Land steigt aus Life-Ursus- und WolfAlps-Projekt aus

Bär und Wolf: „Jetzt reicht’s“

Donnerstag, 31. August 2017 | 09:17 Uhr
Update

Bozen – Das Land steigt aus den Projekten „Life Ursus“ und „Life WolfAlps“ aus. Mit einer Offensive in Brüssel soll der Schutz von Wolf und Bär auf Murmeltier-Niveau gesenkt werden, berichtet das Tagblatt Dolomiten. Von Rom wird eine staatsweite Obergrenze für Wölfe gefordert: Wo Wölfe neu auftauchen, wie etwa in Südtirol, sollen sie entnommen werden.

Immer wieder sind in den vergangenen Tagen Bilder von Schafen und Kälbern, die qualvoll verenden, ans Licht der Öffentlichkeit geraten. Die Bürger reagierten mit Zorn und Angst. Nun zieht das Land all seine Register.

„Die Wiederansiedelung von Bär und Wolf ist außer Kontrolle geraten: Uns reicht’s“, erklären Landeshauptmann Arno Kompatscher und Landesrat Arnold Schuler laut „Dolomiten“. Den Ausstieg aus dem Life Ursus-Projekt zur Sicherung des Programms Erhaltung des Bären im Adamello-Brenta-Gebiet, das 1999 von Landeshauptmann Luis Durnwalder unterzeichnet wurde, will die Landesregierung am Dienstag beschließen. „Des Weiteren weisen wir die Verwaltung des Stilfser-Joch-Nationalparks an, sich aus dem EU-Projekt ,Life WolfAlps‘ zurückzuziehen“, betont Kompatscher.

Zudem arbeitet das Land an einer Offensive in Brüssel und will sich direkt an EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker wenden.

Mehr lest ihr in der aktuellen Ausgabe des Tagblatts Dolomiten!

Bauernbund: „Dringend notwendige Entscheidung“

Erfreut zeigt sich der Südtiroler Bauernbund über die Ankündigung von Landeshauptmann Arno Kompatscher und Landesrat Arnold Schuler, das „Wolf- und Bärenabenteuer“ beenden zu wollen. „Das ist eine dringend notwendige Entscheidung“, kommentiert Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler. Druck gemacht werden muss nun in Rom und Brüssel.

Die Berichte von qualvoll verendeten Schafen, Kälbern und Esel und die entsprechenden Bilder haben nicht nur bei Bauern und vielen Bürgern für Ärger und Unverständnis gesorgt, sondern rufen nun auch die Politik auf den Plan. „Wir begrüßen die Ankündigung von Landeshauptmann Arno Kompatscher und Landesrat Arnold Schuler, aus den Bären- und  Wolfsprojekten ‚Life Ursus‘ und ‚LifeWolfAlps‘ auszusteigen. Die Raubzüge der Großraubtiere in den letzten Wochen haben klar gezeigt, dass sich die traditionelle Almwirtschaft und die Präsenz von Wölfen und Bären nicht miteinander vereinbaren lassen. Die Ankündigung von Kompatscher und Schuler ist ein klares Bekenntnis zur Almwirtschaft und zur Berglandwirtschaft“, freut sich Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler.

Nun muss vor allem auf jene Stellen Druck ausgeübt werden, die für das Großraubwild zuständig sind. „Die Zuständigen sitzen in erster Linie in Rom und Brüssel. Von den italienischen Verantwortlichen, besonders den Regionen, erwarten wir uns mehr Mut und eine klare Haltung zum Wolf, aber auch zu Bären. Und auch Brüssel muss die eigene Position zum Wolf überdenken. Da der Wolf nicht mehr vom Aussterben bedroht ist, muss der Schutzstatus gesenkt werden.“

Der SBB hofft im Interesse der Viehbetriebe, des Tourismus und der Menschen, die in ihrer Freizeit in den Wäldern und auf den Almen unterwegs sind, dass sich rasch etwas ändert – und zwar, bevor es zu spät ist und der Wolf in Südtirol Rudel bildet.
Wenig Verständnis hat der SBB für die Position der Grünen, die Herdenschutzhunde oder Elektrozäune zum Schutz der Schafe, Ziegen, Kälber und Esel vorschlagen. „Wer die Beschaffenheit unserer Almen kennt weiß, dass die Tiere dort niemals ausreichend geschützt werden können. Oder sollen Tausende Hektar Almen einfach mal so schnell eingezäunt und die Zäune regelmäßig kontrolliert werden? Auch der Einsatz von Herdenschutzhunden ist nicht ohne weiteres möglich. Erfahrungen aus anderen Bergregionen haben gezeigt, dass diese Maßnahmen nicht den gewünschten Schutz bieten bzw. kaum umsetzbar sind.“ Mit wissenschaftlichen Beratungsgremien und weiteren Arbeitsgruppen, wie vorgeschlagen, wird man das Problem mit Großraubtieren ebenfalls kaum in den Griff bekommen. Auch den Wölfen gut zuzureden und sie zu überzeugen, die Krallen von den Nutztieren zu lassen, wird wohl am Ende nichts nützen.

