Mithilfe von Reizgas Besucher ausgeraubt – Massenpanik verursachte sechs Opfer

Tote in der Diskothek: Sieben Taschendiebe festgenommen – VIDEO

Sonntag, 04. August 2019 | 08:11 Uhr

Corinaldo – Im Rahmen der Ermittlungen um den Tod von fünf Jugendlichen und einer Mutter während einer Massenpanik in der Diskothek „Lanterna Azzurra“ in Corinaldo – Südtirol News berichtete – wurden am Samstag sieben Personen festgenommen.

Bei allen Verhafteten handelte es sich um Mitglieder einer Bande von Taschendieben, die eine Mithilfe von Reizgas verursachte Massenpanik dazu nutzten, die Besucher auszurauben. In der wegen eines Konzerts übervollen Diskothek von Corinaldo führte die von der Bande verursachte Panik zu einer Katastrophe mit sechs Toten und mehr als 120 Verletzten.

Der Tod von fünf Jugendlichen im Alter von 14 bis 16 Jahren sowie einer Mutter, die ihre Tochter zum Konzert begleitet hat, wühlt selbst sechs Monate nach dem Unglück noch immer die italienische Öffentlichkeit auf. Nach dem fürchterlichen Unglück vom 8. Dezember 2018 nahmen Staatsanwaltschaft und Carabinieri sofort die Ermittlungen auf. Zeugenaussagen, die vom Versprühen von Reizgas berichteten, lieferten erste Hinweise. Im Laufe der nächsten Wochen und Monate führten weitere Aussagen, die Analyse von Videoaufnahmen vom Inneren der Diskothek und die Peilung mehrerer Smartphones zu einer Bande von Taschendieben. Mehrere Telefonmitschnitte überführten die Bande endgültig ihrer Tat.

Die siebenköpfige Bande suchte bevorzugt Diskotheken oder Konzerte auf und machte sich das dichte Gedränge zunutze, um die Besucher auszurauben. Dabei kam meistens Reizgas zum Einsatz. Während der Massenpanik fiel es den Dieben leicht, die Besucher ihrer Wertsachen zu entledigen. Am Samstag klickten die Handschellen. Alle Festgenommenen stammen aus der Umgebung von Modena. Bei ihnen handelt es sich um sechs 19 bis 22 Jahre alte, junge Männer – vier Italiener und ein je aus Marokko und ursprünglich aus Tunesien stammender Mann – sowie um einen 65-Jährigen aus Castelfranco Emilia, der als der Hehler der Bande gilt. Die jungen Männer hatten keine Arbeit oder gingen nur kleineren Gelegenheitsjobs nach. Dank der wiederholten Diebstähle konnten sie sich aber einen aufwendigen Lebensstil leisten. Die monatliche Beute – rund 500 Gramm Gold – wurde in Castelfranco Emilia einem „Compro oro“-Geschäft übergeben, das sich anscheinend dazu bereit erklärt hatte, ohne viele Fragen zu stellen, das Gold sofort in Bargeld zu verwandeln. Ersten Berechnungen der ermittelnden Behörden zufolge sicherte die kriminelle Tätigkeit der Bande ein monatliches Einkommen von rund 15.000 Euro, das unter den Mitgliedern zu gleichen Teilen aufgeteilt wurde.

Aufgrund des Versprühens von Reizgas – die Masche der Bande, um ihre Opfer auszurauben – werden sich die Verhafteten nun nicht nur wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung zur Ausübung von Diebstählen und – im Fall des 65-Jährigen – wegen Hehlerei, sondern auch wegen sechsfacher Körperverletzung mit Todesfolge vor Gericht verantworten müssen.

Aber auch die Inhaber der Diskothek – die „Lanterna Azzurra“ schien nur als „landwirtschaftlich genutztes Magazin“ auf – der Besitzer des Gebäudes, ein Sicherheitsbeauftragter, der Bürgermeister von Corinaldo sowie die Mitglieder der zuständigen Kommission zur Beaufsichtigung der öffentlichen Lokale kommen nicht ungeschoren davon. Insgesamt wird gegen neun Personen wegen fahrlässiger Tötung ermittelt.

Der Tod der Jugendlichen und der Mutter hat in der italienischen Öffentlichkeit eine rege Diskussion ausgelöst. Dabei geht es nicht „nur“ um die Taschendiebe, die durch das Ausbringen des Reizgases für die Katastrophe ursächlich verantwortlich sind, sondern auch um den unglaublichen Schlendrian und die mangelnde Sicherheit, die es ermöglicht haben, dass ein überfülltes, „landwirtschaftlich genutztes Magazin“ zur tödlichen Falle geworden ist.

Von: ka