Aus Kamerun stammender Hausarzt wird Opfer von Rassismus – VIDEO

„Wenn sie mich hier nicht wollen, werde ich woanders hingehen“

Mittwoch, 16. November 2022 | 06:56 Uhr

Fagnano Olona – Seit der ursprünglich aus dem Kamerun stammende Mediziner Enock Rodrigue Emvolo von einem in Pension gegangenen Kollegen die Stelle aus Hausarzt in der Arztpraxis von Fagnano Olona bei Mailand übernommen hat, wird er immer wieder Opfer rassistischer Verbalattacken.

Der 48-Jährige, der an der Universität La Sapienza in Rom seinen Doktortitel in Medizin erworben hatte, wurde von einigen Einwohnern der Gemeinde „Der Senegalese“ genannt. Andere wiederum weigerten sich, von ihm behandelt zu werden, wobei sie ihn direkt ins Gesicht sagten, dass er „lieber Schafe hüten solle“. Noch schlimmer geht es in einigen sozialen Netzwerken zu. Dort arteten die rassistischen Beleidigungen gegen Enock Rodrigue Emvolo zu einem wahren Shitstorm aus.

Linked In/Dr Enock Rodrigue Emvolo

Obwohl er in den sozialen Netzwerken mit rassistischen Angriffen überschüttet wird, antwortete der Mediziner gelassen auf die Fragen eines Journalisten. „Ich bin verbittert. Aber wenn sie mich hier nicht wollen, werde ich woanders hingehen“, erklärte Enock Rodrigue Emvolo. Trotz der Angriffe öffnete der 48-jährige Hausarzt am Montag die Praxis und empfing die Patienten, die geduldig auf ihre ärztliche Visite gewartet hatten.

fotolia.de/morganka

Von vielen der rund 60 Patienten, die am Montag seine medizinische Hilfe in Anspruch nahmen, erhielt er Solidaritätsbekundungen und aufmunternde Worte. „Halten Sie durch, Doktor“, so die Meinung der übergroßen Mehrheit seiner Patienten. „Ich versuche einfach, mein Bestes zu geben“, fügte Enock Rodrigue Emvolo hinzu. Der 48-jährige Arzt gilt als sehr fleißig. Während er von Montag bis Freitag jeden Vormittag in der Arztpraxis seinen Hausarztberuf ausübt, besucht der nachmittags Vorlesungen an der Universität Insubria in Varese, um die medizinische Spezialisierung in Notfallmedizin zu erwerben.

Facebook/Comune di Fagnano Olona

Ein Teil der Angriffe dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Übergabe der Gemeindepraxis vom langjährigen italienischen Hausarzt, der seinen Ruhestand antrat, an Dr. Emvolo alles andere als reibungslos verlief. Der 48-Jährige praktizierte erst seit einigen Tagen in seiner neuen Arztpraxis, als die Internetleitung ausfiel. Mit dem Verlust des Anschlusses zum Netz ging auch die Verbindung mit der Datenbank des regionalen Gesundheitssystems der Lombardei verloren. Dies führte dazu, dass alle Verschreibungen und ärztlichen Bewilligungen von Hand ausgefüllt werden mussten. Vor der Praxistür bildete sich eine lange Warteschlange. Einige in der Schlange, in der das Murren immer größer wurde, konnten ihren Missmut und ihre Vorurteile offenbar nicht mehr länger verbergen und ließen sich zu rassistischen Beleidigungen hinreißen.

APA/APA (Symbolbild)/HELMUT FOHRINGER

In der Folge wurde auf Facebook gegen den „Senegalesen“ eine regelrechte Kampagne entfacht, die unter den Leuten in der etwas mehr als 12.000 Einwohner zählenden Großgemeinde immer weitere Verbreitung fand. Kurz darauf wurden auch einige Lokalmedien auf die rassistischen Angriffe gegen den ursprünglich aus Kamerun stammenden Arzt aufmerksam. „Ich bin hier, um mich um die Menschen zu kümmern und mich in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. Aber wenn sie mich hier nicht wollen, werde ich mich an den Sanitätsbetrieb wenden und um eine Versetzung bitten“, so Dr. Enock Rodrigue Emvolo. Der 48-Jährige meinte, dass das Maß voll sei und er die wiederholten Beleidigungen und die immer wiederkehrenden Hinweise auf seine Herkunft und seine Hautfarbe satthabe.

Comunicato urgente del sindaco Marco Baroffio.

Comunicato urgente del sindaco Marco Baroffio.

Posted by Comune di Fagnano Olona on Monday, November 14, 2022

Aber gleich wie die übergroße Mehrheit der Patienten des neuen Hausarztes stellte sich auch der Bürgermeister von Fagnano Olona, Marco Baroffio, hinter Dr. Emvolo.

„Unsere Gemeinde ist nicht rassistisch. Ich habe Dr. Emvolo aufgesucht und ihm meine Solidarität und die der ganzen Gemeinde übermittelt. Nachdem ich seine Verbitterung über die Geschehnisse der letzten Tage und seinen Wunsch, zu gehen, gehört hatte, habe ich ihn gebeten, sein Ansinnen zu überdenken und zu bleiben“, erklärte Marco Baroffio nach seinem Treffen mit Dr. Emvolo. Bürgermeister Marco Baroffio versprach Dr. Emvolo auch, sich bei den lokalen Gesundheitsbehörden dafür einzusetzen, die Ausstattung der Gemeindepraxis zu verbessern. „In Zusammenarbeit mit der lokalen Sanitätseinheit arbeiten wir daran, dem Arzt die bestmöglichen Arbeitsbedingungen zu bieten“, so der Bürgermeister, der sich in einer Videoansprache direkt an seine Bürger wandte.

APA/APA/ZB/Monika Skolimowska

Neben dem Bürgermeister drückten auch alle politischen Fraktionen, die den Gemeinderat von Fagnano Olona bilden – darunter Lega und Fratelli d’Italia – dem Arzt ihre uneingeschränkte Solidarität aus.

Wie es aussieht, dürfte Dr. Enock Rodrigue Emvolo den Patienten von Fagnano Olona noch lange erhalten bleiben. Wie das Lokalmedium „Malpensa24“ berichtet, entschied sich Dr. Emvolo nach einem weiteren Treffen mit dem Bürgermeister und dem Direktor des lokalen Sanitätsbetriebs dafür, seine Hausarztstelle in Fagnano Olona nicht aufzugeben und weiterhin in der Gemeindearztpraxis tätig zu bleiben.

Von: ka