Daher ist der von Landeshauptmann Arno Kompatscher vorgeschlagene Weg der einzig richtige. Der Südtiroler Bauernbund wird die Bemühungen unterstützen und kann dabei auf die Mithilfe vieler Bauernverbände aus den Bergregionen zählen, die von ähnlichen Problemen mit Wölfen und Bären berichten.

Herbert Dorfmann fordert von EU- Kommission Flexibilität im Wolfsmanagement

Heute wird im Umweltausschusses des Europäischen Parlaments in Brüssel über eine Anfrage vom Südtiroler Europaabgeordneten Herbert Dorfmann an die EU- Kommission abgestimmt, in der gefordert wird, dass der Schutzstatus des Wolfes an die lokalen Gegebenheiten angepasst wird.

Der Wolf ist über die sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) besonders geschützt. Die Mitgliedsstaaten sind dadurch verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Wölfe langfristig einen lebensfähigen Bestand aufbauen können (den sogenannten „guten Erhaltungszustand“). „Sobald Wölfe in Regionen Europas einen guten Erhaltungszustand erreicht haben und somit andere Arten und Nutztiere gefährden und damit das natürliche Gleichgewicht des Ökosystems stören, muss ein Bewertungsverfahren entwickelt werden, welches es ermöglicht den Schutzstatus von Arten in bestimmten Regionen abzuändern,“ erklärt der SVP Politiker Herbert Dorfmann seine Forderung an die EU- Kommission. Der Wolf und der Braunbär sind keineswegs vom Aussterben bedrohte Arten. Deshalb muss man erkennen, dass es Gebiete in Europa gibt, in denen die Rückkehr dieser Beutegreifen zu nicht akzeptablen Konflikten führt. Das zeigt die Situation in Südtirol deutlich.”

Zum Thema Wolf hat Herbert Dorfmann bereits im Juni dieses Jahres eine Anfrage an die EU- Kommission gestellt, und zwar ob Wolfshybride als geschützte Art im Rahmen der Habitat- Richtlinie fallen. Der EU- Kommissar für Umwelt, Karmenu Vella, hat in seiner Antwort nun nicht nur darauf verwiesen, dass Hybriden nicht demselben Schutzstatus wie der Wölfe genießen, sondern die Vermischung von Wolf und Hund als Bedrohung anzusehen ist. Herbert Dorfmann dazu: „In Italien lässt sich in den vergangenen Jahren beobachten, dass es zunehmen zur Hybridisierung von Wolf und Hund kommt. Rund ein Drittel der 2.000 Wölfe in Italien sind sogenannte Mischlinge. Die Gründe für diesen Vorgang sind zum einen die genetische Affinität der beiden Arten und zum anderen die wachsende Zahl an Wölfen, die ihren Lebensraum erweitert haben. Zumindest diese Tiere sind zu entnehmen. Sie nehmen oft Verhaltensweisen von Hunden an und sind damit nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für die Menschen eine Gefahr. ” Der nationale Wolfsplan muss deshalb endlich genehmigt werden und er muss vorsehen, dass alle Mischlinge identifiziert und entnommen werden. Zudem muss einem weiteren Ausbreiten des Wolfes Einhalt geboten werden.

Bär und Wolf auf die Abschussliste? – Grüne wollen differenzieren

Seit Tagen läuft die Diskussion um das Auftreten von Bär und Wolf und deren mutmaßliche Attacken in Südtirol auf Hochtouren. Aufregung und Zorn der betroffenen Landwirt sind für die grünen Landtagsabgeordneten Hans Heiss, Brigitte Foppa und Riccardo Dello Sbarba vollkommen verständlich: Obwohl entsprechende Testergebnisse erst zum Teil vorliegen, besteht kaum mehr Zweifel daran, dass zumindest einige der Schafe und Kälber die im Umfeld von Plattkofel, Fedaia-, Fassa- und Ultental gerissen wurden, auf das Konto von Wölfen gehen.

Der medialen Erregung und dem Wunsch nach „Lynchjustiz“ mit sofortigen Abschüssen von Großwild sei allerdings entgegen zu halten, finden die Grünen.

„Die Gefährdung und Schadensentwicklung durch Bären ist zumindest in Südtirol in den Jahren 2014, 2015 und 2016 auffallend zurückgegangen. Es sind nur mehr minimale Schäden dokumentiert, von Attacken auf Tiere ist kaum, von solchen auf Menschen überhaupt nicht die Rede. Mit entsprechendem Management ist das ‚Bärenproblem‘ in Südtirol bis auf weiteres gut handhabbar und wird auch seitens des zuständigen Amtes sorgsam reguliert“, erklären die Grünen.

Anders sei die Situation angesichts des wachsenden Auftretens von Wölfen: „Hier gefährden die vermehrten Attacken zwar längst nicht die gesamte Almwirtschaft und deren große Viehbestände, aber doch sensible Almregionen an den Grenzen zum Trentino. Hier sind genaue Erfassungen des Problems notwendig, um Maßnahmen zu ergreifen. Dabei ist zu bedenken, dass der Wolf auch in den Alpen zur autochtonen Fauna gehört. Seine Rückkehr ist nicht über Wiederansiedlungsprogramme erfolgt, sondern auf natürlichem Wege“, betonen die Grünen.

