nicht gerüttelt werde. „Das ist nicht nur für den Unterricht, sondern auch für die gemeinschaftliche Rückkehr der Gesellschaft zur Normalität unbedingt notwendig“, so Domenico Arcuri.
Noch am Donnerstag präzisierte Walter Ricciardi seine Aussagen. Er unterstrich, dass ein außer Acht lassen aller Vorsichtsmaßnahmen in zwei bis drei Wochen zu einer Verbreitung der Ansteckung führen und alle nach dem Lockdown ergriffenen Bemühungen zur Eindämmung der Epidemie zunichtemachen könne. In Hinblick auf die Wahlen bekräftigte Walter Ricciardi, dass die ansteigende Pandemiekurve unter Kontrolle gebracht werden müsse. „Bei uns ist die Kurve nur ein wenig angestiegen, in Ländern wie Spanien und Kroatien viel mehr. In diesen Ländern könne heute nicht mehr gewählt werden. In Italien hingegen kann noch gewählt werden“, so die unmissverständlichen Worte des angesehenen Beraters des Gesundheitsministeriums.
Es sind dieses „Noch“ und die vielen damit verbundenen Fragezeichen, die die Nervosität in der italienischen Politik und in der Öffentlichkeit steigen lassen. In Italien bleibt die Angst bestehen, dass weiter steigende Zahlen von Ansteckungen mit dem Coronavirus, den gesamten Zeitplan über den Haufen werfen könnten.
Hier geht es zum Video.