Bürgermeister lässt mit kulinarischer Problemlösung aufhorchen

„Zu viele Biberratten? Essen wir sie!“

Donnerstag, 03. Mai 2018 | 07:01 Uhr

Gerre de’ Caprioli/Lombardei – Die niederen und wasserreichen Gebiete der Po-Ebene werden schon lange von einer regelrechten Biberrattenplage heimgesucht. Die Nutria, welche auch Biberratte oder Sumpfbiber genannt wird, stammt ursprünglich aus Südamerika. Die Tiere wurden in früheren Zeiten in Pelzfarmen gehalten. Nutrias, die aus solchen Farmen flohen oder in der Nähe von Wasserläufen ausgewildert wurden, vermehrten sich in wärmeren Gegenden rasant und formten bald große Populationen. Infolge ihrer intensiven Wühl- und Grabtätigkeit richten die bis zu 70 Zentimeter großen Tiere enorme Schäden an Deichanlagen, Entwässerungsgräben und Uferböschungen an.

ANSA

Dieses Problem ist seit einigen Jahren in der Nähe des Poflusses in der Lombardei immer größer geworden. Bisher wurden Millionen Euro ausgegeben, um die Nutriaplage einzudämmen. In erster Linie wurden Jäger damit beauftragt, den pelzigen Plagegeistern Fallen zu stellen. Aber diese teuren Lösungen zeitigten kaum Erfolge, sodass die Viecher damit fortfuhren, die Dämme des Po und seiner Nebenflüsse zu beschädigen.

In dieser Situation kam Michel Marchi, erster Bürger der Tausend-Seelen-Gemeinde Gerre de’ Caprioli bei Cremona, auf eine einfache Idee. Man könnte die Biberratten einfach „wegessen“, so der Bürgermeister auf seiner Facebook-Seite. Im Interview für eine Lokalzeitung gab der Bürgermeister zu bedenken, dass in halb Europa, unter anderem auch in Deutschland, die Nutria bedenkenlos gegessen werde, und nur Italien, wo die Gesetzgebung seiner Ansicht nach hinterherhinke, der Verzehr der Biberratten verboten sei. Er selbst, so Marchi, habe bereits Nutria gegessen und dabei festgestellt, das das Fleisch sehr gut und fast besser als das des Hasen sei. Der Bürgermeister von Gerre de’ Caprioli gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass auch in Italien der Genuss von Nutria legalisiert werde.

Ganz allein ist der Bürgermeister mit diesem Ansinnen nicht. Bereits 2015 wurde von Mirco Lorenzon, Assessor für Zivilschutz in Treviso, ein ähnlicher Vorstoß in diese Richtung gemacht. Unterdes erklärte sich Michel Marchi dazu bereit, in seinem Dorf ein Volksfest und eine „kulinarische Woche“ auf der Basis von Biberrattengerichten zu organisieren.

Facebook/Michel Marchi

Aber die Idee des Bürgermeisters hat auch viele Gegner. Die Tierschutzorganisation Aidaa kritisierte den Umstand, dass im Netz auf einigen Küchenseiten und -Blogs bereits Rezepte zur Zubereitung von Biberratten kursieren. Die Tierschützer werten dies als Beweis, dass in der Poebene bereits Nutria illegal konsumiert und angeboten wird.

Laut dem Ernährungswissenschaftler Antonio La Russa gibt es bisher noch keine umfassenden Studien, welche festgestellt hätten, ob das Fleisch der Nutria – eines Tiers, das sich fast ausschließlich von Pflanzen ernährt – gesund sei oder nicht.

Während in der Poebene, in Venetien und praktisch im gesamten italienischen Verbreitungsgebiet der Tierart Biberratten bereits unter der Hand gegessen werden, wird in der Öffentlichkeit immer noch über die Legalisierung des Nutriaverzehrs gestritten. Ob der Traum des Bürgermeisters von Gerre de’ Caprioli, sein Nutriavolksfest in die Tat umzusetzen, Wirklichkeit wird, steht in den Sternen.

Aber nachdem in der Europäischen Union seit Anfang des Jahres auch „Speiseinsekten“ als Lebensmittel zugelassen sind, dürfte auch dem EU-weiten Verzehr der Biberratten kein Hindernis mehr im Weg stehen.

Und was meinen unsere Leserinnen und Leser? Würden sie Nutria, die an Hase erinnern soll, auch gerne probieren?

Von: ka