Andere Regionen, wo der Wolf als Teil der Biodiversität betrachtet wird, darunter auch das benachbarte Trentino, hätten bereits wirksame Strategien zu Prävention und Schadensbegrenzung entwickelt. „Etwa Elektrozäune, Einsatz von Nachtpferchen oder von Herdenschutzhunden, Anpassung der Beweidungsmodalitäten usw. Wir haben keine Kenntnis davon, dass diese Maßnahmen auch in Südtirol angemessen zum Einsatz kämen”, erklären die Grünen.

Im Gegenteil, hierzulande werde laut den Grünen sogar die wissenschaftliche Begleitung dieses Phänomens abgelehnt. Der Vorschlag der Grünen, hierzu ein wissenschaftliches Beratungsgremium einzusetzen, wurde im Landtag im Juli 2014 knapp versenkt.

„Dabei ist er aktueller denn je, wenn man die Notstandslogik überwinden will. Teil eines sinnvollen Managements wäre es zunächst, von der bisherigen Alleinzuständigkeit des Amtes für Jagd und Fischerei abzugehen und die Perspektive einer kompetenzübergreifenden Dienststelle aufzubauen. Vorbildhaft ist das Trentino, wo verschiedene Institutionen zusammenarbeiten, von der Landesverwaltung über das Naturmuseum MUSE bis hin zu den Gemeinden und der Universität“, betonen die Grünen.

“Ein wissenschaftlicher, intersdisziplinärer Ansatz ist notwendige Voraussetzung für jegliche Folgemaßnahme. Die Entnahme einzelner Tiere ist kein grundsätzliches Tabu. Allerdings darf eine solche erst dann erfolgen, wenn sich die Vorsorge- und Schutzmaßnahmen als erfolglos erwiesen haben. In Südtirol verbeißt man sich indessen in die Vorstellung eines “wolfsfreien Landes” und setzt auf diese – typisch für Vorwahlzeiten – Illusionsstrategie. Illusion auch deshalb, weil der Wolf nicht vor den Landesgrenzen Halt macht. Daher zielt auf Staats- und auf Unionsebene die Gesetzgebung in Richtung des Zusammenlebens zwischen Mensch und Wolf. Dem Südtiroler Bauernbund ist deshalb in seinen Forderungen deutliche Mäßigung dringend angeraten. Es liegt auf der Hand, dass er die Frage von Bär und Wolf in ihrem politischen Druck- und Erpressungspotenzial nutzt, um den Landesrat in Schach zu halten“, erklären die Grünen.

STF: Wolf und Bär zerstören das Landschaftsbild

Langfristig wird sich das Südtiroler Landschaftsbild verändern, sollte Bär und Wolf nicht gestoppt werden, so das Ergebnis eines Treffens zwischen der Süd-Tiroler Freiheit und dem Kleintierzuchtverband.

Die Funktionäre der Süd-Tiroler Freiheit trafen sich zu einem Austausch mit dem Obmann des Kleintierzüchterverbandes Lorenz Müller und der Geschäftsführerin Barbara Mock, um die Zukunft der Berglandwirtschaft und der Kleintierzucht zu diskutieren.

„Die Schafe, Ziegen usw. sind schon seit 2004 in Gefahr, damals kam der Bär wieder nach Süd-Tirol. Die Schäden durch Bär wurden finanziell zwar vergütet, aber die Folgeschäden durch Tiere, welche aus Angst verschwunden oder verunglückt sind, werden nicht vergütet. Zudem vergütet niemand einem die züchterische Tätigkeit sowie die moralischen Schäden“, so Christoph Mitterhofer, Landwirt und Gemeinderat der Süd-Tiroler Freiheit in Meran.

„Ohne Einzäunung soll es nun in Zukunft keine Vergütungen geben, dies sei ein Hirngespinst, nur in den allerwenigsten Fällen ist das Abzäunen einer Alm möglich, abgesehen von den Problemen die für Wanderer, Radfahrer usw. entstehen,“ resümiert Dietmar Weithaler, Bezirkssprecher der Süd-Tiroler Freiheit im Burggrafenamt

Die Züchter und Landwirte würden in Zukunft die Weiden und Almen aus Angst um ihre Tiere meiden. Dies werde die Landschaft einschneidend prägen. Die Almen würden wieder zuwachsen und nur noch Gunstlagen würden weiterhin bewirtschaftet. Die Tiere würden dann auf Mähwiesen weiden und im Winter werde man Futter zukaufen müssen, was wiederum die Rentabilität für den Eigentümer schmälert, wurde im Gespräch erörtert.

Der Landtagsabgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit Bernhard Zimmerhofer sichert der Berglandwirtschaft Rückhalt im Landtag zu: „Wir werden, wo nötig und so gut als möglich, die Berglandwirtschaft unterstützen und auch weiterhin uns für den Erhalt des Landschaftsbildes einsetzten.“

Von: mk

Bezirk: Bozen