Bedingungsloses Grundeinkommen im Süden ein Hit

Sucht nach „Gratisgeld“: „Bekomme ich jetzt den Vordruck?“

Samstag, 10. März 2018 | 08:11 Uhr

Bari/Palermo – Die Zusage im Falle eines Wahlerfolgs ein bedingungsloses Grundeinkommen, kurz BGE, einzuführen, trug nicht wenig zum Erfolg der Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo und Luigi Di Maio bei. In Süditalien, wo die 5SB bis auf wenige Ausnahmen alle Wahlkreise erobern konnte, trudeln nun in den Gemeindeämtern und Beratungsstellen der Gewerkschaften erste Anfragen ein. „Bin wählen gegangen. Kann ich nun ein Formular ausfüllen?“, so und ähnlich lauten die Wünsche der Antragsteller in spe.

„Es ist keine Invasion, aber seit Montag erreichen uns Anfragen von Bürgern, welche Informationen zum bedingungslosen Grundeinkommen einholen wollen. Leider wissen wir nicht, was wir ihnen sagen sollen, weil es sich um ein Wahlversprechen der Fünf-Sterne-Bewegung handelt. Die Frage ist immer gleich: Habe gewählt, bekomme ich nun das Antragsformular?“, so Tommaso Depalma, Bürgermeister von Giovinazzo, einer Großgemeinde in der Nähe von Bari in Apulien.

Twitter/redditodicittadinanza

Im von Wirtschaftskrise, Abwanderung, Arbeitslosigkeit und Verarmung geplagten Süden Italiens stieß das von der 5SB geforderte von ihr „reddito di cittadinanza“(Bürgereinkommen, Anmerkung der Redaktion) genannte BGE auf offene Ohren. Nicht zuletzt dank diesem Wahlversprechen gelang es den Mannen und Frauen um Di Maio in Apulien, einen sensationellen Erfolg einzufahren, alle Wahlkreise zu erobern und 42 von 62 möglichen Parlamentariern nach Rom zu entsenden.

Twitter/redditodicittadinanza

Anscheinend sind aber nun einige Wähler außerstande, zwischen Wahlversprechen und von Gesetzen geregelter, sozialer Unterstützung für ärmere Mitbürger zu unterscheiden. Manche Bürger glauben nun, dass das BGE bereits in Kraft sei, und hoffen nach dem Wahlsieg der 5SB, bereits ein Ansuchen für die Auszahlung des Bürgereinkommens stellen zu können.

Seit dem Tag nach den italienischen Parlamentswahlen melden Gemeindeämter sowie Beratungsstellen der Gewerkschaften Anfragen von Bürgern, welche nach Informationen und Vordrucken fragen. Nach der Antwort, dass es keine Vordrucke gebe, müssen sich manch Verantwortliche von gewerkschaftlichen Steuerberatungsstellen anhören, dass die „BGE-Antragsteller in spe“ ja die Fünf-Sterne-Bewegung gewählt hätten und sich nun die Erfüllung des Wahlversprechens erwarten würden.

In Palermo sah sich ein Patronat sogar gezwungen, ein Schild auf Italienisch und Arabisch aufzuhängen, dass in dieser Steuerberatungsstelle keine Anfragen für das bedingungslose Grundeinkommen bearbeitet würden. Die 5SB selbst distanziert sich von den angeblichen „Anfragen nach Vordrucken und Ansuchsformularen“ und beschuldigt den Partito Democratico, Fake News zu verbreiten.

Im Netz haben humorvolle Nutzer die angebliche „Sucht nach Vordrucken“ längst aufgegriffen und stellen „Scherzformulare“ in Netz. Dort wird „braven Wählern“, die nachweisen können, „richtig gewählt“ zu haben, die Möglichkeit eingeräumt, um „Gratisgeld“ anzusuchen.

Angesichts des politischen Patts in Italien werden die BGE-Antragssteller vermutlich noch lange auf das Einlösen des Wahlversprechens warten müssen. Das italienische Bürgereinkommen, von dem sich nicht wenige Experten eine Verbesserung der Lebenssituation der ärmeren Bevölkerungsschichten erhoffen, liegt noch in weiter Ferne.

Von: ka