Räuber jagen ihre natürliche Beute

Seltene Aufnahmen: Wölfe erbeuten Hirschkalb

Donnerstag, 01. Juni 2023 | 06:59 Uhr

Pescasseroli – Dem Naturfotografen und Wanderführer Pietro Santucci, der allein oder mit Freunden und interessierten Gästen die Berge des Nationalparks Abruzzen, Latium und Molise durchstreift, gelingen mit seiner Kamera immer wieder atemberaubende Aufnahmen, die das Verhalten wild lebender Tiere in ihrer natürlichen Umwelt zeigen.

Facebook/Pietro Santucci

Pietro Santucci, der nie ohne seine Kamera unterwegs ist, ist es gewohnt, auf Wildtiere zu treffen, aber auch bei ihm war die Überraschung groß, als er vollkommen unverhofft ein Wolfsrudel live bei der Jagd nach Hirschkälbern erleben konnte. Die Lichtverhältnisse waren nicht die besten – die Brechung war stark – aber dank seiner Erfahrung konnte der engagierte Naturfotograf dennoch unglaubliche Eindrücke einfangen.

Facebook/Pietro Santucci

Auch Pietro Santucci, der seit vielen Jahren in den Wäldern und Bergen des Nationalparks Abruzzen, Latium und Molise unterwegs ist, war überrascht darüber, während eines Ausflugs mit der Kamera auf ein jagendes Wolfsrudel zu stoßen. Mit dem Ziel, möglicherweise ein Hirschkalb von seinem Muttertier zu trennen, um es erbeuten zu können, jagten mehrere Wölfe des Rudels eine große Gruppe von Rehen eine Bergflanke hinauf. Die Bemühungen des Rudels waren von Erfolg gekrönt.

Facebook/Canis lupus italicus – Lupo appenninico/Luigi Giannangelo

Ein Kalb, das es offensichtlich nicht mehr schaffte, mit den anderen Rehen Schritt zu halten, verlor den Kontakt zur Gruppe, womit sein Schicksal besiegelt war. Für die Wölfe, die im selben Moment von den anderen Tieren abließen, war es ein Leichtes, das Hirschkalb zu „umzingeln“ und zu töten.

Facebook/Pietro Santucci

„Es ist nie schön, Zeuge von solchen Szenen zu werden, aber die Natur hat auch ihre grausamen Regeln. Der Wolf ist einer der wesentlichen Akteure, die dafür sorgen, dass diese respektiert werden. Ob es uns gefällt oder nicht, aber so ist es nun einmal“, beschreibt Pietro Santucci auf seiner Facebook-Seite diese Szene. Die Bilder sind in der Tat grausam. In den Aufnahmen ist zu sehen, wie sich das Rudel nach der erfolgreichen Jagd die Beute teilt. Während drei Wölfe gemeinsam am Kadaver fressen, sucht ein Rudelmitglied mit einem Stück des Kitzes im Maul das Weite.

Facebook/Pietro Santucci

Wildbiologen nennen das Jagdverhalten der Wölfe typisch für ihre Art. In diesen Wochen bieten die jungen Hirsche und Rehe den Wölfen eine relativ einfach jagdbare und reichhaltige Nahrungsquelle. Die Geburtszeit der Beutetiere fällt mit dem Monat Mai zusammen. In dieser Zeit ist die Grünvegetation bereits recht üppig, was den Hirschjungen und Rehkitzen nicht nur quantitativ und qualitativ hochwertiges Futter, sondern auch gute Deckungs- und Versteckmöglichkeiten garantiert. Der Höhepunkt der Geburten bei den Hirschen und Rehen fällt fast haargenau mit der Geburtszeit der Wölfe zusammen, die in den späten Frühjahrswochen in den selbstgegrabenen oder etwa von Füchsen übernommenen Wurfbauen ihre Jungen zur Welt bringen.

Facebook/Pietro Santucci

Die Notwendigkeit, ihre Welpen – normalerweise werfen die Wölfinnen vier bis sechs Junge – wochenlang säugen und sie nach den ersten drei Wochen auch mit vorverdauter fester Fleischnahrung versorgen zu müssen, bringt es mit sich, dass in den späten Frühjahrs- und frühen Sommerwochen gerade die sich fortpflanzenden Weibchen einen erhöhten Fleischbedarf haben.

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Um den Fortbestand des Rudels zu sichern, ist es in dieser Zeit daher unbedingt erforderlich, dass die Wölfe bei der Jagd erfolgreich sind. Die Tatsache, dass die Jungtiere der Hirsche und Rehe, die auf das ganze Jahr gerechnet auch sonst einen wichtigen Teil der Nahrung der Wölfe darstellen, in diesen Wochen nicht nur leicht jagdbar, sondern auch recht zahlreich sind, begünstigt das Überleben der Wölfe.

Facebook/Pietro Santucci

Die von Pietro Santucci geschossenen Schnappschüsse mögen viele Naturliebhaber und sensible Gemüter schocken, aber gerade in den Wäldern und Bergen des Apennins und der Alpen ist der Überlebenskampf hart. Würden wie die in den Bildern gezeigten Raubtiere alle Wölfe nur ihre natürlichen Beutetiere jagen, wäre das Zusammenleben zwischen Menschen und Wölfen weit konfliktärmer. Da aber nicht wenige dieser großen Raubtiere Nutztiere töten und dadurch den Fortbestand der Berglandwirtschaft gefährden, ist es unbedingt notwendig, den Bestand der Wölfe zu regulieren und Wölfe, die Nutztiere angreifen, zu entnehmen.

Facebook/Pietro Santucci

Von: ka