Landtagssitzung

Altersarmut, Freiheitskämpfer und Zahnmedizin

Mittwoch, 06. März 2024 | 19:04 Uhr

Bozen – Im Südtiroler Landtag ist die Arbeit am Mittwoch weitergegangen, mit Anträgen der freien Fraktion, der Süd-Tiroler Freiheit und dem Team K.

Beschlussantrag Nr. 1/23 Maßnahmen gegen die Altersarmut in Südtirol: 1.000 Euro Grundrente und Landesinflationsanpassung (eingebracht von den Abg. Leiter Reber und Mair am 14.11.2023; Ersetzungsantrag vom 29.11.2023): Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen: 1. innerhalb der nächsten 12 Monate den derzeitigen „Beitrag für Wohnungsnebenkosten für Senioren“ so zu gestalten, dass dadurch die staatliche Mindestrente und Niedrigrenten von Südtirols Rentenberechtigten über 65-Jahren auf insgesamt mindestens 1.000 Euro Nettorente pro Monat mit Mitteln aus dem Südtiroler Landeshaushalt aufgestockt werden. Die Kriterien für den Erhalt dieser Grundaufstockung sind so anzupassen, dass auch Paare anspruchsberechtigt sind und die Fördermaßnahme mit dem „Beitrag für Miet- und Wohnnebenkosten“ kumulierbar ist; 2. zeitnah die im Vergleich zum staatlichen Durchschnitt deutlich geringere Kaufkraft der Südtiroler Rentnerinnen und Rentner durch eine eigene Landesinflationsanpassung aufzufangen. Die Maßnahme soll stufenweiße eingeführt werden, wobei mit den niedrigen Renten begonnen werden muss.

Erstunterzeichner Andreas Leiter Reber (Freie Fraktion) erklärte u.a., dass Altersarmut vor allem weiblich sei. Die Kosten für die Vorschläge im Antrag würden sich auf 35 Millionen Euro belaufen, 10 Nachhaltigkeitstage oder weniger als eine Bobbahn. Das Geld würde zudem wieder in den Südtiroler Wirtschaftskreislauf fließen.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) berichtete u.a. von einer Frau Mitte 70, die ihm davon berichtet habe, dass Mitte des Monats das Geld fertig sei. Es gehe in solchen Fällen oft um die Menschen, die das Land mit aufgebaut hätten. Es sei ein Armutszeugnis für ein Land wie Südtirol, das sich immer mit seinem großen Haushalt brüste, dass solche Menschen keine Unterstützung erhielten. Man habe die Aufgabe, dieser Generation ein würdiges und gut ausgestattetes Altern zu gewährleisten.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) verwies u.a. darauf, dass das Thema Mindestrente kein neues im Landtag sei und es vor allem Frauen betreffe. Bei Beiträgen für Miete und Wohnungsnebenkosten sei es nicht verständlich, warum diese nur Alleinlebende erhielten. Immer öfter hätten auch Paare Probleme, mit ihren Renten bis ans Monatsende kommen würden. Sie hoffe, dass der Beschlussantrag genehmigt werde.

Renate Holzeisen (Vita) sagte u.a., dass Altersarmut etwas äußerst bitteres sei und dass man sich in Südtirol schämen müsse, wenn man das Geld nicht aufbringe, allen Senioren einen menschenwürdigen Lebensabend zu gewährleisten – und es zugleich zahlreiche Protzprojekte gebe.

Ulli Mair (Freiheitliche), Mitunterzeichnerin des Antrags, unterstrich u.a., dass es im Antrag um Grundsätzliches gehe: Die Menschen, die das Land aufgebaut hätten, müssten einen würdigen Lebensabend haben. Die Anhebung der Renten sei ein wesentlicher Aspekt der Koalitionsverhandlungen gewesen. Es gelte die Finanzierung zu finden. Sie bat den Abg. Leiter Reber darum, den Antrag auszusetzen, um eine Einigung zu finden. Man habe sich im Zuge der Koalitionsverhandlungen darauf zu einigen, dass man etwas tun müsse – aber es sei nicht gelungen, die 1.000 Euro ins Abkommen hineinzuschreiben. Falls er den Antrag nicht aussetzen möchte, werde sie sich in der Abstimmung enthalten.

Anna Scarafoni (Fratelli d’Italia) sprach sich für den Antrag aus und ergänzte u.a., dass es nicht verständlich sei, dass Personen, die 40 Jahre lang Beiträge eingezahlt hätten, nicht die 1.000 Euro erreichten. Es gebe aber auch Situationen, in denen die 1.000 Euro nicht gerechtfertigt seien. Es müsse für Frauen, die etwa Kinder betreut oder Eltern gepflegt hätten, eine Lösung geben – aber alles stets unter Kontrolle. Der Beschlussantrag solle in dieser Hinsicht neu formuliert werden.
Zeno Oberkofler (Grüne) sagte u.a., dass es mit weniger als 1.000 Euro Rente in Südtirol nicht möglich sei, würdevoll bis ans Ende des Monats zu gelangen. An die Abg. Scarafoni gerichtet meinte der Abgeordnete, es wäre viel eher angebracht, sich Steuerhinterziehern und jenen zu widmen, die immense Gewinne machten, als die Finger auf die Schwächsten der Gesellschaft zu richten.

