Von: ka
Marmolata – Die Diskussionen um die Berg- und Gipfelkreuze kommen nicht zur Ruhe. Nachdem bei der vor drei Wochen losgetretenen Debatte noch religiöse und kulturelle Argumente im Vordergrund standen – über die Frage, ob neue Kreuze weiterhin errichtet oder entfernt werden sollten, wurde heftig gestritten – steht nun das unverschämte und gefährliche Verhalten nicht weniger Bergsteiger, die Gipfelkreuze als „Selfiestangen“ und Turngeräte missbrauchen, im Mittelpunkt.
Das vor allem seit dem Aufkommen der sozialen Netzwerke, die die „eindrucksvollsten“ Gipfelfotos mit Likes belohnen, bestehende Problem erlangt immer mehr Aufmerksamkeit, nachdem der Hüttenwirt der Capanna Punta Penìa, Carlo Budel, auf der Marmolata das Video eines Hüttengastes, der eine Gruppe spanischer Bergsteiger beim „Turnen“ und „Selfieschießen“ auf dem Gipfelkreuz der 3.343 Meter hohen Punta Penìa gefilmt hatte, veröffentlichte. Carlo Budel ärgert sich maßlos über das Verhalten der spanischen Bergsteigergruppe, die mit ihrem beschämenden Verhalten nicht nur ein religiöses Symbol entwürdigen, sondern auch ihr eigenes Leben gefährden.
Für diejenigen, die auf dem Gipfel eines der imposantesten Berge der Dolomiten stehen, um die Aussicht zu genießen und die Schönheit der Schöpfung zu bewundern, ist das Gipfelkreuz der 3.343 Meter hohen Punta Penìa auf der Marmolata ein religiöses Symbol. Zugleich ist es auch ein Denk- und Mahnmal, um der elf Opfer, die am 3. Juli 2022 beim Gletscherabbruch ihr Leben verloren, zu gedenken. Vor wenigen Tagen, am 11. Juli, fand eine Gruppe spanischer Bergsteiger allerdings nichts dabei, das Gipfelkreuz der Punta Penìa als „Selfiestange“ und behelfsmäßiges Fitnessstudio für Calisthenics-Übungen zu missbrauchen.
„Es geschah vor meiner Hütte vor wenigen Tagen. Ich war sprach- und fassungslos. Um den Leuten ‚im Tal‘ zu zeigen, wie groß die Dummheit der Menschen sein kann, teilte ich ein Video, das ein Hüttengast gefilmt hatte. Zugleich postete ich von mir gefilmte Aufnahmen“, erklärt der Hüttenwirt Carlo Budel, der seit sechs Saisonen die nur wenige Meter vom Gipfel entfernte Capanna Punta Penìa bewirtschaftet.
„Eine Gruppe von spanischen Bergsteigern verschiedenen Alters kam am Gipfel an. Wenig später kletterten vier oder fünf von ihnen auf das Kreuz. Einer fing sogar an, kopfüber Übungen und Liegestützen zu machen, so als ob das Kreuz ein Fitnessstudio im Freien wäre. Nicht zuletzt, weil kaum mehr als vor einem Jahr, am 3. Juli 2022, auf der Marmolata elf Menschen ums Leben kamen, ärgerte ich mich wirklich sehr. Sollen sie doch in Spanien bleiben, wenn sie hier nur die Clowns spielen wollen!“, so der erzürnte Hüttenwirt.
„Ich habe die Szene mit eigenen Augen gesehen und war schockiert. Zuerst sind sie ‚nur‘ hochgeklettert, um Fotos zu machen, aber dann haben sie auch angefangen, zu turnen“, erzählt Carlo Budel.
Das Verhalten der Bergsteiger war aber auch gefährlich. „Da sich der gesamte Zementsockel unter dem Kreuz vom Untergrund losgelöst hat, ist das Besteigen des Kreuzes sehr gefährlich. Immer wieder treffen Blitze das Kreuz, was nach und nach zur Schwächung des Gerüsts und des Fundaments führt. Wenn drei oder vier Leute auf das Gipfelkreuz klettern, könnte es passieren, dass es bricht. Sie begehen also nicht nur einen Akt großer Unverschämtheit, sondern gefährden auch sich selbst und die Menschen, die ihnen zu Hilfe kommen müssen. Früher oder später wird jemand hinunterstürzen“, warnt der Hüttenwirt.
Da seine Hütte sich unweit des Kreuzes der Punta Penìa befindet, wurde Carlo Budel nicht das erste Mal Zeuge solchen Verhaltens.
„Es kommt oft vor, dass irgendwelche Schwachköpfe hochklettern, um in zwei Meter Höhe ein Foto oder ein ‚abenteuerliches‘ Selfie zu schießen. Einmal haben sich sieben Bergsteiger zugleich ans Kreuz geklammert, aber ich habe Bergsteiger dort noch nie turnen sehen. Jeder kann denken, was er will, nicht alle von uns sind gläubig, aber was bringt es, auf Kreuzen hinaufzuklettern? Die echten, starken und erfahrenen Bergsteiger, von denen ich hier oben viele kennengelernt habe, haben sich so einen Blödsinn nie erlaubt“, fährt Budel fort.
Dass Bergsteiger es übertrieben und vom erkletterten Kreuz aus Fotos schossen, gab es manchmal auch in früherer Zeit, aber seit dem Aufkommen der sozialen Netzwerke, die die „eindrucksvollsten“ Gipfelfotos mit Likes belohnen, kommt es immer häufiger vor, dass Gipfelkreuze bestiegen oder „Turnübungen“ gefilmt werden. Was kann getan werden, um die Kreuze vor beschämendem Verhalten zu schützen und mögliche Unfälle zu verhindern?