Physisch und psychisch schwierige Arbeit der Feuerwehrleute – VIDEO

Tränen für das „Mädchen mit dem Teddybären“

Sonntag, 19. August 2018 | 08:12 Uhr

Genua – In den Bildern und Videos, die das eingestürzte Autobahnviadukt von Genua zeigen, sind immer wieder Feuerwehrleute bei Rettungs- und Bergearbeiten zu sehen. Wegen der riesigen, geborstenen Betonteile der Morandi-Brücke gestaltet sich ihr Einsatz als außerordentlich schwierig. Aber noch schwieriger dürfte es sein, über das, was sie gesehen haben, hinwegzukommen.

Twitter/Vigili del Fuoco

„Jetzt sehe ich vor mir ein Auto, das aber kein Auto, sondern nur mehr ein Wrack ist. Wegen der Kenntafel weiß ich, was es ist, aber ansonsten würde es keiner wissen, dass es einmal ein BMW war“, so ein Feuerwehrmann aus Bergamo, der sich seit dem fatalen Brückeninsturz mit 14 weiteren Kollegen aus seiner Stadt vor Ort befindet. Wie seine Feuerwehrkollegen riskiert er sehr viel. Sie müssen zwischen haushohen Betonblöcken der zerborstenen Stützen des Viadukts und meterlangen Teilen der ehemaligen Fahrbahn in enge Hohlräume kriechen, um nach zerquetschten Fahrzeugen und Opfern der Einsturzkatastrophe zu suchen. Nach vier bis fünf Stunden müssen sie eine Pause einlegen, weil sie sonst die nötige Aufmerksamkeit, die in diesem einen Schlachtfeld ähnelnden Unglücksort unbedingt nötig ist, verlieren würden.

Der Abteilungsleiter der Feuerwehrmannschaft aus Bergamo, Domenico Remonti, der zu Jahresende in den Ruhestand gehen wird, hat in seiner langjährigen Laufbahn als Feuerwehrmann und Mannschaftsleiter, bereits viele Katastrophen erlebt, aber keine ist ihm je so nahe gegangen, wie jene von Genua. Nach und nach zählt er mehrere Einsätze auf. Angefangen beim desaströsen Zusammenstoß einer Fähre mit einem Öltanker im fernen Jahr 1991, bei dem 140 Menschen ihr Leben verloren haben und seine Mannschaft 48 Leichen aus dem brennenden Fährschiff geborgen hat, über viele hässliche Unfälle auf den Autobahnen Italiens bis hin zu den verschiedenen Erdbeben, die in den vergangenen Jahren die italienische Halbinsel erschüttert haben. Als aber der hartgesottene Feuerwehrmann auf das Desaster von Genua zu sprechen kommt, senkt sich sein Blick zu Boden.

ANSA/ ALESSANDRO DI MARCO/Camilla und Manuele Bellasio

„Das Auto war nicht wiederzuerkennen, darin befanden sich der Vater, die Mutter, ein achtjähriger Bub und ein Mädchen. Als ich das Mädchen mit dem Teddybären gesehen habe, habe ich zu weinen begonnen, ich gebe es zu“, so Domenico Remonti. Aber die Feuerwehrleute – fährt Domenico Remonti fort – müssen sich auf ihre Arbeit konzentrieren und dürfen das grausame Schicksal der vierköpfigen Familie nicht zu nahe an sich heranlassen. Zu diesen schrecklichen Erlebnissen gehört auch die junge Frau, die die Männer aus Bergamo zusammen mit ihrem Hund tot aus ihrem von tonnenschweren Betonblöcken zerdrückten Pkw gezogen haben. Dann erzählt er vom Vater, der an der Unglücksstelle herumirrt und seinen Sohn sucht. Aber es gibt auch schöne Momente. Remonti ist stolz darauf, dass es seiner Mannschaft gelungen ist, auch zwei noch lebende Unglücksopfer aus den Trümmern zu bergen, was für die Moral der gesamten Mannschaft sehr wichtig ist.

Zuletzt aber hebt Domenico Remonti erneut den Blick und sieht vom Boden des Trümmerfeldes auf die sich 45 Meter über ihn befindende Abrisskante des zerstörten Viadukts, dessen langes Stück fast im Himmel zu schweben scheint.

„Diese Brücke trifft dich hart. Wenn man von unten nach oben schaut, begreift man, was diese Menschen erlebt haben, als sie in die Tiefe gestürzt sind“, meint nachdenklich der Mannschaftsleiter aus Bergamo.

Die Feuerwehrleute aus Bergamo sind heute zu erschöpft, um weiter über die Katastrophe nachzudenken. Nach stundenlangen Suchaktionen und Bergearbeiten, fallen sie, nachdem sie das Abendessen eingenommen haben, in einen tiefen Schlaf. Wenn sie aber wieder zu Hause sind, wird – so ein Feuerwehrmann – das ganze Erlebte über sie hereinbrechen, und dann werden sie selbst sich untereinander helfen müssen, um über den Einsatz in Genua hinwegzukommen.

Von: ka