Andreas Leiter Reber (Freie Fraktion) erklärte, er sei bereit – wie vorgeschlagen – am Antrag zu arbeiten und die Abstimmung auf morgen zu vertagen.
Präsident Arnold Schuler sagte, man werde morgen mit diesem Punkt beginnen.

Es wurde dann mit der am Vormittag begonnenen Diskussion zum Begehrensantrag Nr. 03/24 Amnestie für die Südtiroler Freiheitskämpfer (eingebracht von den Abg. Atz Tammerle, Knoll, Zimmerhofer und Rabensteiner am 07.02.2024) fortgefahren. Zunächst ergriff Marco Galateo (Fratelli d’Italia) das Wort und erzählte, dass auch seine Familie von den Anschlägen betroffen gewesen sei. Er könne den Antrag nicht unterstützen. Es sei wichtig, auch jener Menschen namentlich zu erinnern, die bei Anschlägen ihr Leben verloren hätten – der Abgeordnete verlas sodann eine Liste der Namen der Getöteten. Die Ereignisse hätten viel Leid ins Land gebracht. Er schlage vor, den Antrag zurückzuziehen und abzuändern, um ihn dann neu zu behandeln, weil die Formulierung darin formal nicht korrekt sei.

Ulli Mair (Freiheitliche) erinnerte an die Ereignisse der Nachkriegszeit in Südtirol. In Kombination mit anderem hätten diese zur heutigen Autonomie geführt. Südtirol sei damals ein Exerzierfeld der Geheimdienste gewesen und es sei einiges vor sich gegangen, das nicht koscher gewesen sei. Sie verwies auch auf die Pusterer Buam, bezüglich deren Aktionen es nun berechtigte Zweifel gebe. Es bedürfe aber eines abgestimmten Vorgehens mit den Betroffenen selbst. Sie verstehe die Kollegen der Süd-Tiroler Freiheit, dass man damit ein Politikum machen wolle, aber sie zweifle an der Richtigkeit des Weges. Sie wisse zumindest von einem Pusterer Bua, der niemals eine Amnestie beim Staat anfragen würde. Es stelle sich auch die Frage, wie man mit anderen Personen umgehen wolle. Auch sie sei der Meinung, dass man hier auf diplomatischem Wege vorgehen solle – aber vor allem in Abstimmung mit den Betroffenen.

Das Thema der Begnadigung der Südtiroler Freiheitskämpfer sei ein wiederkehrendes im Landtag, so Andreas Leiter Reber (Freie Fraktion). Eine Rückkehr der Freiheitskämpfer wäre ein Akt der Menschlichkeit – das würden wohl viele im Landtag so sehen. Die Frage sei, was man erreichen wolle. Ein Zeichen des Südtiroler Landtags? Dass man es nach all den Jahren auch gut gehen lassen könne? Auch er finde das Instrument des Antrags nicht gut. Die Außenwirkung – wenn der Antrag nicht angenommen werde – sei, dass der Landtag dagegen sei. Auch die Einbringer wüssten, dass dieser Antrag nicht angenommen werden könne.
Es gehe in diesem Antrag um die Menschlichkeit und die Gerechtigkeit, erklärte Hannes Rabensteiner (Süd-Tiroler Freiheit) – in diesem Sinne hoffe er, dass der Antrag Zustimmung erhalte.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), Mitunterzeichner des Begehrensantrags, erinnerte daran, dass dies auch sein erster Antrag im Landtag im Jahr 2008 gewesen sei, der Antrag sei ein wiederkehrender – eine so sachliche Diskussion wie heute, habe es bisher allerdings noch nie gegeben. Dies sei eine qualitative Weiterentwicklung. Es gehe um die Frage, ob man es schaffe, dass diese Männer noch lebend heimkehren können – sie seien jetzt Mitte 80. Es habe in der Vergangenheit auch immer geheißen, man solle den diplomatischen Weg beschreiten, aber es sei bisher nichts weitergegangen. Man habe sich beim vorliegenden Antrag aus bestimmten Gründen für den Weg der Amnestie und nicht für das Gnadengesuch entschieden.

