Von: ka
Mazara del Vallo – Der letzte Capo di tutti i capi, Matteo Messina Denaro, dessen Verurteilung zu einer lebenslangen Haftstrafe für die Morde an den Staatsanwälten Giovanni Falcone und Paolo Borsellino erst am Mittwoch durch ein Berufungsgericht bestätigt worden ist, sorgt weiterhin für Schlagzeilen.
Diesmal geht es allerdings nicht um den „letzten Paten“ selbst, sondern um einen Maresciallo der Carabinieri und einen Lokalpolitiker, die versucht haben sollen, gestohlene vertrauliche Files zu Geld zu machen. Auf Anordnung der Direzione Distrettuale Antimafia (DDA) von Palermo wurden am Donnerstag ein Maresciallo der Carabinieri, Luigi Pirollo, und ein Gemeinderat von Mazara del Vallo, Giorgio Randazzo, von den Carabinieri festgenommen. Gegen den „König der Paparazzi“, den Fotografen Fabrizio, wird hingegen wegen Hehlerei ermittelt.
Am Donnerstag durchsuchten die Carabinieri die Mailänder Wohnung des „Königs der Paparazzi“, des Fotografen Fabrizio Corona. Gegen den „König der Paparazzi“ wurde im Rahmen der Ermittlungen gegen einen Maresciallo der Carabinieri aus Mazara del Vallo und einen Lokalpolitiker ein Verfahren wegen Hehlerei eröffnet. Der Maresciallo der Carabinieri Luigi Pirollo und der Gemeinderat von Mazara del Vallo Giorgio Randazzo sollen versucht haben, vertrauliches Material über die Ergreifung von Matteo Messina Denaro zu verkaufen, das illegal vom Computersystem der Carabinieri heruntergeladen worden war.
Luigi Pirollo und Giorgio Randazzo sollen geplant haben, eine Reihe von streng geheimen Akten, die die Festnahme von Matteo Messina Denaro zum Inhalt haben, an den Meistbietenden zu verkaufen. Während Pirollo, der die Dokumente vom Server der Carabinieri entwendet haben soll, des missbräuchlichen Zugriffs auf das Computersystem und der Verletzung des Amtsgeheimnisses beschuldigt wird, wird seinem Komplizen Randazzo Hehlerei zur Last gelegt. Beide wurden auf Anordnung der Staatsanwaltschaft von Palermo von den Carabinieri verhaftet und in den Hausarrest überstellt.
Die beiden Verdächtigen, die laut der Anschuldigung mit dem Verkauf der Dateien – insgesamt wurden 768 Files gestohlen – Zehntausende von Euro verdienen wollten, wandten sich an Fabrizio Corona. Dieser leitete die Files an einen Freund – den Leiter der Onlinezeitung Mow, Moreno Pisto – weiter. Die Nachricht, dass der „König der Paparazzi“ im Februar in den Besitz einer Reihe von Audiochats zwischen Messina Denaro und einigen Patienten gelangt war, die der „letzte Pate“ während einer Chemotherapie in einer Klinik getroffen hatte, ließ die Ermittler aufhorchen und zum Schluss kommen, dass etwas Illegales im Gange sein könnte. Matteo Messina Denaro hatte damals die Identität von Andrea Bonafede benutzt. Die Ermittler sahen sich daher dazu veranlasst, Coronas Telefon anzuzapfen.
In einem aufgezeichneten Gespräch kam der Fotograf auf einen „Knüller“ zu sprechen, der sich im Besitz eines Gemeinderatsmitglieds befinden solle. Das Telefongespräch führte die Ermittler auf die richtige Fährte. In der Zwischenzeit trafen sich Pisto und Corona mit dem Lokalpolitiker, der den beiden ein „Geschäft“ vorschlug. Mit einer List sei es gelungen, alle vom Gemeinderat zum Verkauf angebotenen gestohlenen vertraulichen Files zu kopieren.
Als der Journalist erkannte, wie heikel der Inhalt der digitalen Dokumente war, wandte er sich zunächst an einen Kollegen und dann an die Polizei, die er über die gesamte Geschichte aufklärte. Die bereits aufgenommenen Ermittlungen erhielten dadurch neuen Schwung. Schnell wurde herausgefunden, dass es der Carabiniere gewesen war, der die Files vom Server gestohlen hatte. Auch seine Verbindung zum Gemeinderat von Mazara del Vallo flog bald auf.
Es stellte sich heraus, dass sich unter den 768 vertraulichen Akten, die auf die Festnahme von Messina Denaro Bezug nahmen, auch eines der Sondereinheit Ros der Carabinieri befand, das die nach der Verhaftung des „letzten Paten“ zu durchsuchenden Immobilien zum Inhalt hatte. Aufgrund eines Versehens war in der Version des Dokuments, das der Maresciallo der Carabinieri gestohlen hatte, jedoch nicht das Versteck in Campobello di Mazara angegeben, in dem Matteo Messina Denaro während der letzten Zeit seines Untertauchens gewohnt hatte. Das letzte Versteck des Capo di tutti i capi war zu diesem Zeitpunkt den Carabinieri der Sondereinheit Ros aber noch nicht bekannt.
Nach dem Plan von Pirollo und seinem Komplizen sollte das Fehlen des Verstecks in den Unterlagen zu einer „Skandalgeschichte“ aufgebauscht werden, in deren Mittelpunkt die angebliche Absicht der Ermittler gestanden hätte, die offizielle Durchsuchung dieses Verstecks zu verzögern, um „heiße Wahrheiten“ verschwinden zu lassen. Dem als angebliche Sensationsmeldung getarnten Schwindel war jedoch nur ein kurzes Dasein beschieden. Der Plan des geldgierigen Tandems wurde vom Eingreifen der Direzione Distrettuale Antimafia (DDA) von Palermo vereitelt.
Nachforschungen zufolge begannen die Carabinieri der Spezialeinheit unmittelbar nach der Verhaftung von Messina Denaro damit, nach und nach alle Immobilien zu durchsuchen, die Andrea Bonafede zugeordnet werden konnten, wobei sie zu jeder Hausdurchsuchung den „vertraulichen Ehrenmann“ und treuen Diener seines Herrn mitnahmen, der seine gesamte Identität seinem Boss Matteo Messina Denaro „geliehen“ hatte. Erst als die Carabinieri die Wohnung in Campobello di Mazara betraten, wurde ihnen klar, dass sie im Wohnzimmer des letzten Verstecks des „letzten Paten“ standen. Nach einigem Zögern bestätigte dies auch Andrea Bonafede.
Im Falle eines Schuldspruchs wird der Versuch, gestohlene vertrauliche Dokumente in bares Geld zu verwandeln, den Beschuldigten teuer zu stehen kommen. Die Untersuchungen über Matteo Messina Denaros Leben und insbesondere jene über die vielen Bluttaten, für die er Verantwortung trägt, sind hingegen noch lange nicht abgeschlossen.