Neue Regeln für Heiligsprechungsverfahren

Wunder geschehen? – Vatikan will Beweise

Samstag, 08. Oktober 2016 | 12:00 Uhr

Rom – Wunder gehören wohl zu den rätselhaftesten und aufsehenerregendsten Aspekten der katholische Kirche, die auch heute noch eine wichtige Rolle spielen. Trotzdem wir damit nicht leichtfertig umgegangen. Nun hat der Vatikan die Regeln für die Anerkennung von Wundern abgeändert. Offensichtliches Ziel: Man will sich im Umgang mit der sensationsträchtigen Materie besser gegen Zweifel wappnen.

Bevor ein Vorbild im Glauben zum Seligen oder Heiligen der Kirche erklärt wird, findet ein gerichtliches Verfahren in der Diözese des Kandidaten und dann in Rom statt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass das hohe sittliche Ansehen der Betreffenden begründet und ein öffentlicher Kult legitim ist.

Als Beweise werden im katholischen Glauben Wunder herangezogen, die auf Fürsprache der Seligen und Heiligen gewirkt werden – „ein ‘Fingerzeig Gottes’, der sozusagen das menschliche Urteil über ihre Heiligkeit im Leben ratifiziert“, erklärt Erzbischof Marcello Bartolucci, Sekretär der Kongregation für Heiligsprechungsverfahren.

Die bisherige „Geschäftsordnung für den medizinischen Rat der Kongregation für Heiligsprechungsverfahren“ stammt aus dem Jahr 1976 und wurde 1983 überarbeitet. Nun wurde noch einmal nachgebessert.

Die neue Geschäftsordnung legt fest, dass ausgewiesene medizinische Gutachter von untadeligem Ruf auf jeweils fünf Jahre vom Präfekten der Heiligsprechungskongregation ernannt werden, der auch den Vorsitzenden des Gutachter-Gremiums bestimmt. Aufgabe der bezahlten Experten ist es ausschließlich, bei angeblich unerklärlichen Heilungen ein wissenschaftliches Gutachten zu erarbeiten sowie Zweifel und Einwände zu klären.

Die beiden Fachleute müssen unabhängig voneinander einen Fall untersuchen: Kommt wenigstens einer zum Schluss, dass die Heilung jeder medizinischen Erfahrung widerspreche, wird die Angelegenheit im Kreis von bestenfalls sieben, mindestens aber sechs Medizinern diskutiert. Stimmen fünf beziehungsweise vier von ihnen mit der Unerklärlichkeit des Phänomens überein, sind die Theologen mit ihrer Bewertung an der Reihe.

Zweifeln schon die beiden beauftragten Gutachter am übernatürlichen Charakter des Geschehens, wird ein dritter hinzugezogen. Bleibt auch dieser skeptisch, wird der Fall nicht weiter verfolgt.

Scheitert ein mutmaßliches Wunder in der Abstimmung des Gremiums, kann die Heiligsprechungskongregation ein neues Gremium beauftragen, das Phänomen zu prüfen. Nach drei verpassten Chancen ist für das mutmaßliche Wunder allerdings Schluss.

Der Vatikan will zudem jede Beeinflussung der Mediziner durch die Antragsteller oder den Anwalt einer Selig- oder Heiligsprechung unterbinden, weshalb jeglicher Kontakt untersagt wird. Etwaige Bitten um weitere Dokumente dürfen ausschließlich über den Untersekretär der Heiligsprechungskongregation abgewickelt werden.

Im Mittelalter war die Sache noch wesentlich einfacher. Da reichte ein Katalog mit wundersamen Vorkommnissen, um jemanden selig oder heilig zu sprechen. Erst Papst Innozenz IX. führte 1678 die Pflicht ein, dass Berichte von Heilungswundern von Medizinern überprüft werden.

Von: mk