Jürgen Wirth Anderlan (JWA Wirth Anderlan) erklärte u.a., dass er sich bereits als Landeskommandant für die Begnadigungen der Herren eingesetzt habe. Es habe zu dieser Zeit geheißen, man solle sich ruhig verhalten. Ihm fehle “hier” der Wille; man könnte heute “hier” ein Zeichen für diese über 80-Jährigen setzen.
In seiner Stellungnahme führte LH Arno Kompatscher u.a. den Unterschied zwischen Begnadigung – ein Akt des Staatspräsidenten – und Amnestie – eine Entscheidung des Parlaments – aus. Es habe in den 1960er- und 1970er-Jahren unterschiedliche Gruppen und Situationen gegeben, unterschiedliche Beweggründe und Ansätze, wie man die Aufmerksamkeit erreichen wollte – man könne nicht alles in einen Topf werfen. Deshalb würde eine Amnestie nicht funktionieren. Er habe sich in den vergangenen Jahren in diesem Bereich massiv eingesetzt; diese Arbeitsweise habe Erfolge erzielt. Der Beschlussantrag aber sei nicht das richtige Mittel. Es gebe Themenbereiche, in denen Lösungen nicht mit Mehrheitsbeschlüssen bzw. -entscheidungen erreicht werden könnten. Man solle bei diesen Fragen schauen, breiten Konsens zu erhalten. Der Antrag sei inhaltlich oberflächlich formuliert und nicht das richtige Instrument – deshalb gebe es keine Zustimmung.

Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) schlug vor, den beschließenden Teil umzuformulieren – indem das italienische Parlament eingefügt werde und der Landtag “befürworte”. Sie wolle den Antrag dafür vertagen.

Dem Antrag wurde stattgegeben und mit der Behandlung des Beschlussantrags Nr. 2/23 Zahnmedizinischen Grundversorgung sicherstellen (eingebracht von den Abg. Ploner F., Köllensperger, Ploner A. und Rieder am 27.11.2023) fortgefahren: Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. Art. 8, Abs. 1, Anlage A des Beschlusses der Landesregierung vom 29. Oktober 2012, Nr. 1608 dahingehend abzuändern, dass bei Rückvergütungen von Ausgaben für kurative und prothetische zahnmedizinische Behandlungen die Familiengemeinschaft zur Gewährung der vollständigen Vergütung nicht einen Faktor der wirtschaftlichen Lage von mehr als 4 verfügen darf; 2. die Höhe der verfügbaren Beiträge bei Rückvergütungen von Ausgaben für kurative zahnmedizinische Behandlungen abhängig vom Gesamtbetrag der in Rechnung gestellten kurativen zahnärztlichen Leistungen gemäß Art. 6, Abs. 1, Anlage A des Beschlusses vom 29. Oktober 2012, Nr. 1608 zu verdoppeln; 3. den Höchstvergütungsbetrag gemäß Art. 6, Abs. 2, Anlage A des Beschlusses vom 29. Oktober 2012, Nr. 1608 bei kurative zahnärztlichen Leistungen von 300 € auf 600 € zu erhöhen; 4. die Höchstbeträge gemäß Art. 5, Abs. 1, Anlage A Beschluss der Landesregierung vom 21. Jänner Nr. 103 für prothetische Leistungen zu verdoppeln; 5. Art. 3, Anlage A Beschluss der Landesregierung 30. September 2013, Nr. 1414 dahingehend abzuändern, dass für Rückvergütungen von Ausgaben für zahnärztliche Behandlungen für Menschen mit Beeinträchtigung im Mundbereich der entsprechende Antrag innerhalb von 6 Monaten nach Ausstellung der letzten Rechnung eingereicht werden kann sowie kein gesonderter Finanzierungsantrag im Vorhinein beim Südtiroler Sanitätsbetrieb notwendig ist; 6. vorzusehen, dass dem Antrag auf Rückvergütungen von Ausgaben für zahnärztliche Behandlungen für Menschen mit Beeinträchtigung im Mundbereich nur die bezahlten Rechnungen/Honorarnoten, Zahlungsbelege und Haus- oder Kinderärztliche Bescheinigung des Vorhandenseins einer oder mehrerer Diagnosen gemäß Art. 2 der Anlage A des Beschlusses der Landesregierung vom 30. September 2013, Nr. 1414 zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns beizulegen sind.

In seiner Stellungnahme erklärte LR Hubert Messner u.a., der Kollege Ploner habe alles sehr gut ausgeführt. Die Zahngesundheit sei äußerst wichtig. Die Zahnmedizin müsse leistbar sein, besonders auch für Menschen, die Beiträge brauchen. Man habe es sich zum Ziel gesetzt, die derzeitigen Beiträge zu überprüfen und zu aktualisieren. Auch die Betreuungsstandards LEA würden angepasst. Die im Antrag angeführten Punkte müssten zunächst überprüft werden.
Franz Ploner (Team K), Erstunterzeichner des Antrags, unterstrich in seiner Replik u.a., dass der Landesrat offenbar die im Antrag angeführten Problematiken kenne. Er selbst fordere darin dazu auf, dass die Tarife erhöht würden. Die zahnärztlichen Leistungen seien teurer geworden, das treffe vor allem Personen, die die finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand bräuchten. Er ersuche um Zustimmung für den Antrag.

Der Beschlussantrag Nr. 2/23 Zahnmedizinischen Grundversorgung sicherstellen wurde mit 17 Ja und 17 Nein abgelehnt.

Von: luk

Bezirk: Bozen

Kommentare
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thomas
thomas
Kinig
2 Monate 10 Tage

Mit 17 ja und 17 nein abgelehnt?!? Eine Schande!

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