Mangelnde Erfahrung kann nicht geahndet werden – VIDEO

„Zu langsam“: Bestrafte Electrolux-Arbeiterin gewinnt vor Gericht

Sonntag, 22. September 2019 | 08:24 Uhr

Susegana/Treviso – Ein Gerichtsurteil sorgt in der italienischen Arbeitswelt für großes Aufsehen. Eine Arbeiterin des Elektrogeräteherstellers Electrolux, die von ihrem Arbeitgeber wegen „Langsamkeit“ bestraft worden war, zog vor das Zivilgericht von Treviso und bekam dort recht. Die Richter folgten der Darstellung der Frau, dass die „zu geringe Arbeitsgeschwindigkeit“ auf mangelnde Erfahrung zurückzuführen war, und verurteilten Electrolux dazu, die Disziplinarmaßnahme zurückzunehmen und der Angestellten alle Rechtsspesen zu erstatten.

Die Geschichte des Falles begann im Frühling des Jahres 2018, als gegen eine Arbeiterin des Elektrogeräteherstellers Electrolux der Fabrik von Susegana bei Treviso eine Disziplinarmaßnahme verhängt wurde. Der Betrieb beschuldigte die Frau, die zusammen mit Kolleginnen und Kollegen an einer Montagestraße arbeitet und am Band Elektrogeräte zusammensetzt, zu langsam und zu „nachlässig“ gewesen zu sein, was zum Verlust einiger Geräte geführt hatte. Im Rahmen der Maßnahme verhängte der Betrieb ein Bußgeld, das dem Gegenwert einer Arbeitsstunde entsprach.

Aber die Frau, die sich ungerecht behandelt sah, zog vor das Friedensgericht. In der Folge landete der Streitfall vor dem Zivilgericht von Treviso. Das Gericht wies in einem Urteil den Rekurs des Betriebes ab. Aus Sicht der Richter konnte die Frau nachweisen, dass die „Langsamkeit“ nicht auf Fahrlässigkeit oder gar Faulheit, sondern auf mangelnde Erfahrung zurückzuführen war. Die zu geringe Arbeitsgeschwindigkeit war daher – so die Argumentation der Angestellten, der sich das Gericht anschloss – nicht auf die willentliche Absicht, den Produktionsprozess zu verlangsamen, sondern auf zu geringe Arbeitserfahrung in diesem Bereich der Montagestraße zurückzuführen. Die Richter verurteilten Electrolux dazu, die Sanktion zurückzunehmen und der Angestellten alle Rechtsspesen zu erstatten.

Der richtungsweisende Richterspruch des Zivilgerichts von Treviso, das urteilte, das „Langsamkeit“ allein kein Grund sei, gegen eine Angestellte disziplinarrechtlich vorzugehen, löste in der italienischen Arbeitswelt eine rege und kontroverse Diskussion aus. Während viele Leser und Kommentatoren sich über das Urteil freuen, werfen andere bei allem Verständnis für die Arbeiterin ein, dass dieses Urteil auch dem Missbrauch Tür und Tor öffne.

 

Von: ka